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Neue Militärspitze in KolumbienUntauglich für den Frieden

Präsident Juan Manuel Santos wechselt fast die gesamte Militärspitze aus. Der Friedensprozess mit der linken Farc-Guerilla ist in Gefahr.

Alles neu: Präsident Juan Manuel Santos und sein Militär. Foto: reuters

Buenos Aires taz | Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat überraschend die Militärspitze ausgewechselt. Die Kommandanten von Heer, Marine und Luftwaffe wurden ausgetauscht, lediglich der Chef der Militärpolizei sowie der Chef des Generalstabs wurden in ihren Ämtern bestätigt.

Santos dankte den Entlassenen mit markigen Worten: Sie könnten stolz auf ihre erzielten Resultate sein und gehen „erhobenen Hauptes, voller Stolz und aller Ehren“. Gleichzeitig sprach der Präsident von der Herausforderung, den Frieden in Kolumbien Wirklichkeit werden zu lassen als der neuen Aufgabe für die Neuen in den Befehlsstellen.

Offen ist, ob bei dem Wechsel auch die Vorwürfe der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) Santos’ Entscheidung beeinflusst haben. In einem kürzlich erschienenen Bericht hatte HRW der militärischen Führung vorgeworfen, über die sogenannten falsos positivos in den Jahren 2002 bis 2008 informiert gewesen zu sein. Die zwei Worte stehen für eines der perversesten Verbrechen des seit über 60 Jahre andauernden Bürgerkriegs. Unschuldige Zivilisten wurden ermordet, ihre Leichen in Guerilla-Uniformen gesteckt und als gefallene Guerillakämpfer präsentiert. Damit besserten die Militärs ihre Erfolgsquote auf.

Die Verbrechen stehen außer Zweifel. Mehrere Militärs wurden seither verurteilt oder mussten zurücktreten. Ob der Austausch der Militärspitze in diesem Zusammenhang steht, ist unklar.

Friedensgespräche auf Messers Schneide

Die Wortwahl des Präsidenten deutet allerdings eher darauf hin, dass die bisherigen Chefs dem Vorankommen des Friedensprozesses im Wege standen. Die seit November 2012 in der kubanischen Hauptstadt Havanna laufenden Friedensgespräche stehen auf des Messers Schneide, seit sich ab April die militärische Konfrontation zwischen Militär und Farc-Guerilla wieder erheblich verschärft hat. Damals hatte ein Kommando der Farc elf Soldaten getötet. Als Konsequenz ließ Präsident Santos die bis dahin ausgesetzten Luftangriffe auf Stellungen und Lager der Guerilla wieder aufnehmen.

Ende Juni wurde der Farc vorgeworfen, mit der Sprengung eines Hochspannungsmastes in der Provinz Nariño 200.000 Menschen die Stromversorgung gekappt zu haben. Ob hinter dem Anschlag tatsächlich ein Guerilla-Kommando steckt ist offen, der Frust unter der Bevölkerung wächst jedenfalls durch solche Aktionen wieder.

Die Verhandlungen befänden sich auf ihrem bisher tiefsten Punkt, bestätigte Humberto De la Calle, Santos’ Chefunterhändler bei den Friedensgesprächen. Es bestehe das Risiko eines Abbruchs, sagte De la Calle vor wenigen Tagen. „Der Verhandlungsprozess steuert auf sein Ende zu. Sei es im Guten, weil wir eine Übereinkunft erzielen oder im Schlechten, weil sich die Geduld der Kolumbianer erschöpft.“

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1 Kommentar

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  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Dass die Anschlaege auf Hochspannungsleitungen und Oelpipelines in Nariño und Putumayo auf das Konto der Farc gehen, ist erwiesen. Allerdings haben die Farc inzwischen eine einseitige Waffenruhe ab dem 20. Juli angekuendigt. Aufgrund dieses widerspruechlichen Vorgehens koennte man den Eindruck haben, dass manche Farc-Fronten ein Eigenleben entwickeln und sich nicht mehr an Vorgaben ihrer Fuehrungsgremien halten.