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Neue Aufgabe für Autofabrik?Osnabrück baut den Friedenspanzer

Übernimmt der Rüstungskonzern Rheinmetall 2027 das Osnabrücker VW-Werk? Gerüchte brodeln. Rheinmetall hat den Standort schon in Augenschein genommen.

Anstelle Giftgas gibt es Rosenduft („Friedenspanzer“, Die Ärzte): Im Kosovo wurden Panzerfahrer 1999 mit Rosen begrüßt Foto: Anja Niedringhaus/dpa

Osnabrück taz | Osnabrück war schon früh eine Autobauer-Stadt – und man ist dort stolz darauf. Ab 1902 belieferte der Kutschenbauer Wilhelm Karmann von hier Kraftfahrzeughersteller mit Karosserien. Gegenwärtig rollen in Osnabrück das T-Roc-Cabrio­let von VW und zwei Porsche-Modelle vom Band.

Aber Osnabrücks rund 2.300 VW-Jobs sind in Gefahr, denn um den Milliarden-Konzern steht es schlecht. 2009 hatte er das Osnabrücker Werk des Cabrio-Spezialisten Karmann übernommen, um dort in Eigenregie Autos zu bauen. Braucht er hier jetzt selbst bald Hilfe?

Gerüchte besagen, der Rüstungskonzern Rheinmetall habe Interesse an Liegenschaft und Belegschaft für die Produktion von Kampfpanzern. Haltlos sind sie nicht: Rheinmetall-Chef Armin Papperger hat das VW-Werk als „gut geeignet“ für Militärfahrzeuge bezeichnet. Ende März hat eine Rheinmetall-Delegation den Standort besucht, wie Jan Mentrup, Sprecher der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt berichtet.

Im Tarifabschluss von Ende 2024 haben sich IG Metall und VW verständigt: Erhaltung aller Werke, keine Massenentlassungen, keine Bezugskürzungen. Aber die Produktion des T-Roc-Cabriolets läuft im Spätsommer 2027 aus. Eine Perspektive muss also her.

„Beitrag für Frieden und Sicherheit“

Anlässlich eines Besuchs von Papperger vergangenen Freitag sagte Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) laut der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Sollte eine Rüstungsproduktion am Standort Osnabrück dabei helfen, dass wir unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben verteidigen können, dann wäre das aus meiner Sicht ein wichtiger und verantwortungsvoller Beitrag für Frieden und Sicherheit.“

Zuvor hatte das, auf Anfrage der taz, noch weit defensiver geklungen: Wie die Zukunft des VW-Werks aussehen könnte, sei „derzeit noch völlig offen“, so ihre Antwort. Angeschlossen daran hatte sie die Warnung, sich auf einen Einstieg von Rheinmetall festzulegen: „Dass in Osnabrück künftig Produkte für eine militärische Nutzung hergestellt werden sollen, ist – Stand jetzt – keine konkrete Zukunftsperspektive, sondern reine Spekulation.“

Auch würden sich die OsnabrückerInnen wünschen, so schreibt Pötter weiter, „dass es auch künftig Qualitätsautos ‚made in Osnabrück‘ gibt“. Sie sei zuversichtlich, dass sich dafür eine gute und tragfähige Lösung finden lasse.

Im Mittelpunkt stehe der Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze der Stammbelegschaft. Das wäre auch durch Militärgüter der Fall – was Pötter aber skeptisch sieht: „Ich betone aber nochmals, dass ich eine Zukunft des VW-Werks als Standort für die zivile Automobilproduktion bevorzuge“, teilt sie mit.

Das sieht auch Frank Henning so, Osnabrücker Abgeordneter der SPD im Niedersächsischen Landtag: „Auch mir wäre es lieber, wenn in Osnabrück keine Panzer gebaut werden“, sagt er der taz. Auch er wiegelt ab: „Da wird derzeit völlig unnötig ein Elefant durchs Dorf getrieben“, sagt er. „VW hat erklärt, in Osnabrück keine Panzer bauen zu wollen, keine Waffenproduktion aufzunehmen.“ Derzeit entwickle VW Osnabrück für die Zeit ab 2027 ein Zukunftskonzept.

Dass in Osnabrück künftig Produkte für eine militärische Nutzung hergestellt werden sollen, ist reine Spekulation

Katharina Pötter, CDU, Oberbürgermeisterin von Osnabrück

Die Linke Niedersachsen warnt dagegen. „Es darf nicht sein, dass Arbeitsplätze bei VW geopfert werden, um Panzer zu bauen“, sagt ihr Landesvorsitzender Thorben Peters. „Rüstung ist kein Zukunftsmodell.“ Osnabrück brauche „sichere, sinnvolle und sozial gerechte Arbeitsplätze – aber keine Kriegswirtschaft“.

Die IG Metall Osnabrück sieht dagegen „zahlreiche Möglichkeiten, unter dem Dach von VW neue Auftragsfertigungen für verschiedene Branchen zu etablieren“, wie ihr Erster Bevollmächtigter Stephan Soldanski es ausdrückt. Es sei „kurzsichtig, sich einseitig auf die Rüstungsindustrie zu konzentrieren“.

Auch Jürgen Placke, Betriebsratsvorsitzender im Werk Osnabrück, setzt auf ein Fortbestehen des VW-Werks. „Das Osnabrücker Werk hat bereits mehrfach erfolgreich für andere Konzernmarken produziert“, teilt er der taz mit. „Wir wollen auch weiterhin unseren Beitrag zur automobilen Zukunft von Volkswagen leisten.“

Es liege in der Verantwortung des Volkswagen-Konzerns, „eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive für den Standort zu entwickeln und zusammen mit IG Metall und Beschäftigten eine zufriedenstellende Lösung zu finden, die die Arbeitsbedingungen auf dem aktuellen Stand hält“, teilt Filiz Polat, die grüne Bundestagsabgeordnete aus der Region Osnabrück, auf Anfrage mit.

Sie teile „die Auffassung und Mahnung der IG Metall, die Zukunft des Standorts im Herzen der Friedensstadt Osnabrück nicht einseitig von der Rüstungsindustrie abhängig zu machen“.

Osnabrücks Selbstverpflichtung, „Friedensstadt“ zu sein, sähe auch die Osnabrücker Friedensinitiative (OFRI) bei einer Rüstungsproduktion in Gefahr. „Osnabrück, als Stadt des Westfälischen Friedens, ist einer der Geburtsorte der modernen Friedensordnung“, schreibt OFRI-Sprecherin Marie Dominique Guyard der taz. „Daraus entsteht eine historische Verantwortung, die eine Ansiedlung von Rheinmetall in der Stadt verbietet.“

Hinweis: In einer früheren Fassung war die zeitliche Reihenfolge der Äußerungen von Oberbürgermeisterin Katharina Pötter infolge eines Missverständnisses im Redigat falsch wiedergegeben worden. Die Passage wurde korrigiert. Die Redaktion

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11 Kommentare

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  • "„Osnabrück, als Stadt des Westfälischen Friedens, ist einer der Geburtsorte der modernen Friedensordnung“, schreibt OFRI-Sprecherin Marie Dominique Guyard. Dies jetzt für diese eigenwillige eigene Argumentation auszuschlachten und daraus abzuleiten, dass friedliche Staaten sich wenn nötig gegen Aggressoren nicht wehren dürfen, heißt, einfach nicht verstanden zu haben, was im Westfälischen Frieden beschlossen wurde und welche Folgen das hatte. Es geht immer um wehrhafte Demokratien.



    Die Cabriolet-Produktion läuft aus, weil "oben ohne" zu fahren völlig aus der Mode gekommen ist und diese Fahrzeug vom "heißen Scheiß" zu echten Ladenhütern geworden sind.



    Siehe hier und anderswo:



    www.spiegel.de/aut...-9068-43b6f56dd8e4

  • Der Frieden muss bewaffnet sein.



    Was damals richtig war, soll heute (schon wieder) falsch sein?

  • Da trifft es sich ja gut, dass der beste Lobbyist für Rheinmetall ausgerechnet in Osnabrück wohnt und bestimmt bei dem Deal nicht ganz unbeteiligt war.



    Er hat mit seiner 'Kriegstüchtigkeit' den Weg geebnet für unbegrenzte Profite der Rüstungsindustrie - und ganz nebenbei ausgerechnet als SPD-Minister die Verteilung von unten nach oben, konkret von Arbeitnehmern und Rentnern zur Rüstungsindustrie, nochmal weiter vorangetrieben und auf eine höhere Stufe gestellt.



    Die vielen Milliarden, die jetzt via Staatsschulden für Rüstungsaufträge in die Taschen der Rheinmetall-Aktionäre gespült werden, werden schließlich nicht von diesen Profiteuren etwa mittels Vermögens- oder Reichensteuer zurückgezahlt, sondern von Arbeitnehmern und Rentner.

  • Die Logik des totalen Museums; was nicht wert ist, in die große Chronik einzugehen, ist nicht real.

  • Panzer zu produzieren, damit wir nicht von Russland annektiert werden und damit sich die Ukraine verteidigen kann, wer kann dagegen etwas haben? Besser als CO2-Schleudern zu produzieren.

    • @Surfbosi:

      Wie viele Panzer soll den Deutschland kaufen damit sich ein neues Werk rentiert? Putin hat noch nicht einmal die Ukraine vollständig annektieren können. Der verballert alte Restbestände aus dem kalten Krieg weil es an modernen Waffen mangelt. Es muss nicht mehr Geld in Rüstung gesteckt werden als unbedingt nötig. Es gibt noch andere wichtige Bereiche die Finanziert werden müssen.

    • @Surfbosi:

      Das stimmt natürlich. Zumal bekanntlich z.B. der Leo 2 kaum bis gar kein CO2 produziert

    • @Surfbosi:

      Man könnte einwenden, dass Panzer ja auch ein paar Gramm CO2 emittieren und Geld, dass für Panzer ausgegeben wird, beim Klimaneutralen Umbau fehlen könnte. Panzer bringen dem Staat ja im Idealfall keine Dividende, wie es zum Beispiel Windraftwerke (weniger Kranke und Tote durch Luftverschmutzung und andere positive Effekte) tun, ihr Nutzen besteht also bestenfalls in reiner Prävention und Abschreckung (dienen also der Verhinderung). Auf die Gefahren eines Industriell-Militärischen Komplexes hat der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze hingewiesen.

      • @Henne Solo:

        Militärisch-industrieller Komplex im einzigen Land der Welt, in dem sich Uniformträger verstecken. Nebenan der Bericht über erneute Schwerkriminalität des VW-Konzerns und die SPD-Aufsichtsräte haben wieder nichts gesehen, nichts gehört, und nichts gesagt.



        Tretet endlich zur Seite und lasst den Antifaschismus durch, Ihr Friedenstauben.

  • VW kann ja in Osnabrück olivgrüne Qualitäts-Kübelwagen bauen ;-). Damit hat die Firma ja schon im Zweiten Weltkrieg Umsatz gemacht, wenn auch an einem anderen Standort... Aber was nicht ist, kann ja noch werden... Wer kann da widerstehen, wenn die Politik mit hunderten Milliarden Euro für Rüstung winkt?

    • @e2h:

      An diese Tradition musste ich auch denken. Make VW-Great again! DA ja einige SUV-s motorisiert sind, wie früher ein schwerer Kampfpanzer, hätte VW endlich eine Einsatzmöglichkeit für ihre Überkommene Technologie gefunden.



      Bei aller Begeisterung für eine maßlose Aufrüstung und die totale Kriegstüchtigkeit, sollte man aber daran denken, dass eine Wirtschaft nicht nur auf der Produktion von Kriegsgerät basieren kann...