Neonazi-Gewalt in Glauchau: Wirklich alles „im Griff“?
Am 1. Mai attackierten in Glauchau Neonazis linke Demonstranten. Grüne und Linke fordern Aufklärung, der Innenminister stellt sich vor die Polizei.
Die sächsische Linken-Innenexpertin Kerstin Köditz warf der Polizei am Montag eine „mangelhafte Einsatzvorbereitung“ vor. Seit Jahren sei die Anreise zu Nazidemos ein neuralgischer Punkt für Gewalt. Dass dies nicht mit in die Einsatzplanung einfloss, dafür fehle ihr „jegliches Verständnis“, sagte Köditz der taz. Sie werde den Einsatz im Innenausschuss thematisieren, Schuster müsse „Erklärungen liefern“.
Auch Valentin Lippmann von den mitregierenden Grünen sagte der taz: „Solche Angriffe liegen leider im Bereich des Erwartbaren.“ Obwohl für Bahnhöfe und Züge grundsätzlich die Bundespolizei zuständig sei, müsse geklärt werden, ob „dem Schutz bei der An- und Abreise ausreichend Priorität bei der Einsatzplanung durch die sächsische Polizei eingeräumt wurde“.
Für Schuster hatte die Polizei alles „im Griff“
Innenminister Schuster wies die Kritik zurück. „Die Polizei hatte die Versammlungslage in Zwickau zu jeder Zeit im Griff“, erklärte er. Die Straftaten in Chemnitz und Glauchau habe sie „mit aller Konsequenz“ verfolgt. Schuster bezog dabei einen weiteren Vorfall mit ein: Am Bahnhof Crimmitschau hatte am Sonntagabend eine laut Polizei „dem linken Spektrum zuzuordnende Personengruppe“ vier Neonazis mit Schlagwerkzeugen überfallen, die aus Zwickau abgereist waren. Die Angegriffenen mussten ins Krankenhaus. Auch diese Tat sei „nicht zu tolerieren“, so Schuster. „Künftig muss auch auf den An- und Abmarschwegen noch mehr polizeiliche Stärke gezeigt werden.“
Laut der Polizei waren in Chemnitz zunächst 50 Rechtsextreme von der Bundespolizei aus einem Zug gewiesen worden, es sei zu „Auseinandersetzungen“ mit Linken gekommen. In Glauchau gab es dann nach Steinwürfen auf eine Regionalbahn die Ingewahrsamnahme der 37 Rechtsextremen. Laut Bundespolizei wurden die Betroffenen erst am Abend – nach Ende des „III. Weg“-Aufmarschs in Zwickau – wieder freigelassen. Von den Angegriffenen seien zwei leicht, einer schwer verletzt worden.
Den Polizeieinsatz zum Aufmarsch des III. Wegs in Zwickau selbst, an dem sich gut 200 Rechtsextreme beteiligt hatten, nannte Polizeipräsident Lutz Rodig „erfolgreich“. Er sprach von einem „friedlichen Verlauf“ mit nur elf Straftaten und drei Ordnungswidrigkeiten. Die Polizei hatte den Aufzug vor Gegendemonstranten abgeschirmt, die zu mehreren Hundert in der Stadt protestiert hatten. Mehrere Neonazis hatten indes Pressevertreter bedroht. „III. Weg“-Chef Matthias Fischer nannte einige von ihnen „Dreckschweine“.
Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) äußerte sich dennoch erleichtert. „Mit großer Sorge“ habe sie im Vorfeld auf den rechtsextremen Aufzug geschaut, erklärte sie am Montag. „Zum Glück blieb es insgesamt friedlich.“ Sie sei „sehr froh“ über das breite Bündnis von Gegendemonstrierenden, die an diesem Tag für Weltoffenheit eintraten. Zwickau stehe „für Demokratie und Vielfalt“.
Innenministerin Faeser dankt der Polizei
Auch bundesweit fuhren Rechtsextreme am 1. Mai Misserfolge ein. In Dortmund kamen ebenso nur gut 200 Neonazis zu einem Aufmarsch der NPD und der Splitterpartei Die Rechte zusammen. In Erfurt waren es rund 140. Auch auf autonomer Seite blieb es weitgehend ruhig. In Berlin sprach Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vom „friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten“.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dankte der Polizei, dass sie bundesweit für „weitgehend friedliche, offene und vielfältige Demonstrationen zum 1. Mai gesorgt und Gewalt und Randale verhindert“ habe.
Umso mehr richteten sich die Augen, mal wieder, auf Sachsen. Auch Oliver Malchow, Bundeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nannte den Angriff von Glauchau am Montag „verstörend“. Polizeipräsident Rodig versicherte, dass zu dem Angriff und dem in Crimmitschau nun „auf Hochtouren“ ermittelt werde. Ausgewertet würden auch Videoaufnahmen. In Crimmitschau aber fehlen diese, auch konnten zunächst keine Tatverdächtigen gefasst werden. Hier werden die Ermittlungen deutlich schwerer.
Für GdP-Chef Malchow ist es aber allein mit Strafverfolgung nicht getan. „Mir ist nicht nachvollziehbar, wie dieser offensichtliche Hass auf fast alle und jeden in die Köpfe dieser Menschen kommt“, sagte er über den Glauchau-Angriff. So sehr die Angreifer entsprechende Strafen verdienten, sei „zweifelhaft“, dass diese mit veränderter Einstellung in die Gesellschaft zurückkehrten. Es brauche daher vielmehr mehr Investionen in Präventions- und Aussteigerprogramme „gegen rechts“. Auch müsse die nachrichtendienstliche Beobachtung der Szene intensiviert werden.
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