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Neue Ausstellung „The Great Repair“Reparieren statt neu bauen

Die Ausstellung „The Great Repair“ in der AdK Berlin plädiert für die sozial-ökologische Revolution im Städtebau. Ein Schlüssel dafür: mehr Reparatur.

Blick in die Ausstellung „The Great Repair“ in der Akademie der Künste, Berlin, 2023 Foto: David von Becker

Mit dieser Ausstellung habe man die altehrwürdige Institution aufgemischt, sagt Anh-Linh Ngo, Redaktionsleiter der in Berlin erscheinenden Architekturzeitschrift Arch+ und einer der Kuratoren der Ausstellung „The Great Repair“ („Die große Reparatur“). Gemeint ist die 1696 gegründete Akademie der Künste (AdK) – und die Ausstellung, die Ngo gemeinsam mit fünf weiteren Ex­per­t:in­nen aus dem Bereich der Architektur und Stadtforschung in deren Ausstellungshallen am Hanseatenweg kuratiert hat, gibt sich gleich eingangs Mühe, diesem Anspruch gerecht zu werden. Statt wie sonst üblich den Zugang über die Haupttreppe zu führen, gelangt man in die Hallen im ersten Stock nun quasi über die Hinterbühne – über ein funktionales und keinesfalls repräsentatives Treppenhaus, sonst nur Mitarbeitenden der AdK zugänglich.

Mit diesem kuratorischen Kniff richtet sich der Blick statt auf die Architektur des Gebäudes auf dessen Bausubstanz, denn unversehens trifft man hier auf die Beschriftung zu einem Exponat, auf dem man bereits steht: „Der Boden entspricht nicht den heutigen DIN-Normen, aufgrund ihrer Robustheit ist die Konstruktion aber gut gealtert und zeigt keine erheblichen Schäden. Ein Eingriff ist nicht notwendig.“

„The Great Repair“ ist eine von einem Vermittlungsprogramm und zwei Arch+-Ausgaben gesäumte Ausstellung, die den Versuch wagt, das große Projekt dringend anstehender gesellschaftlicher Transformationen aus bereits existierenden (architektonischen, stadtplanerischen, restauratorischen etc.) Praktiken abzuleiten.

Fallbeispiel AdK: Für die in den 2000er Jahren nötig gewordene Sanierung des von Werner Düttmann und Sabine Schumann entworfenen, 1960 fertiggestellten und unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes galt dem Berliner Büro „Brenne Architekten“ die Prämisse, trotz notwendiger technischer Eingriffe so wenig wie möglich an dessen Materialsubstanz zu verändern. Einige Beispiele, wie dies „kreativ“ gelöst wurde, werden hier im Treppenhaus gezeigt.

Die Haupttreppe der Akademie der Künste Hanseatenweg während ihrer Sanierung Foto: Holger Herschel

Der Bezug zur AdK endet für die Ausstellung damit aber auch schon weitgehend. Vielmehr ist die Sanierung der Akademie nur ein Beispiel von vielen in den anschließenden Ausstellungshallen, in denen es, angesichts von Ressourcenverschwendung und den insbesondere im Baugewerbe exorbitant hohen CO2-Emissionen, ums vor allem bauliche Umdenken, Anknüpfen, Umbauen, Innehalten geht, mal künstlerischer, mal dokumentierender.

Die Ausstellung

„The Great Repair“. Akademie der Künste am Hanseatenweg, bis 14. Januar 2024

Die sozialökologische Revolution, so die These der Ausstellung, wird durch Reparatur gelingen, jenseits grüner Wachstumsideen. Arbeiten und Exponate von rund 40 Beteiligten – Architekturbüros, Künstler:innen, Universitätsinstitute – sollen dabei nicht die Dringlichkeit notwendiger systemischer Veränderungen illustrieren, sondern sind stets schon einen Schritt weiter, probieren aus, erforschen, ermitteln, realisieren.

Kontinuierliche Instandsetzung

Da ist das Modell eines Hauses in Tokio, das die Ar­chi­tek­t:in­nen Fuminori Nousaku und Mio Tsuneyama im Sinn einer „kontinuierlichen Instandsetzung“ bewohnen und es so vor dem eigentlich programmierten Abriss retteten – mit der Konsequenz, dass es für die einen wie eine Dauerbaustelle aussehen mag, für andere ein Vorbild des Erhaltens und ressourcensparenden Lebens darstellt.

Da ist das Beispiel der „Triemli-Türme“ in Zürich, dreier noch stehender Hochhäuser aus den 1960er Jahren, deren Abrissbeschluss vor 20 Jahren mittlerweile von der „Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau“ mit konkreten Vorschlägen für eine Um- und Weiternutzung erfolgreich hinterfragt und der Abriss zunächst aufgeschoben wurde.

Da ist das Video „Cars into Bicycles“ des Berliner Künstlerduos Folke Köbberling & Martin Kaltwasser, das den Umbau eines kaputten Autos in ein funktionierendes Lastenfahrrad dokumentiert. Wie dies mit Stadtplanung zusammenhängen kann, zeigt ein Projekt der Universität Luxemburg, bei dem es um Ideen für die Umnutzung eines großen Gewerbegebiets geht, dessen Bodenversiegelung nicht unwesentlich durch Parkplätze bewirkt wird.

Radikaler Ausdruck der Selbstreparatur

Dass dies alles Transformationsideen sind, die das Systemische des Problems – den „warenförmigen Zustand von Architektur“ – nur punktuell angehen können, ist der Ausstellung durchweg bewusst. Ein Plakat mit dem Text des „Global Moratorium on New Construction“ (2020), ein Aufruf der Architektin Charlotte Malterre-Barthes zum weltweiten Unterlassen jeglicher Neubautätigkeiten, legt hier als „radikalster Ausdruck der Selbstreparatur“ die Latte des Visionären am höchsten.

Das von dem Architekturhistoriker Alexander Stumm 2022 initiierte „Abriss-Moratorium“, das den Erhalt oder Umbau aller nach erfolgreicher sozialökologischer Prüfung erfasster Bestandsgebäude fordert, bringt den gestaltungspolitischen Geist der Ausstellung da schon eher auf den Punkt. Am Ende des Parcours kann man es sich zudem zur weiteren Verteilung mitnehmen, indem man es – diesen Witz darf man den Ku­ra­to­r:in­nen durchgehen lassen – von einem Block abreißt.

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1 Kommentar

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  • Das klingt vielversprechend!



    Das Thema Sanierung und Recycling am Bau ist so alt wie die Menschheitsgeschichte:



    Etwa einen Kilometer entfernt steht eine mittelalterliche Burg, deren Fundamente zum Großteil aus einer alten römischen Wasserleitung bestehen.



    Mittelalterliche Fachwerkhäuser sind nicht deshalb noch Baubestand, weil das Holz damals irgendwie besser war, sondern weil Sanierung des Gebäudes die permanente Geschichte der Gebäude darstellt.



    Leider hat die Abkehr von natürlichen Baustoffen das Müllproblem erzeugt, dass von unglaublichen Co2 Mengen bei der Produktion begleitet wird.



    Aus dem öffentlichen Bau kenne ich einige positive Beispiele von Sanierung. Es sind allerdings eher Ausnahmen.



    PlanerInnen müssen sich darauf schon fast spezialisieren. Das Gleiche gilt für Bauschaffende.



    So werden bei nachträglicher Dämmung eines Daches, eher selten die Dachziegel, die noch 30 Jahre Lebenserwartung hätten, nochmals eingesetzt.



    Dass da schon bei einem Einfamilienhaus mehrere Schuttcontainer anfallen, auch noch von Baustoffen (Ziegel oder Beton), die bei der Herstellung sehr energieintensiv sind, dürfte klar sein.



    Es liegt hier Am Verbraucher, Nachhaltigkeit einzufordern.



    Es gibt wenig, dass an einem Haus nicht zu reparieren ist. Neben finanziellen Gründen, spricht der Klimaaspekt in den meisten Fällen für eine Sanierung.