Neue Aufgabe für Autofabrik?: Osnabrück baut den Friedenspanzer
Übernimmt der Rüstungskonzern Rheinmetall 2027 das Osnabrücker VW-Werk? Gerüchte brodeln. Rheinmetall hat den Standort schon in Augenschein genommen.

Aber Osnabrücks rund 2.300 VW-Jobs sind in Gefahr, denn um den Milliarden-Konzern steht es schlecht. 2009 hatte er das Osnabrücker Werk des Cabrio-Spezialisten Karmann übernommen, um dort in Eigenregie Autos zu bauen. Braucht er hier jetzt selbst bald Hilfe?
Gerüchte besagen, der Rüstungskonzern Rheinmetall habe Interesse an Liegenschaft und Belegschaft für die Produktion von Kampfpanzern. Haltlos sind sie nicht: Rheinmetall-Chef Armin Papperger hat das VW-Werk als „gut geeignet“ für Militärfahrzeuge bezeichnet. Ende März hat eine Rheinmetall-Delegation den Standort besucht, wie Jan Mentrup, Sprecher der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt berichtet.
Im Tarifabschluss von Ende 2024 haben sich IG Metall und VW verständigt: Erhaltung aller Werke, keine Massenentlassungen, keine Bezugskürzungen. Aber die Produktion des T-Roc-Cabriolets läuft im Spätsommer 2027 aus. Eine Perspektive muss also her.
„Beitrag für Frieden und Sicherheit“
Anlässlich eines Besuchs von Papperger vergangenen Freitag sagte Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) laut der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Sollte eine Rüstungsproduktion am Standort Osnabrück dabei helfen, dass wir unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben verteidigen können, dann wäre das aus meiner Sicht ein wichtiger und verantwortungsvoller Beitrag für Frieden und Sicherheit.“
Zuvor hatte das, auf Anfrage der taz, noch weit defensiver geklungen: Wie die Zukunft des VW-Werks aussehen könnte, sei „derzeit noch völlig offen“, so ihre Antwort. Angeschlossen daran hatte sie die Warnung, sich auf einen Einstieg von Rheinmetall festzulegen: „Dass in Osnabrück künftig Produkte für eine militärische Nutzung hergestellt werden sollen, ist – Stand jetzt – keine konkrete Zukunftsperspektive, sondern reine Spekulation.“
Auch würden sich die OsnabrückerInnen wünschen, so schreibt Pötter weiter, „dass es auch künftig Qualitätsautos ‚made in Osnabrück‘ gibt“. Sie sei zuversichtlich, dass sich dafür eine gute und tragfähige Lösung finden lasse.
Im Mittelpunkt stehe der Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze der Stammbelegschaft. Das wäre auch durch Militärgüter der Fall – was Pötter aber skeptisch sieht: „Ich betone aber nochmals, dass ich eine Zukunft des VW-Werks als Standort für die zivile Automobilproduktion bevorzuge“, teilt sie mit.
Das sieht auch Frank Henning so, Osnabrücker Abgeordneter der SPD im Niedersächsischen Landtag: „Auch mir wäre es lieber, wenn in Osnabrück keine Panzer gebaut werden“, sagt er der taz. Auch er wiegelt ab: „Da wird derzeit völlig unnötig ein Elefant durchs Dorf getrieben“, sagt er. „VW hat erklärt, in Osnabrück keine Panzer bauen zu wollen, keine Waffenproduktion aufzunehmen.“ Derzeit entwickle VW Osnabrück für die Zeit ab 2027 ein Zukunftskonzept.
Katharina Pötter, CDU, Oberbürgermeisterin von Osnabrück
Die Linke Niedersachsen warnt dagegen. „Es darf nicht sein, dass Arbeitsplätze bei VW geopfert werden, um Panzer zu bauen“, sagt ihr Landesvorsitzender Thorben Peters. „Rüstung ist kein Zukunftsmodell.“ Osnabrück brauche „sichere, sinnvolle und sozial gerechte Arbeitsplätze – aber keine Kriegswirtschaft“.
Die IG Metall Osnabrück sieht dagegen „zahlreiche Möglichkeiten, unter dem Dach von VW neue Auftragsfertigungen für verschiedene Branchen zu etablieren“, wie ihr Erster Bevollmächtigter Stephan Soldanski es ausdrückt. Es sei „kurzsichtig, sich einseitig auf die Rüstungsindustrie zu konzentrieren“.
Auch Jürgen Placke, Betriebsratsvorsitzender im Werk Osnabrück, setzt auf ein Fortbestehen des VW-Werks. „Das Osnabrücker Werk hat bereits mehrfach erfolgreich für andere Konzernmarken produziert“, teilt er der taz mit. „Wir wollen auch weiterhin unseren Beitrag zur automobilen Zukunft von Volkswagen leisten.“
Es liege in der Verantwortung des Volkswagen-Konzerns, „eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive für den Standort zu entwickeln und zusammen mit IG Metall und Beschäftigten eine zufriedenstellende Lösung zu finden, die die Arbeitsbedingungen auf dem aktuellen Stand hält“, teilt Filiz Polat, die grüne Bundestagsabgeordnete aus der Region Osnabrück, auf Anfrage mit.
Sie teile „die Auffassung und Mahnung der IG Metall, die Zukunft des Standorts im Herzen der Friedensstadt Osnabrück nicht einseitig von der Rüstungsindustrie abhängig zu machen“.
Osnabrücks Selbstverpflichtung, „Friedensstadt“ zu sein, sähe auch die Osnabrücker Friedensinitiative (OFRI) bei einer Rüstungsproduktion in Gefahr. „Osnabrück, als Stadt des Westfälischen Friedens, ist einer der Geburtsorte der modernen Friedensordnung“, schreibt OFRI-Sprecherin Marie Dominique Guyard der taz. „Daraus entsteht eine historische Verantwortung, die eine Ansiedlung von Rheinmetall in der Stadt verbietet.“
Hinweis: In einer früheren Fassung war die zeitliche Reihenfolge der Äußerungen von Oberbürgermeisterin Katharina Pötter infolge eines Missverständnisses im Redigat falsch wiedergegeben worden. Die Passage wurde korrigiert. Die Redaktion
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