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Neophyten in EuropaPalmen über Österreich

In Österreich wurden wilde Exemplare der Chinesischen Hanfpalme gesichtet. Die Funde zeigen, dass invasive Arten vom Klimawandel profitieren.

Urlaub unter Palmen bald auch in Deutschland Foto: dpa

Berlin taz | Ein paar Tonnen Sand aufschütten, Liegestühle darauf verteilen und – ganz wichtig – Topfpalmen drumherum: Fertig ist der Stadtstrand. Für Stadtbewohnende ein beliebter Treffpunkt in den Sommermonaten, um sich für ein paar Stunden wie im Urlaub zu fühlen. Befördert durch den Klimawandel könnte in Zukunft aber auch schon ein Waldbesuch für südliches Flair sorgen – wenn dort plötzlich immer mehr Palmen wachsen.

Genauer gesagt Exemplare der Chinesischen Hanfpalme. Diese in Europa nicht heimische Palmenart breitet sich hier immer weiter aus. Sie profitiert vom wärmeren Klima und vor allem von milden Wintern. Dazu ist sie gegen Frost gewappnet und überlebt auch kalte Nächte mit Temperaturen bis minus 15 Grad.

Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist, dass wilde Abkömmlinge in Österreich gesichtet wurden – die sogar einen Winter überstanden haben. Davon berichtet der Biologe Franz Essl von der Universität Wien in einem wissenschaftlichen Aufsatz, erschienen im Online-Fachmagazin BioInvasions Records.

Essl spricht in dem Aufsatz von sechs aufgezeichneten Sichtungen der Chinesischen Hanfpalme an verschiedenen Orten. Vier dieser Orte befinden sich in Wien, zwei in kleineren Gemeinden. Alle Exemplare fielen in öffentlichen Grünanlagen oder privaten Gärten auf. Die Herkunft dieser wilden Abkömmlinge lässt sich leicht erklären. Die Chinesische Hanfpalme ist schon länger beliebt als Zimmerpalme. Zum Teil wird sie auch in Gärten verpflanzt.

Bald auch in Deutschland

Heimisch ist die Palme eigentlich in China, Indien und Thailand. Doch hat sie sich schon vor längerem im gesamten Mittelmeerraum angesiedelt. Von dort breitet sie sich langsam in den Norden aus. Im südschweizerischen Kanton Tessin ist sie bereits häufig in Wäldern anzutreffen und auch in anderen Teilen der Schweiz auf dem Vormarsch.

Für den Biologen Mark von Kleunen von der Universität Konstanz ist die wilde Ausbreitung der Chinesischen Hanfpalme keine Überraschung. „Viele Leuten finden es schön, so eine Palme im Garten zu haben, und von da aus kann sie sich dann leicht in die wilde Natur verbreiten“, sagt von Kleunen. Genau so sei es auch in Tessin passiert.

Essl und von Kleunen stimmen überein, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die Palme auch in Deutschland ansiedelt. Zwar gebe es noch keine registrierten Fälle von wilden Palmen, die überwintert haben. Aber Setzlinge seien in Süddeutschland bereits gesichtet worden, so Mark von Kleunen. Besonders milde Regionen wie um den Rhein oder um die Stadt Mainz böten gute Bedingungen für das Gewächs, sagt Essl.

Palmen wecken in den Menschen positive Emotionen an Urlaub und den Süden, aber die Verbreitung ist ein Alarmsignal.

Franz Essl, Biologe

Wenn sich die Palme in Deutschland ansiedeln würde, hätte das Folgen für die heimischen Arten. Im schweizerischen Kanton Tessin lässt sich das bereits beobachten. Dort überwuchern die Palmen das Unterholz der Wälder und verdrängen Pflanzen, die es hier immer schon gibt. Ein anderes Problem ist, dass invasiven Arten in neuen Ökosystemen der Austausch mit anderen Arten und Spezies fehlten, sagt Essl. Sie blieben so oft isoliert und beeinträchtigten das gesamte Ökosystem.

„Palmen wecken in den Menschen positive Emotionen, sie denken an Urlaub und den Süden“, sagt Biologe Essl. „Aber die Verbreitung ist ein Alarmsignal.“ Der Vormarsch der Chinesischen Hanfpalme zeige, wie stark der Klimawandel Einfluss auf die heimische Umwelt habe. Einheimische Arten wie die Fichte würden unter der Trockenheit leiden, während invasive Arten wie die Chinesische Hanfpalme profitieren – und sich vermehren.

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8 Kommentare

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  • Mir persönlich sind die Kokus- und die Dattelpalmen lieber. Gibt es insoweit schon Berechnungen, wann diese die Ostsee flächendeckend bewachsen. Dann brauchen wir nur noch ein paar nette High-Class All Inclusive Ressorts mit unmittelbarem Strandzugang und einen innerdeutschem Urlaub steht nix mehr entgegen.

  • Tut mir leid, aber wer so tut, als wären invasive Arten grundsätzlich zu begrüßen, der hat leider keine besonders ausgeprägte Ahnung davon, wie ein Ökosystem funktioniert. Man muss in jedem Einzelfall prüfen, ob eine eingeführte Art zu einer Abnahme der Biodiversität (ja, das kann durchaus passieren) führt oder nicht. Es gibt genügend wissenschaftlich klar abgesicherte Erkenntnisse dazu. Hysterie ist eben so wenig angebracht wie die laienhafte Auffassung, es wäre grundsätzlich kein Problem für die Vielfalt, wenn natürliche Schranken der Verbreitung ausgeschaltet würden. Das ist alles viel zu komplex für so einfache Antworten, wie sie hier von einigen gegeben werden.

  • Der Klimawandel heisst Baumarkt.

    Palmen wachsen übrigens ganz gut in der Nähe von Bundesstrassen, Autobahnen, Tunneln und so. Die Abgase sorgen für Wärme. In Hamburg wachsen seit Jahrzehnten Palmen auf dem Strassentunnel am Hauptbahnhof. Hat wohl mal ein schlauer Botaniker da angepflanzt.

    mal sehen ob ich das verlinken kann:

    www.google.de/maps...2e0!7i13312!8i6656

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Sag ich doch immer, wir sind die Gewinner des Klimawandels. Konnte letztes Jahr Feigenmarmelade kochen.

  • Die Tier- und Pflanzenwelt kennt noch viel weniger als bei Menschen "heimisch" und "nichtheimisch". Es wächst und lebt, was sich fortpflanzen kann.



    Ein großer Teil der "heimischen" Pflanzen ist erst mit dem Menschen eingewandert, beziehungsweise hat sich erst durch Gunst des Menschen hier verbreitet. z.B. ist die Buche erst seit 5000 Jahren in Mitteleuropa anwesend. Heute wird sie als potentiell natürliche dominante Waldbaumart geführt.



    Der Umgang mit den Worten "invasiv" und "nichtheimisch" bei Pflanzen und Tieren ist sehr bedenklich. Es gibt keinen natürlichen Zustand der Natur.



    Problematisch sind neue Pflanzenarten erst, wenn sie heimische Arten verdrängen. Das muß man differenziert sehen, von Art zu Art, verhindern können wir Einwanderung sowieso nicht. Es gibt negative Beispiele für Neophyten (ind. Springkraut), aber auch harmlose (z.B. Roßkastanie).



    Es ist nicht gut neue Arten einzuführen keine Frage, die Auswirkungen sieht man erst hinterher, aber eine Reduzierung auf "Jetzt bringt der Klimawandel auch noch fremde Pflanzenarten und bedroht unsere heimische Natur" ist sehr fragwürdig. Zumal die meisten Neophyten auch ganz ohne Klimawandel hier gedeihen können (z.B. Robinien). Das Problem schädlicher Neophyten ist nur randläufig mit der Klimaerwärmung verbunden.



    Palmen profitieren zweifelsfrei davon, aber der Grund für Neophyten ist die Verbreitung durch den Menschen und nicht der Klimawandel.

  • Ich bin der Meinung, dass der Begriff "invasive Art" hochproblematisch ist und durch einen weniger negativ besetzten ersetzt werden muss. Als aktiver Hobbybotaniker und -ornithologe erlebe ich leider immer wieder Kollegen, die jede fremde Art in freier Natur als bedrohlich ansehen. Bei genauerem Nachfragen liegt dem fast immer ein allgemeines Misstrauen gegen Veränderungen zugrunde und nur sehr selten überprüfbare wissenschaftliche Erkenntnisse aus einem ausreichend langen Beobachtungszeitraum. Man darf hier also durchaus von einer Art "ökologischem Rassismus" sprechen, stets vereint mit entsprechenden politischen Ansichten...

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @boidsen:

      .



      Guten Tag Herr Hobbybotaniker, ich schlage vor, ein bisschen mehr Zurückhaltung beim Unterjubeln Anderen Ihnen nicht genehmer politischer Ansichten zu Üben

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @boidsen:

      O.k., in von xenophoben Ideen geprägten Gesellschaften passt das doch ganz gut.



      Vielleicht gibt es ja bald den Slogan: "Rettet die deutsche Eiche vor den Hanfpalmenhorden" und wir bekommen doch noch eine Klimaschutzpolitik, die diesen Namen verdient.