piwik no script img

Neue „Querdenker“-ProtesteDie üblichen Verdächtigen

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

„Querdenker“ sind da, wo der Frust ist, mal rechtsradikal, mal „besorgt“. Jetzt müssen die Parteien das Vertrauen in die Coronapolitik wiederherstellen.

Verstecken sich teils hinter harmlos klingenden Parolen: Co­ro­nal­eug­ne­r:in­nen Foto: dpa/Sebastian Kahnert

I n letzter Zeit war es ruhig geworden um die selbsternannten „Querdenker“, doch am Wochenende marschierten sie wieder. In verschiedenen Städten, von Stuttgart bis Dresden, protestierten je ein paar Hundert gegen die Corona-Politik der Regierung. Die Slogans klangen gewollt harmlos: „Es reicht!“ oder „Gegen den Coronawahnsinn“ – wer würde dem nach einem Jahr Pandemie nicht zustimmen?

Auch wenn mit Sicherheit aus berechtigtem Corona-Frust einige existenzbedrohte Un­ter­neh­me­r:in­nen oder Kulturschaffende mitliefen, zeigen die Bilder von den Demos doch, dass sich hier nicht der Querschnitt der bundesdeutschen Bevölkerung Luft macht. Nein, hier versuchen die üblichen Verdächtigen vom rechten Rand die Merkelregierung zu diskreditieren und gegen „Altparteien“ und „Lügenpresse“ zu hetzen. Bilder von Demonstrant:innen, die, gerne ohne Maske und vereinzelt bewaffnet, Po­li­zist:innen und Me­di­en­ver­tre­te­r:in­nen attackierten, illustrieren das.

Diese Leute treibt kein aktueller Notstand auf die Straße; die Ausnahmesituation namens Pandemie gibt es seit einem Jahr und auch die Meinungsfreiheit ist nicht in Gefahr. Sie sind einfach immer dort zur Stelle, wo es Frust gibt. Mal treten sie offen rechtsradikal auf, mal als besorgte Bürger:innen. Seit 2015 versuchen sie verstärkt, Stimmung gegen Regierung und Verfassung zu machen. Nach der Flüchtlings- ist jetzt die Corona-Politik der GroKo ihr neuer Fokus.

Das Vertrauen in die Politik bröckelt

Und hier gibt es tatsächlich einigen Grund zum Unmut: Die Impfungen kommen nicht schnell genug voran, einige Berufsgruppen erreichen die Hilfsgelder nicht oder zu langsam, die Schließungs- und Lockerungsmaßnahmen wirken zunehmend planlos. Der Glaubwürdigkeitsverlust ist mit den Korruptionsaffären in der Union nahezu komplett. Viele Menschen, die lange hinter der staatlichen Corona-Politik standen, gehören jetzt zu den Unzufriedenen.

Es liegt jetzt an den demokratischen Parteien im Bundestag, das Vertrauen in einen funktionierenden Staat wieder herzustellen und die Wut der Bür­ge­r:in­nen dort zu adressieren, wo es nötig ist. Und den Verschwörungs-Rest dort zu lassen, wo er hingehört: am rechten Rand.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Das Problem ist, dass man den "Querdenkern" von Anfang an gestattet hat, Kritik an Corona Politik nahezu exklusiv auf die Straße zu tragen. Und das man ihnen viel zu viel Aufmerksamkeit widmet.

    Da seh ich auch das Gros Medien in der Mitschuld, die pauschal kritische Stimmen nicht selten reflexhaft in dieser Ecke abgehaftet haben.

    Und auch die Linke muss sich fragen, warum man die verständlichen Sorgen und Probleme, gerade der Ärmsten, der Alleinerziehenden, der Kunst- und Kulturbranche nicht viel stärker wahrnehmbar unterstützt und warum man sich lieber an den Querulanten abarbeitet, als an den massiven Fehlern der Politik.

    Dass viele Menschen sauer, enntäuscht und wütend sind, aufgrund von falschen Maßnahmen, von verschleppten Maßnahemn, von logistischen Fehlern und irrer Bürokratie ist doch völlig verständlich. Eine Opposition, die einem Spahn oder Söder nach dem Mund redet wohl eher nicht.

    • @Deep South:

      Wo würde denn aktuell irgendwem nach dem Mund geredet? Momentan bleibt an den meisten Entscheidungen kein gutes Haar, aber eben weil sie zu stümperhaft und ignorant organisiert werden.

      Die Quer-Szene schottet sich ab, indem in ihren Portalen Widerspruch abgewürgt wird und widersprechende Quellen ausgeblendet werden. Begründet wird das durch drohende "Spaltung". Währenddessen wird die eigene Ausgrenzung bejammert. Die Selbstmärtyrisierung, magisches Denken und ein unerschütterlicher Glaube an Q bilden den Klebstoff an die rechte Szene. Die Filter sind ausreichend dicht, was im Rest der Gesellschaft diskutiert wird, dringt nur noch durch diese Filter, wenn ihm ein passender Spin mitgegeben werden kann.

  • Wobei diejenigen, die jetzt unzufrieden sind, das Gegenteil der antisemitischen Esoteriker sind: sie wollen schnellere Impfungen und nicht gar keine.

    Entschuldigung, es gibt keinen Rand im Politischen.



    und ja, das Wort "Querdenker" wird von den antisemitischen Esoterikern missbraucht - seit dem QuerdenkenTV von Michael F. Voigt.

  • "Querdenker" werden natürlich niemals einem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen. Sie werden dem Durchschnitt immer irgendwie schwer im Magen liegen. Ich erinnere ich an Zeiten, als Jungsozialisten und Jungdemokraten (die gab's mal!) Querdenker in der Gesellschaft waren, später kamen die Grünen.



    "Querdenker" ist ein positiver Begriff, den wir auf jeden Fall als solchen behalten sollten. Was ist das für eine Gesellschaft, in der niemand mehr quer denkt? Schade, dass wir auch die heutigen "Querdenker" an den Rand drängen mit ihrem Grundanliegen. Und das ist die elementare Frage nach unseren Grundrechten.



    Es hat auch mir noch niemand einleuchtend erklären können, warum sie denn "Grundrechte" heißen, wenn man sie bei Bedarf aufheben kann. "Einschränken" ist ja nur eine verharmlosende Formulierung. Im Grunde demonstriert die Politik gerade, dass unsere sogenannten Grundrechte Schön-Wetter-Grundrechte sind, die in einer Ausnahmesituationen auf einmal nichts mehr wert sind. Für Leute, die sich darüber aufregen, könnte man doch zumindest Verständnis haben ...

    • @Christ:

      Dass sich Coronaleugner und sonstige Verschwörungsgläubige mit dem Begriff Querdenker schmücken kann man wohl getrost den Kategorien Euphemismus und Desinformation zuordnen weil es eben unzureichend und auch nicht Sinn der Sache ist lediglich eine abweichende Minderheitenmeindung zu vertreten, sondern ein wirklich kritischer Geist auch in der Lage sein sollte die eigene Position ebenso kritisch zu hinterfragen wie die der hegemonialen Mehrheit und eine geänderte Faktenlage zu integrieren. Wer aber die eigenen Überzeugungen mit Faktenresistenz und noch den absurdesten Verschwörungsmythen gegen das Eindringen der Realität in seine fragile Traumwelt verteidigt ist ganz sicher kein Querdenker.



      Was die Grundrechtseinschränkungen angeht sollten sie sich klar machen, dass auch schon vor Corona jedes(!) Gesetz eine Grundrechtseinschränkung war. Ihre Feizügigkeit endete an Nachbars Gartenzaun, weil es sonst Landfriedensbruch wäre, die Meinungsfreiheit an den Schranken von Beleidigung und Schmähkritik, Post- und Fernmeldegeheimnis an den Intressen von Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden und selbst jede Verordnung (zu Brandschutz, Bau, Hygiene, ...) ist noch eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Das festzustellen ist eher trivial als Anlass zur Empörung, die aktuellen Beschränkungen zur Bekämpfung der Seuche schlicht vernünftig und notwendig, denn dass es mit Vernunft, Einsicht und freiwilliger Zurückhaltung alleine nicht geht war im letzten Sommer und Herbst leider allzu klar zu beobachten. Für die Annahme oder auch nur Vermutung, dass die Maßnahmen über die Pandemie hinaus Bestand haben könnten gibt es keine vernünftigen Anhaltspunkte.

      • @Ingo Bernable:

        Dort aber wo Grundrechte tatsächlich und auch dauerhaft angegriffen werden, etwa in Zusammenhang von Datenschutz und Überwachung (Bürger-ID, verpflichtende Fingerabdrücke im Ausweis, smarte Kameras, automatische Nummernschilderfassung, ...) kommt von den selbsternannten querdenkenden Verteidigern der Grundrechte erstaunlich wenig Kritik, aber sich im Detail mit sachpolitischen Vorgängen befassen zu müssen ist eben auch mühsamer als pauschal auf die vermeintlich heraufdämmernde Diktatur einzudreschen.

  • Volle Zustimmung! Es darf gerne demonstriert werden, aktuell gibt es ja leider genug Gründe dafür. Trotzdem stelle ich mich dafür nicht neben rechtsextreme und Neonazis, die eigentlich nicht für eine bessere Corona-Politik auf die Straße gehen, sondern gegen die Regierung (egal, was sie tut) bzw. gegen jegliche politischen Gegner.

  • Ich empfehle zur korrekten politischen Einstufung der Querdenker-Szene, die Studie des Schweizer Soziologen Oliver Nachtwey.

    www.welt.de/politi...n-die-Gruenen.html

    Querdenken-Anhänger „haben bisher zu 21 Prozent die Grünen und 17 Prozent die Linke gewählt, der AfD haben 14 Prozent ihre Stimme gegeben“, sagt Nachtwey.

    • @drafi:

      Mal in die Nachtwey-Studie zu schauen ist sicher nicht verkehrt. Allerdings wird hier gerade auch mal wieder deutlich wozu ein wenig seriöser Umgang mit einer seriösen Quelle und selektive Zitation führen. Während selbst Springers Welt noch ergänzt: "Bei der nächsten Bundestagswahl wollen nun aber 30 Prozent der AfD ihre Stimme geben" wirkt es in ihrem Kommentar dann so als ob das eine primär grüne Bewegung sei.



      Nachtwey selbst schreibt:



      "Die Bewegung der Querdenker:innen ist vor allem durch eine tiefe Entfremdung von Kerninstitutionen der liberalen Demokratie zu charakterisieren. Der parlamentarischen Politik und den Parteien, der Wissenschaft und den Medien – allen Institutionen schlägt grosses Misstrauen entgegen."



      Und der jeweils überwiegende Teil der Befragten meint:



      - Politische Entscheidungen seien von Geheimorganisationen beeinflusst.



      - Politiker seien nur Marionetten



      - Medien und Politik stecken unter einer Decke



      - Ich vertraue meinen Gefühlen mehr als Experten



      - Bill Gates will Zwangsimpfungen



      - Die Regierung verschweigt die Wahrheit



      - Es gib keine Meinungsfreiheit mehr



      - Die AfD ist eine normale Partei.



      - Die Aufregung über die Reichsflaggen ist übertrieben



      - Unsere natürlichen Selbstheilungskräfte sind stark genug um das Virus zu bekämpfen.



      idw-online.de/de/attachmentdata85376