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Netanjahu will Gazastreifen besetzenHör auf zu zögern, Merz!

Pauline Jäckels
Kommentar von Pauline Jäckels

Will der Kanzler wirklich ein Ende der israelischen Kriegsverbrechen bewirken? Dann müssen jetzt Konsequenzen folgen.

Soldaten an der Grenze zu Gaza: Das israelische Militär hat die Ausweitung seiner Operationen angekündigt Foto: Jack Guez/afp

B enjamin Netanjahu will den Gaza­streifen vollständig besetzen und dafür die Kampfhandlungen ausweiten. Obwohl Bundeskanzler Friedrich Merz den israelischen Premierminister doch kürzlich mit so großem Nachdruck aufgefordert hatte, den Krieg zu beenden und sich bitte endlich an das Völkerrecht zu halten.

Selbst der Realitätsverweigerungsexperte Merz kann die Realität nicht länger ignorieren: Will er in Zukunft noch ernst genommen werden und, viel wichtiger, tatsächlich zu einem Ende der israelischen Kriegsverbrechen beitragen, müssen auf Israels Ignorieren aller deutschen Forderungen auch Konsequenzen folgen.

Aus Regierungskreisen ist zu vernehmen, dass die Bereitschaft, innerhalb der Koalition nächste Schritte zu gehen, jüngst tatsächlich größer geworden sei. In der Kabinettssitzung am Mittwoch könnte man also endlich beschließen, den wichtigsten Hebel, den Deutschland in der Hand hat, zu betätigen: die Absage an das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel zu unterstützen. Das ist bislang am deutschen Veto gescheitert.

Ein solcher Schritt wäre nicht nur überfällig, um Israel zum Ende seines genozidalen Vorgehens zu drängen. Er würde auch die Frage klären, ob Deutschland weiter in seiner selbst verschuldeten europäischen Isolierungspose verharren will. Oder ob es mit seinen EU-Partnern und Großbritannien zusammenarbeitet und damit Europa zu einem ernstzunehmenden Akteur macht. Will Merz außenpolitisch künftig irgendetwas erreichen, ist er auf eine gemeinsame Linie mit Macron, Starmer und Co. angewiesen – auch jenseits von Gaza.

Gegenwind aus den eigenen Reihen

Das grausame, am Wochenende veröffentlichte Hamas-Propagandavideo hat den Wind in der Koalition aber wohl erneut in die andere Richtung gedreht. Der proisraelische Kern in der Union, darunter etwa der Außenexperte Roderich Kiesewetter, nahm das Video zum Anlass, gegen einen Kurswechsel zu wettern: Deutschland müsse weiterhin „unverbrüchlich an der Seite Israels stehen“, eine Perspektive für Gaza gebe es nur, wenn die Hamas vollständig zerschlagen sei. Schlüssig ist das nicht.

Keine Frage: Die Hamas begeht fortwährend Kriegsverbrechen, die Geiseln müssen schnellstmöglich freikommen. Doch Netanjahu weiter zu unterstützen, wird a) dazu nicht beitragen und b) rechtfertigt die Grausamkeit der Hamas immer noch nicht das Töten und Aushungern der palästinensischen Zivilbevölkerung durch Israel.

Bibis Kriegsführung dient nicht der Zerschlagung der Hamas oder der Geiselbefreiung – beides ist ja offensichtlich in fast zwei Jahren nicht gelungen. Trotz großer Verluste hält die Hamas immer noch ihre Stellung. Sie ist weiterhin fähig, die israelischen Streitkräfte (IDF) aus Tunneln heraus anzugreifen. Und die Israelis wiederum kommen an die Geiseln nicht heran.

Netanjahus „Plan“ ist ein anderer: den Krieg in die Länge zu ziehen, Druck von rechts außen zu besänftigen und zu hoffen, dass sich irgendwann die Möglichkeit ergibt, mithilfe der USA die Vertreibungs- und Annexionspläne umzusetzen.

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Pauline Jäckels
Meinungsredakteurin
Redakteurin im Meinungsressort seit April 2025. Zuvor zuständig für die parlamentarische Berichterstattung und die Linkspartei beim nd. Legt sich in der Bundespressekonferenz gerne mit Regierungssprecher:innen an – und stellt manchmal auch nette Fragen. Studierte Politikwissenschaft im Bachelor und Internationale Beziehungen im Master in Berlin und London.
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