Neue Koalition in Hamburg: Verhandlungen durchgezogen

Rot-Grün sind sich auch einig bei Finanzen und Soziales. Konsumieren junge Leute illegale Drogen, sollen sie Hilfe statt Strafe kriegen.

Zwei Frauen rauchen dicke Zigaretten

Künftig ein Fall für die Suchthilfe: junge Menschen beim Kiffen Foto: Paul Zinken/dpa

HAMBURG taz | SPD und Grüne haben diese Woche ihre Pläne für Finanzen und Soziales vorgestellt. Inhaltlich sind die Koalitionsverhandlungen somit abgeschlossen und nach Pfingsten werden dann Vertrag und Personal für die Senatsposten vorgestellt. Anders als 2015 wird die grüne Basis dieses Mal nicht auf der Landesmitgliederversammlung über den Vertrag abstimmen – und heftig streiten. Wegen Corona wird am 6. Juni nur der 40-köpfige Landesausschuss über das Vertragswerk befinden, die Delegierten der SPD stimmen währenddessen online ab.

Vieles im Koalitionsvertrag wirkt wie ein „Weiter so“, etwa das Versprechen, in der Kita-Politik den kostenlosen Fünf-Stunden-Platz zu erhalten. Neue Projekte ständen unter striktem Finanzierungsvorbehalt, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Doch man wolle auch nicht gegen die Krise ansparen.

Für die Rettung der Wirtschaft legt Rot-Grün einen Fonds von einer Milliarde Euro auf, um kleine und mittlere Unternehmen zu stützen. Dies gilt als Ergänzung zum Milliardenprogramm des Bundes, das nur für größere Unternehmen gedacht ist. SPD-Chefin Melanie Leonhard kündigte ein Arbeitsmarktprogramm für Menschen an, die wegen Corona ihre Jobs verloren, ohne Summen zu nennen.

Insgesamt plant Rot-Grün in Hafen, Schnellbahn, Schulbau und Klimaprojekte Investitionen in Höhe von über 30 Milliarden Euro. Neu ist die Idee, „Green Bonds“ für öffentliche Unternehmen auszugeben. Bürger, die diese verzinsten Anlagen erwerben, fördern den Klimaschutz.

Ausländerbehörde bekommt neuen Namen

Bei den Pressestatements nach den Verhandlungen lieferten die Verhandlungspartner immer nur kurze Schlaglichter. Und zuletzt sah es so aus, als ob die Grünen nicht viel durchsetzten. „In dem Vertrag stehen noch sehr viele Dinge, über die sich Leute freuen werden“, sagt die Grüne Mareike Engels.

Die Sozialpolitikerin hatte im Wahlkampf eine Notschlafstelle für junge Erwachsene gefordert. Bei der Vorstellung der Ergebnisse war nun keine Rede davon. Aber sie kommt: Bis 2024 ist der Neubau der Notunterkunft für Erwachsene, dem „Pik As“, geplant. „Weil das noch länger hin ist, soll es schon vorher eine Notschlafstelle für junge Leute geben, deren Erfahrungen ausgewertet werden“, sagt Engels.

Ebenfalls versprochen hatten die Grünen im Wahlkampf ein Winternotprogramm für alle. Doch daraus wurde nichts. Leonhard erklärt, dass es die nächtliche „Wärmestube“ weiter gibt. Das ist ein Raum nur mit Sitzgelegenheit und ohne Betten für jene meist osteuropäischen Obdachlosen, die im Winternotprogramm abgewiesen werden.

Symbolträchtig indes ist eine Ankündigung von Grünen-Chefin Anna Gallina. Die Ausländerbehörde soll zur Migrationsbehörde entwickelt werden und auch so heißen. Auch wolle man Menschen ohne Papiere noch besser beraten, und innerhalb des EU-Resettle­ment-Programms für besonders Schutzbedürftige mehr Geflüchtete aufnehmen als Hamburg müsste.

Die Grünen drangen auch mit der Forderung einer Legalisierung von Cannabis nicht durch. Gallina und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storks kündigten nur an, dass junge Menschen, die von der Polizei mit illegalen Drogen aufgegriffen werden, künftig nicht mehr strafverfolgt werden. Statt dessen sollen sie binnen 72 Stunden eine Suchtberatung und weiterführende Hilfe bekommen. Das setze eine „enge Zusammenarbeit von Polizei, Jugendhilfe und Suchthilfe voraus“, sagte Prüfer-Storks. Nach taz-Information enthält der Koalitionsvertrag diesmal keine Pläne für ein geschlossenes Heim, aber für eine Einrichtung zwischen Jugendhilfe und Psychiatrie.

Laut Prüfer-Storks enthält der Vertrag eine „starke soziale Handschrift“. So wolle man dafür sorgen, dass die Arztsitze gleichmäßig über die Stadt verteilt sind, alle Bezirke sollen Stadtteilgesundheitszentren bekommen. Und in Kliniken werde man durch Vorgaben zur Personalausstattung die Qualität der Behandlung verbessern.

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