Neonazi-Zentrum wird verkauft: Rückzieher der Rechten
Der vorbestrafte Rechtsextremist Sven Krüger verkauft sein Thinghaus in Grevesmühle. Über zehn Jahre war das Anwesen Treffpunkt der rechten Szene.
D as Thinghaus ist geschlossen. Der rechtsextreme Szenetreff in Grevesmühlen steht zum Verkauf. Das Anwesen am Rande der Kleinstadt im westlichen Mecklenburg-Vorpommern gehört dem mehrfach vorbestraften Rechten Sven Krüger. Ein Holzzaun wie auch ein Wachturm sollten Einblicke in das Treiben auf dem Grundstück verhindern. Über dem Hauseingang hing ein Schild mit dem germanischen Motiv der Irminsul und dem niederdeutschen Widerstandsspruch „Lever dood as Slav!“. Die Verkaufspläne seien der Gemeinde bekannt, sagt Bürgermeister Lars Prahler. „Wir hoffen auf einen privaten Käufer.“
Krüger will das Gebäude im Grünen Weg über einen Makler verkaufen. 2008 hatte der ehemalige Hammerskin und zwischenzeitige NPD-Kreistagsabgeordnete das ehemalige Betonwerk erworben. Zwei Jahre später begann die politische Nutzung als Thinghaus, keine 15 Autominuten entfernt von Jamel – jenem Dorf, in dem Krüger aufgewachsen ist. Ab dem Jahr 2000 begann er, Häuser für Gleichgesinnte zu kaufen, um eine „national befreite Zone“ aufzubauen.
Mehr als zehn Jahre lang konnte Krüger das Programm des Thinghauses durchhalten. Auf der wenig gepflegten Website hieß es über die Herleitung des Wortes „Thing“, dass es im altgermanischen Sprachgebrauch etwa so viel wie Volksversammlung bedeute. „Und so soll es auch weitergeführt werden, als Versammlungshaus der gesamten nationalen Bewegung“, heißt es auf der Website. „Egal ob Partei oder freie Kameradschaft, Einzelkämpfer oder Familienkreis, im Thing-Haus ist jeder zu Hause, dem Begriffe wie Vaterland und Freiheit noch nicht fremd geworden sind.“
Das Haus nutzen so auch Rechtsextreme für Schulen und Tagungen. Ein Zeitzeuge durfte „über seine behütete Kindheit“ – als Pimpf des Deutschen Jungvolks – und über seine Erlebnisse – bei einer SS-Freiwilligen-Division – berichten. Zu Festen kamen rechte Eltern mit ihren Kindern. Kampfsport wurde trainiert, Buchmessen angeboten. In einen Metallgrill war der Schriftzug „Happy Holocaust“ eingelassen. Die NPD richtete 2010 ein Bürgerbüro in dem Haus ein, als sie im Landtag saß. Ein rechtsextremes Webprojekt hatte seine offizielle Adresse in dem Haus.
Die Verurteilungen von Krüger wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung haben seinem Image nie geschadet. 2019 zog er in den Gemeinderat von Gägelow ein. Selbst die Verurteilung wegen Hehlerei zu einer Haftstrafe schadete nicht seinem Ansehen. Kameraden führten das Thinghaus weiter und veröffentlichten einen „Solidaritätssampler für unseren Kameraden Sven Krüger aus Jamel“. Preis 14 Euro, Titel: „Jamel scheisst auf den Förster“ – eine Anspielung auf das antifaschistische Festival „Jamel rockt den Förster“, das von dem Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer in dem Dorf ausgerichtet wird.
Krüger geriet trotzdem in Schwierigkeiten. Beim Sommerfest der NPD 2019 in Grevesmühlen beendete die Polizei einen Auftritt der Band Oidoxie: Der Sänger Marko Gottschalk und der Gitarrist Martin Krause hätten indizierte Musiktitel gespielt. Die staatlichen Maßnahmen wegen der Pandemie dürften den ökonomischen Druck weiter erhöht haben. „Das Marketing mit der Immobilie scheint nicht mehr zu funktionieren“, sagt Prahler.
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