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Netzwerk der AfD-Vize-ChefinVon Storchs Datenimperium

Eine Netzaktivistin durchwühlte das Darknet der von Storchs. Jetzt ermittelt Berlins Datenschutzbeauftragte. Es geht um rechte Propaganda.

Big Beatrix is watching you Foto: dpa

Berlin taz | Katharina Nocun hat tief gegraben. Monatelang hat die Netzaktivistin Internetseiten mit Verbindungen zu AfD-Vize Beatrix von Storch durchforstet. Die Piratenpolitikerin wollte wissen, wie die Frontfrau des religiös-konservativen Parteiflügels, die gegen Abtreibungen mobil macht und gerne vor „Genderfanatikern“ warnt, im Netz organisiert ist. Was es überhaupt mit ihrem Verein „Zivile Koalition“ auf sich hat, dessen Geschäfte von Ehemann Sven geleitet werden. Und warum dieser auch im Impressum der Seite abgeordneten-check.de auftaucht: einer Petitionsplattform, die behauptet, „weder parteilich noch an bestimmte Interessengruppen gebunden“ zu sein.

Für all diese Fragen fand Nocun eine klare Antwort: Die von Storchs herrschen über ein „Daten-Imperium“. Es besteht aus einem Geflecht aus Vereinen und Internetseiten, das laufend politisch sensible Daten hunderttausender User aufsaugt, die mit Forderungen der AfD symphatisieren. Ihre Recherchen haben inzwischen die Berliner Beauftragte für Datenschutz alarmiert.

Der Verdacht: Von Storch hat die Daten rechtswidrig ausgetauscht, möglicherweise auch unerlaubt an Dritte weitergeben. Eine Stellungnahme von Beatrix von Storch sei bereits erbeten worden, heißt es auf Anfrage der taz. „Auf dieser Grundlage werden wir den Fall juristisch bewerten“, sagt Anja-Maria Gardain, Pressesprecherin für Datenschutz und Informationsfreiheit in Berlin. Über Einzelheiten gibt es im laufenden Verfahren keine Auskunft.

Wie bei allen Briefkastenkonstruktionen ist der Fall komplex: Nocun, ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, ist eher zufällig auf das weitereichende Geflecht von AfD-nahen Webadressen gestoßen. Anfang des Jahres stolperte sie über „civil-petition.de“ und „abgeordneten-check.de“, beides Seiten, die auf den ersten Blick an etablierte Bürgerbeteiligungsplattformen wie etwa „open-petition.de“ erinnern. Doch schon die Titel der Begehren lassen wenig Raum für Interpretationen: „RECHTSTAAT NICHT SCHARIA“ oder “FRAU MERKEL TRETEN SIE ZURÜCK!“ lauten die schrillen Forderungen, die User dort unterzeichnen können.

Die Reichweite ist groß

Über 360.000 Unterschriften sammelte die Rücktrittsforderung an die Bundeskanzlerin. Was die Piratenpolitikerin schließlich noch skeptischer machte: Verantwortlich für die Seiten „civil-petition.de“ und „abgeordneten-check.de“ zeichnet ein Mann, dessen Name immer wieder auftaucht: Sven von Storch.

Aus Neugier registrierte sich Katharina Nocun für den Newsletter von „civil-petition.de“. Wenig später erhielt sie per Email einen Spendenaufruf. Im Absender: Beatrix von Storch. Das Foto ihrer Bürotür ist zu sehen, auf die Unbekannte das Graffiti „Refugees Welcome“ gesprüht haben. Daneben ätzt von Storch gegen die „linken Bessermenschen“ und fordert die Empfänger auf, „einen Beitrag zur Sicherheit unseres Büros“ zu leisten. „Wir freuen uns über ihre Spende“, schreibt die AfD-Vizechefin, per Scan eingefügt: ihre handschriftliche Signatur. Wie kann es sein, dass Nocun plötzlich Post von Beatrix von Storch bekommt? Darf Sven von Storch, Verantworlicher der Plattform „civil-petition“ Nocuns Namen und Mailadresse ohne Hinweis weiterreichen?

Nein, ist sich die Piratin sicher: „Ich gehe von einer rechtswidrigen Weitergabe meiner Daten im Vereinsgeflecht der von Storchs aus.“ Die Recherchen dazu hat die Netzaktivistin auf ihrem Blog kattacha.de offen gelegt. Ihre Kritik: In den Datenschutzerklärungen der Seite „civil-petition.de“ sei garantiert worden, dass Daten nicht an Dritte weitergegeben werden. Darüberhinaus zeichnet der von Beatrix von Storch gegründete Verein „Zivile Koalition“ für die Seite verantwortlich, dessen geschäftsführerender Vorstand ihr Mann Sven ist. Im Absender von Nocuns Email tauchte jedoch der Name eines zweiten Vereins auf, der ebenfalls von Sven von Storch gelenkt wird: „Bürgerrecht Direkte Demokratie.“

Aus Sicht der Netzakivistin, die lange Zeit als Datenschutzexpertin der Piraten tätig war, ist diese Datenweitergabe rechtswidrig: Hinter den Namen und Email-Adressen der Unterstützer von „MERKEL TRETEN SIE ZURÜCK!“ stehen politische Überzeugung, also sensible Daten, für die nach dem Bundesdatenschutzgesetz verschärfte Regeln gelten. „Nur weil die von Storchs viele Vereine haben, heißt das nicht, dass sie die Daten der Vereine untereinander tauschen dürfen.“

Das Darknet der von Storchs

Tatsächlich steuern die von Storchs zahlreiche Internetseiten, Blogs und Petitionsplattformen, herrschen über eine Art Darknet der AfD. Neben „civil-petition.de“, „abgeordneten-check.de“, tauchen auch unter der Domain „bürgerrecht-direkte-demokratie.de“ nahezu diesselben Petition auf, die per Mail direkt an Bundestagsabgeordnete versandt werden. Seit Jahren üben die von Storchs damit „Druck auf Parlamentarier aus“, wie das Magazin Cicero vorgerechnet hat: „Allein seit 2011 gingen 1,7 Millionen E-Mails über die Plattform an den Bundestag.“

Ähnlich aggressiv verbreitet die verborgene Propagandamaschine von Storchs Anti-Abtreibungs-Kampagnen und schwulen- und lesbenfeindliche Positionen im Netz. Auf den Seiten „Entscheidung fürs Leben“ und die „Initiative Familienschutz“ hetzt von Storch gegen „familienfeindliche Propaganda“ und „homosexuelle Familienformen“, die ein „Naturrecht“ untergraben würden. AfD-Symphatisanten finden dort Buchtipps über autoritäre Kinderziehung, Blogeinträge über den grassierenden „Genderwahn“ und obendrein noch feingeistige Poesie für den rechtskonservativen Biedermeier: „Ein Fisch ist kein Fahrrad und ein Mann ist keine Frau.“

Mit den weitreichenden Verzweigungen der „Zivilien Koalition“ hat sich der Rechtsextremismusforscher Andreas Häusler ausführlicher beschäftigt. In seiner Anfang 2014 veröffentlichten Studie „Mut zur Wahrheit“ charaktersiert der AfD-Experte den Verein als Plattform „marktliberaler und erzkonservativer Positionen“, die Rede ist gar von einer deutschen „Tea-Party“-Bewegung.

Sven von Storch sticht als eine Art Webmaster der Neokonservativen hervor. Flaggschiff seiner Internetarmada ist die „Freie Welt“, eine „Internet & Blogzeitung für die Zivilgesellschaft“. Regelmäßig bloggen die von Storchs dort gegen die „Mainstreampresse“, auch Karl Feldmeyer, ehemaliger FAZ-Autor, der heute regelmäßig für die Junge Freiheit schreibt, fühlt sich dort wohl. Der Autor wird ebenfalls als Beiratsmitglied der Plattform abgeordneten-check.de genannt.

Von Storchs haben reagiert

Nocun vermutet: Newsletterabonnenten dieser Seiten landen auf der Liste potenzieller Spender für von Storchs AfD-„Think Tank“. Namen und Emails der User wurden nach ihren Recherchen auch unerlaubt an Dritte, einen externen Dienstleister zur Mailversendung weitergeleitet. „Die AfD-Spitzen grenzen sich von etablierten Parteien gerne als Law-and-Order-Politiker ab, die auf Recht und Gesetz pochen“, sagt die Netzaktivistin. „Nur sind die Bürger gut beraten, sich die persönliche Geschichte der einzlenen Spitzenpolitiker anzusehen: Wenn die eigenen Interessen – wie etwa das Maximieren von Spendengeld – bereits im Kleinen höher gestellt werden als die Rechte der Bürger, zeugt das von Verantwortungslosigkeit und Opportunismus.“

Inzwischen haben die von Storchs auf die offzielle Beschwerde Nocuns reagiert und einige Angaben geändert. Im Impressum der Seite abgeordneten-check.de ist nun das fehlende Kapitel zur Datenschutzerklärung ergänzt worden: „Ohne ausdrückliche Zustimmung“ würden keine Daten an Dritte weitergegeben, heißt es jetzt. Garantieren will Sven von Storch allerdings für nichts: „Ein lückenloser Schutz der Daten vor dem Zugriff durch Dritte ist nicht möglich.“ Ein Fisch ist kein Fahrrad und ein Storch ist keine Firewall.

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23 Kommentare

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  • Katharina Nocun hat übrigens bereits vor der AfD-Programmparteitags-Debatte die Inhalte dieser rechten Truppe näher untersucht und das ideologische Weltbild entlarvt. So sieht engagierte, kompetente Recherche aus. Danke und wir freuen uns auf mehr davon.

    • @Daniel L:

      Schließe mich an -

      Wenn's mich auch ekelt -

      Weiteres aus dem tiefbraunen Stumpf -

      Derer von Abor't - zu lesen!

       

      (ps: Abor - ndt. ~> von Adebar!)

  • “geschäftsführerender Vorstand [...] Sven”

    Also, wenn der reingeschummelte Führer Absicht war..., Respekt.

    Aber auch ohne dieses Bonmot ist’s ein lustiger Beitrag – feingeistige Poesie „Ein Fisch ist kein Fahrrad und ein Mann ist keine Frau“ – zu besorgnis-bis ekelerregendem Realoboden: Der neurechte Pinocchio-Biedermann-Dumpf-und-Mainstream e-caterpillartrollt was das Internet-Zeug hält. Danke Katharina Nocun!

  • Ist doch toll, dass sich die Konservativen nun endlich ebenfalls so vernetzen, wie es das linke und linksliberale Spektrum schon lange tut.

     

    Weiter so.

     

    Übrigens: "Netzwerkaktivistin"? Da beisst die inzwischen in die Bedeutungslosigkeit gesunkene politische Konkurrenz wütend um sich.

     

    Auch ruhig weiter so.

  • 1G
    12239 (Profil gelöscht)

    Schockierend finde ich, dass es anscheinend wirklich einen Mann gibt, der mit dieser Frau zusammen leben will!

    • @12239 (Profil gelöscht):

      Ich finde Trixie mindestens genau so schlimm wie Sie, aber hätten Sie, ginge es um Höcke oder Gauland auch angemerkt, dass Sie es schockierend finden, dass es wirklich eine Frau, gibt, die mit ihnen zusammen leben will?

    • @12239 (Profil gelöscht):

      Findest Du es auch schockierend, dass es anscheinend es jeweils eine Frau gibt, die mit Björn Höcke oder Alexander Gauland zusammen leben will?

  • Da offenbart sich eine sehr einseitige politische Ideologie, die aber durchaus hoch wirksam sein dürfte, auch wenn sie gut getarnt ist.

    Andere Parteien haben so etwas nicht nötig. Die benutzen für ihre eigene Ideologie ganz offen und oftmals durch diverse passend gemachte Gesetze die großen Massenmedien.

  • Noch 3 weitere so knallhart recherchierte Dossiers und die AfD kann sich die Sitze im Berliner Senat in die Haare schmieren.

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    Auch wenn ich mich hier wiederhole: Ich plädiere dafür, sich mit der AfD im Wesentlichen mit politischen als mit formalen und juristischen Mitteln auseinander zu setzen.

    • @33324 (Profil gelöscht):

      Wo juristische Mittel angezeigt sind, müssen sie auch angewandt werden. Recht und Ordnung müssen sein - und genau so ist es auch im Sinne der AfD und ihrer Anhänger.

      • 3G
        33324 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Jawoll, Herr Chef und Preußen-General. Hacken zusammen. AfD, richt Euch.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @33324 (Profil gelöscht):

      Ging es in dem Beitrag nicht um Frau v. Storch ?

      Im übrigen haben Sie natürlich völlig Recht. Geldströme interessieren nicht. Weil ja die Finanzierung von Politik nichts mit derselben zu tun hat. Und natürlich darf man über illegale Betätigungen von Politikern nicht berichten, weil ..., ja warum eigentlich nicht ?

      Setzen, sechs !

      • 3G
        33324 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        Der Schwerpunkt ddr Kritik sollte auf der politischen Auseinandersetzung mit AfD-Standpunkten liegen. Also: Fehlinterpretation meines Beitrags und damit Themaverfehlung, Herr Oberlehrer.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Das Wähler Klientel der AfD schätze ich so ein, das die durch solche Dinge nur noch mehr an die Partei gebunden werden, und die Partei in eine Opfer rolle hinein stilisieren.

         

        Und diese ganze "Lügenpresse Überzeugung" verstärkt diesen Effekt vermutlich noch um ein vielfaches...

         

        Daher stimme ich Alexei zu. Man sollte sie erst Politisch entlarven.

        • @redhad:

          @ redhad

          Die schwarzen Kassen“ der CDU damals und das Verhalten der Storchs von der AfD sind für mich vergleichbar und eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Politikern und deren Moralvorstellungen, die das jeweilige erhalten entlarven.

        • @redhad:

          Eine politische Entlarvung kratzt die AfD-Klientel 0,0.

          • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

            Ist es nicht eine politische Entlarfung aufzuzeigen dass sie die Ordnung/Gesetze die sie so lieben selber nicht beachten? Auzufzuzeigen dass ihnen Datenschutz egal ist? Und aufzuzeigen was für eine Maschiniereie an Meinungsmache hinter der Ideologie steckt?

            Ich finde das nicht unpolitisch.

            Die Opferrolle nehmen sie doch sowieso ein, was auch höchsten Erfolg zeigen kann bis in die oberen Ränge der Politik vgl FPÖ.

  • Die Bezeichnung „Darknet“ ist etwas hoch gegriffen. Ansonsten danke für den Artikel!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Arne Babenhauserheide:

      Okay, dann vielleicht "Brownnet".

      Dark genug?

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "In seiner Anfang 2014 veröffentlichten Studie „Mut zur Wahrheit“ charaktersiert der AfD-Experte den Verein als Plattform „marktliberaler und erzkonservativer Positionen“

    ...

    auch Karl Feldmeyer, ehemaliger FAZ-Autor, der heute regelmäßig für die Junge Freiheit schreibt, fühlt sich dort wohl."

     

    In "marktliberalen und erzkonservativen Positionen" wird man bei faz vorzüglich geschult.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      Die unsäglichen Herren Konrad Adam und Udo Ulkotte waren auch bei der FAZ beschäftigt. Vielleicht sollte man dort mal überlegen wieso so viele Mitarbeiter ins Verschwörungstheoretische bzw. nach Rechtsaußen abdriften ...

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Also - daß die fazler noch im Kohlenkeller Schatten werfen -

        Ist doch allgemein bekannt - &

        Den hype um den Oberfazler Midas -

        Frankie die Binse - hab ich nie verstanden - Hat doch dieser

        Renegat sich nicht ohne Grund kurz vorm Ableben gefragt -

        "Ob er nicht doch die ganze fazZeit -

        Nur Scheiß gebaut habe."

        (wohl wahr - wie's Georg Schramm unlängst im Unterhaus aufgespießt hat.;))

        "Überlegen¿" - So siehste aus!;(€)