Neue Musik aus Berlin: Zeitgemäße Weirdness
Elektronisch in Chemnitz: Der Musiker Karl-Marx-Stadt erkundete schon Breakcore, Skweee-Sound und Synthesizer-Klänge. Ein Album versammelt nun alles.
A uf den ersten Blick mutete der Alias, den Christian Gierden sich ausgesucht hat, doch anmaßend an. Ein Musiker will eine ganze Stadt repräsentieren!?! Als Karl-Marx-Stadt, wie Chemnitz in Gierdens Kindheit noch hieß, veröffentlicht der Musiker seit gut 25 Jahren Elektronik. Nach einigen Jahren in Leipzig lebt Gierden mittlerweile in Berlin.
Genauer betrachtet zeugt der Name jedoch von Bescheidenheit: 1997 wollte das Label Lux Nigra nämlich eine Compliation von Elektronik-Künstler:innen aus Chemitz veröffentlichen. Die sollten anonym bleiben, nur um den Sound sollte es gehen. Erst nach einer Weile fiel auf, dass eigentlich fast nur der heute 45-jährige Gierden seine Tracks eingereicht hatte. Der Projektname wurde zum Alias.
Musikalisch schlugen in Gierdens Brust über die Jahre unterschiedliche, aber allesamt elektronisch getaktete Herzen – was das Werk von Karl-Marx-Stadt tatsächlich recht vielstimmig macht. Mit „Egoverlust und Heterogenität“ benennt er selbst die zentralen Elemente seines Output. Anfangs begeisterte er sich vor allem für schredderigen Breakcore; später dann etwa für den Skweee-Sound aus Skandinadiven, bei denen funkige Bassläufe auf schlichte Synthie-Melodien treffen.
Karl-Marx-Stadt: „Karl Marx Stadt IV – 2017- 2021“ (Moniker Eggplant/ Bandcamp)
Basslastig ist auch das Fundment der bunten und bei aller Eigenwilligkeit doch gradlinig anmutenden Veröffentlichungen der letzten Jahre, die nun auf einem Album versammelt sind. Darüber liegen Melodien, die bisweilen auch als munterer Titeltrack eines Seventies-Fitness-TV-Formats durchgehen könnten, etwa beim Stück „Electonic“ – angereichert mit etwas zeitgemäßer Weirdness.
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