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Neue Comedy-Serie „Oh Hell“Deutsche Serie mal in lustig

In Sachen Comedy sah die deutsche Serienlandschaft bisher karg aus. Doch „Oh Hell“ mit Schauspielhoffnung Mala Emde glänzt mit überraschendem Witz.

Mala Emde als Helene, die oft nur „Hell“ genannt wird Foto: magenta tv

So sehr in den vergangenen Jahren angesichts von „Dark“, „Babylon Berlin“ oder „Bad Banks“ von einem Boom deutscher Serien oder einer massiven Qualitätssteigerung im Vergleich zum sonstigen Krimi- und Vorabendeinerlei die Rede war, so einseitig schien dieser vermeintliche Trend lange zu sein.

Während aufwendige Prestige-Produktionen immer häufiger zu überzeugen wussten, sah die Lage in Sachen Serien-Humor lange unverändert bescheiden aus. Man sehe sich nur die alljährlichen Nominierungen für den Deutschen Comedypreis an. Doch das muss nicht so bleiben, wie nun „Oh Hell“ beweist.

Im Zentrum der achtteiligen, von Johannes Boss erdachten Serie steht die 24-jährige Helene (Mala Emde), die seit jeher von den meisten nur Hell genannt wird. Sie fühlt sich nach eigener Aussage eher, als sei sie 51. Grund könnte eine gewisse Rastlosigkeit sein, die schon in ihrer Kindheit dazu führte, dass bei ihr ADHS und sogar eine Manie diagnostiziert wurden.

Eher ziellos und unstet ist Hells Leben jedenfalls auch als Erwachsene, und Dinge – wie sie selbst sagt – zu verkacken, ist längst eine ihrer Spezialitäten. Den Job im Kindergarten verliert sie schon nach ein paar Wochen wieder, nicht nur, aber auch weil sie eine ganze Ameisenkolonie hat einziehen lassen. Mit einer Kippe einen Waldbrand auszulösen ist ihr auch schon gelungen. Selbst die Ehe ihrer Eltern hat sie letztlich auf dem Gewissen.

Das Verkacken vertuschen

Immerhin: „Das Tolle daran, wenn du immer verkackst, ist: Du bist unglaublich kompetent darin, dein Verkacken zu vertuschen.“ Und tatsächlich gelingt es ihr selbst dann noch, ihren Vater (Knut Berger) davon zu überzeugen, sie würde weiterhin Jura studieren, als er unangekündigt bei der Examensfeier auftaucht, während sie gerade im Callcenter Gartenbedarf verkauft.

Die Serie

„Oh Hell“, ab 17.3. bei Magenta TV

Gegenüber ihrer langjährigen, aber nicht guten Freundin Maike (Salka Weber) irgendwelche Fassaden aufrecht zu erhalten, ist dagegen deutlich schwerer, denn die kennt sie als erfolgreiche Influencerin und Startup-Unternehmerin mit dem Widerspruch von Schein und Sein durchaus aus.

Als Hell mal wieder aus dem Stegreif biografische Unwahrheiten improvisiert und von einem Musiker als neuem Freund berichtet, will Maike ihn natürlich kennen lernen. Der Cello-Lehrer Oskar (Edin Hasanović), wahllos gefunden über einen Abreißzettel, könnte Abhilfe schaffen. Doch das Verkack-Potential ist natürlich wieder groß…

Erste Tendenzen dafür, dass auch in der deutschen Fernseh- und Streaminglandschaft Witz, Charme und Leichtigkeit nicht unmöglich sind, gab es zuletzt bereits bei Serien wie „Mapa“, „All You Need“ oder aktuell auch „Doppelhaushälfte“ zu beobachten. Doch „Oh Hell“ ist ein ganz neues Kaliber.

Fast so gut wie „Fleabag“

Eine gleichermaßen verpeilte wie patente (Anti-)Heldin wie Hell, die ihre eigene Geschichte auch aus dem Off kommentiert, und stilsicher umgesetzte und in die Handlung integrierte Abstecher in deren Phantasievorstellungen oder Erinnerungen kennt man sonst eher aus britischen Produktionen wie „Pure“ und natürlich „Fleabag“. An deren Qualität kommt „Oh Hell“ nun unerwartet nahe heran.

Boss, der auch schon an „jerks“ beteiligt war und eher für vermeintlichen Männer-Humor von Christian Ulmen oder Benjamin von Stuckrad-Barre bekannt ist, gelingt eine erfreulich glaubwürdige, unperfekte und dreidimensionale Protagonistin, an der man sich – auch dank des energievollen und perfekt getimten Spiels von Mala Emde, spätestens seit „Und morgen die ganze Welt“ ohnehin die große deutsche Schauspiel-Hoffnung, kaum sattsehen kann.

Sie und ihr Umfeld sind gerade so weit überzeichnet, dass genug Raum bleibt für oft brüllend komische Gags, aber nie die Bodenhaftung oder die tragischen Untertöne verloren gehen. Die Dialoge sitzen, der Humor wird (selbst bei vermeintlich einfachen Zielen wie Instagram-Achtsamkeit) nie plump und das Tempo stimmt in jeder einzelnen der knapp 30-minütigen, von Lisa Miller und Simon Ostermann inszenierten Folgen.

„Oh Hell“ ist ein großes Vergnügen – und eine Ausnahmeerscheinung unter deutschen Serien. Es macht Hoffnung darauf, dass es dabei nicht bleiben wird.

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13 Kommentare

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  • Und wo läuft die Serie? ARD, ZDF, Arte — in keiner Mediathek gefunden.

    • @Yvvvonnne:

      Bei Magenta TV oder bei den einschlägigen "grauen" Streamingplattformen wie bs.t* , streamkiste, etc.

      • @Waldo:

        Danke sehr! Gerade mal gesucht. Bei Magenta nur mit Login (nein danke). Bei Streamkiste nicht fündig geworden. Egal, ich kriege meine Lebenszeit auch ohne diese Serie rum :-)

  • Ein Kinofilm? Oder etwas für die Privaten?

  • Ach ja? Hier hat man eher eine neue Zielgruppe bedient. Man nehme eine Schauspielerin, die in vorangegangenen Produktionen schon etwas Haut gezeigt hat, damit Männer auf die neue Seh-Ware "gespannt" sind. Vermeidet aber die ganz zotigen Inhalte a la Boss. Zu sehen ist eine Serie mit einer püppchenhaften Hauptfigur, die immer mal in leicht sexualisierte Dialoge oder Szenen versponnen wird. So, dass man das zunehmend von männerzentrierten sexuellen Inhalten entnervte weibliche Publikum nicht zu sehr verärgert, für das männliche aber ein wenig unterschwellige "Spannung" hält. Der Rest sind einfach nur aus den sozialen Medien gefischte blöde Witzchen. Früher hätte man so etwas in der Art um 17.00 Uhr in der ARD gezeigt, eingebettet zwischen anderen seichten Inhalten. Die überschwengliche Kritik ist für mich nicht nachvollziehbar. Also einfach nur Werbung für den rosafarbenen Streamingdienst?

    • @MarieSo:

      Man kann auch in ganz viele Sachen ganz viel interpretieren. Und vom rosafarbenen Streamingdienst lese ich außer in Ihrer "Rezension" im Artikel nichts.

      • @Lupin:

        Nur weil Sie den (ganz offensichtlichen) Hinweis nicht sehen, heißt es nicht, dass er nicht da ist. Das trifft ebenso auf den Inhalt zu.

    • @MarieSo:

      Man kann sich aber auch was zurecht fantasieren. Wir Männer sind sehr einfach gestrickt. Wenn wir den Bedarf an "Seh-Ware" (was ist das eigentlich für eine beknackte Bezeichnung für eine gute Schauspielerin?) haben gehen wir auf bestimmte Seiten im Internet, schauen uns aber keine Comrdyserie dafür an.

      • @Müller Christian:

        Sie zäumen das Pferd von hinten. Es geht nicht darum, was der einzelne Mann schaut. Filme/Serien sollen von vielen gesehen werden. Also spicken Produktionsfirmen Inhalte sämtlicher Art mit unterschiedlichen Niveaus von Sexualisierung. Zuschauerbindung. Sie sollten sich informieren. Zum Beispiel hier: taz.de/Sexismus-in...831917&s=sexismus/

        • @MarieSo:

          Gerade beim im Link erwähnten Beispiel von Lost in Translation muss ich widersprechen. Exakt die dort angeführte Szene (Kamerafahrt über den Körper der Hauptdarstellerin) und der Gegenschnitt zu Bill Murray im Taxi soll vielmehr den Gegensatz zwischen einem alternden Mann, der sich tief in der Midlife Crisis befindet und einer jungen Frau darstellen, die mit ihrer Jugendlichkeit (noch) nichts anzufangen weiß. Und ja: Dabei geht es auch um Körperlichkeit. Der Film lebt von Gegensätzen. Natürlich kann man bei den Bildern auch das sehen, was man sehen will. Ich habe mich mit diesem Film im Zusammenhang mit einer Arbeit für mein damaliges Studium wirklich mehr als ausgiebig beschäftigt. Aus der Sicht der Genderwissenschaft mag Ihre Sicht sinnvoll erscheinen. Der eines Medienwissenschaftlers entspricht sie definitiv nicht. Dafür müssten sie schon die weiteren Ebenen des Films betrachten.

          • @Cosmo_Brown:

            Als Regisseur*in hat man tausende Möglichkeiten, den von Ihnen beschriebenen Inhalt umzusetzen. Hier (wie in fast allen Filmen der Vergangenheit) wurde sich für den männlichen Blick entschieden.

            Ein Ausklammern der Betrachtung, für wen Filme wie gemacht wurden, war "damals" sicher üblich. Heute wird zumindest in der Wissenschaft Geschlechterforschung in kaum einem Fachgebiet mehr ausgeschlossen. Eine Entwicklung, die längst fällig und auch angebracht ist.

          • @Cosmo_Brown:

            Nicht zu vergessen noch eine Sachebene :



            Sofie Coppola war für Drehbuch Regie und Produktion verantwortlich.

            • @Waldo:

              Copolla ist in Hollywood angesehen und möchte dies anscheinend auch bleiben, Sie entzieht sich angefragten Statements immer wieder und bestätigt oberflächlich nur das, was durch andere mutige Frauen über Hollywood preisgeben wird. Als Maßstab zu Sexismus in Filmen ist sie also untauglich.