Neue Idee für Berliner Mietenmarkt: Vermieter richtig deckeln
Kann das Land Berlin definieren, welche Vermieter am Markt teilnehmen können? Ein neuer Expertenvorschlag könnte Dynamik in die Frage bringen.
![](https://taz.de/picture/5548391/14/21885067-1.jpeg)
Umso mehr ist die Politik auf Ideen von außen angewiesen, wie einst beim Mietendeckel, der über einen Beitrag des Bezirksamtsmitarbeiters Peter Weber in der JuristenZeitung seinen Weg in die Politik fand. Nun ist ein neuer Artikel erschienen, zunächst im Fachmagazin Wohnungswirtschaft und Mietrecht, dann auf dem Verfassungsblog, der einer Debatte um eine aktive Wohnungsmarktpolitik ganz neuen Schwung geben könnte. Geschrieben hat ihn – sowie ein dazugehöriges 50-seitiges Rechtsgutachten – Stefan Klinski, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Die Idee: Über eine Marktzugangsbeschränkung wird geregelt, wer am Wohnungsmarkt teilnehmen darf – und wer nicht. Klinski schlägt vor, mithilfe eines Landesgesetzes diejenigen Unternehmen auszuschließen, „die aufgrund ihrer Rechtsform oder ihres Geschäftszwecks besonders starken Preiserhöhungsdruck verursachen“. Also „insbesondere Unternehmen, deren eigene Anteile an einem Kapitalmarkt gehandelt werden (typischerweise börsennotierte Aktiengesellschaften, Hedgefonds, Immobilienfonds) sowie Unternehmen verschiedener Rechtsformen mit intransparenten Eigentumsverhältnissen und/oder Gewinnverlagerung in Steueroasen“.
Umgekehrt heißt das: Als Marktteilnehmer berechtigt sind jene Akteure, die ein Allgemeinwohlinteresse erfüllen, damit „der Wohnungsmarkt seiner gesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden kann, bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen und zu erhalten“. Ein Unternehmen wie Heimstaden allerdings, das hierzulande nicht an der Börse notiert ist, wäre nicht betroffen.
Rein profitorientierte Akteure müssten Wohnungen verkaufen
Geregelt werden könne die Marktzugangsbeschränkung durch eine Genehmigung, die jeder beantragen muss, der in Berlin Wohnungen vermietet oder vermieten will. Um einen Übergang zu gewährleisten, schlägt Klinski eine Frist vor, genannt ist ein Zeitraum von fünf bis sieben Jahren, in denen rein profitorientierte Akteure ihre Wohnungen verkaufen müssten.
Im Gespräch mit der taz sagt Klinski, die Idee sei ihm gekommen, da das Instrument Marktzugangsbeschränkung in anderen Wirtschaftsbereichen, etwa im Bankenwesen, der Energiewirtschaft oder dem Personennahverkehr, „lange bekannt ist, nur am Wohnungsmarkt noch nie diskutiert worden“ sei. Anfangs sei er selbst „skeptisch“ gewesen, ob die Idee tragfähig ist – bis er eine „ordentliche Rechtsprüfung“ durchführte. Fazit: Gegen das Konzept stünden „weder verfassungsrechtlich noch EU-rechtlich ernstliche Bedenken“; auch sei den Unternehmen der Schritt „zuzumuten“.
Anders als der Mietendeckel würde Klinskis Vorschlag nicht in Regelungen zum sozialen Mietrecht eingreifen. Weder werden Miethöhen vorgeschlagen noch Abschlüsse von Mietverträgen geregelt – hier hatte das Bundesverfassungsgericht eine Länderzuständigkeit verneint. Stattdessen geht es um öffentliches Wohnungsrecht, wo die Kompetenz weiter bei den Ländern liege. Denn die Frage, wer am Wohnungsmarkt teilnehmen könne, sei nie Gegenstand mietrechtlicher Bestimmungen des Bundes gewesen.
Die Mieten würden infolge des Gesetzes „nicht automatisch“ sinken, so Klinski, aber geschaffen wäre die Grundlage dafür. Denn die Mietpreisexplosion in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten ist erheblich beeinflusst durch die Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, also dem Auftreten börsennotierter Wohnungskonzerne, deren Wert sich nicht anhand der Immobilien, sondern ihrer Aktienkurse bemisst und die der Anreizdynamik zur Ertragsoptimierung unterliegen.
Es sei verhältnismäßig, diese Player auszuschließen, da sie „weder auf einen bestimmten lokalen Markt noch überhaupt auf den Wohnungsmarkt angewiesen“ sind, um ihr Kapital anzulegen, so Klinski. Gleichwohl handele es sich dabei um „einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechtspositionen der betroffenen Unternehmen“, da die Wahrnehmung ihres Geschäftsmodells verunmöglicht werde. Klinski rechnet daher mit einer „besonders strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung“ durch das Bundesverfassungsgericht, der er das „überragend wichtige Gemeinschaftsgut“ des in der Berliner Verfassung garantierten Rechtes auf Wohnen entgegenstellt.
Enteignung, aber anders
Seinen Vorschlag bezeichnet er als „mögliche Kompromisslösung in der Debatte um die Vergesellschaftung“. Diese sei „alles andere als sicher“, auch müsse der Staat bei seiner Idee kein Geld für Entschädigungen in die Hand nehmen. Dagegen kämen landeseigene Wohnungsbaugesellschaften als Käufer für die zu veräußernden Bestände der Privaten infrage, ebenso aber auch nicht börsennotierte Privateigentümer, Genossenschaften oder Mietergemeinschaften. Spekulative Preise dürften sich ohne kapitalmarktbasierte Unternehmen als mögliche Käufer kaum erzielen lassen.
In Kreisen progressiver Mietrechtler:innen wird Klinskis Vorschlag bereits heiß diskutiert, und auch die Politik hat die Idee erreicht. Die Mietenexpertin der Grünen, Katrin Schmidberger, spricht von einem „sehr interessanten Vorschlag, der versucht, das Problem an der Wurzel zu packen“ und der auch als „Ergänzung zur Vergesellschaftung“ gedacht werden könne. Die rot-grün-rote Koalition sei verpflichtet, „alle Instrumente zu prüfen, die den Wohnungsmarkt entspannen können“. Klinskis Vorschlag bringe hier „eine neue Dynamik“. Schon bald soll es laut Schmidberger zu einem Treffen wohnungspolitischer Expert:innen, Jurist:innen und Fachpolitikerinnen der Koalition kommen.
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