Neue Kämpfe in Libyen: Die Waffen schweigen … nicht
Haftars LNA hat im Kampf gegen die Regierung Libyens größten Militärflughafen eingenommen. Das durchkreuzt die türkischen Interventionspläne.
Seit Dienstag kontrolliert Haftars LNA nun auch die strategisch wichtige Stadt Sirte und damit erstmals einen westlibyschen Hafen. Sie eroberte Sirte am Montag in wenigen Stunden. Mit dem Überraschungsangriff auf Sirte fiel auch Libyens größter Militärflughafen al-Kardabija südlich der Stadt an die LNA.
Er wäre für die türkische Armee ein idealer Stationierungsort für Drohnen und Kampfflugzeuge gewesen. Laut Erdoğan sind mittlerweile 35 türkische Soldaten in Libyen stationiert und sollen der international anerkannten Regierung Sarradsch beim Aufbau militärischer Strukturen helfen. Eine unbekannte Zahl russischer Söldnern und Militärexperten steht an der Seite der LNA.
Sirte war während des Aufstands gegen Gaddafi und nach der späteren Besetzung durch den Islamischen Staat hart umkämpft. Durch Absprachen zwischen Haftar und den Stämmen der Region gelang diesmal eine unblutige Übernahme. In Sirte, Gaddafis Geburtsstadt, wurde die Ankunft der LNA von Gaddafi-Anhängern mit den grünen Flaggen des 2011 gestürzten Regimes freudig gefeiert.
Seit 2016 hatten die „Sirte-Sicherungskräfte“ aus dem benachbarten Misrata die Stadt kontrolliert. Sie hatten damals unter hohen Opfern mit Unterstützung der US-Luftwaffe den IS vertrieben, der damals gehofft hatte, von Sirte aus eine ständige territoriale Präsenz in Libyen aufbauen zu können. Aber gegen Haftar bekamen sie keine Unterstützung. Nachdem die ebenfalls in Sirte patrouillierende salafistische „Brigade 604“ sich Haftar anschloss, blieb den Kräften aus Misrata bei Ankunft der LNA nur der Rückzug.
Der angekündigte Gegenangriff blieb trotz Generalmobilmachung in Misrata bisher aus. Haftars Luftwaffe weitete derweil die von ihr ausgerufene Flugverbotszone auf ganz Tripolis aus, kurz vor der geplanten Rückkehr von Premier Sarradsch in die libysche Hauptstadt.
Pendeldiplomatie über dem Mittelmeer
Haftar und Sarradsch waren am Mittwoch unabhängig voneinander nach Italien aufgebrochen. Haftar traf in Rom zu einem dreistündigen Gespräch mit Regierungschef Guiseppe Conte ein. Auch Sarradsch war auf dem Weg nach Rom. Als er von der Anwesenheit Haftars hörte, drehte seine Maschine Richtung Tripolis ab, da der international anerkannte Ministerpräsident sich weigert, mit dem selbsternannten Feldmarschall zu sprechen.
Zuvor war Libyens Premier in Brüssel mit EU-Ratspräsident Charles Michel zusammengetroffen. Italiens Außenminister Luigi Di Maio sprach zeitgleich in Kairo mit der ägyptischen Regierung, die Haftar unterstützt. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte zuvor angekündigt, einem türkischen Eingreifen nicht tatenlos zusehen zu wollen.
Die rege Pendeldiplomatie über das Mittelmeer soll verhindern, dass sich demnächst in Libyen ägyptische und türkische Soldaten gegenüberstehen. Ein ebenfalls für Mittwoch geplanter Besuch von EU-Außenministern in Tripolis wurde aber aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt.
Mehrere hundert Menschen demonstrierten dort gegen den Besuch des französischen Außenministers, weil Frankreich Haftar unterstützt, den es als Stabilitätsfaktor für die Sahelzone ansieht. Italien stützt hingegen aus wirtschaftlichen Interessen die Sarradsch-Einheitsregierung in Tripolis: Durch die Greenstream-Pipeline strömt westlibysches Gas nach Sizilien.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!