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Nazi-Symbol beim Wikinger-FestMit Rüstung und Hakenkreuz

Beim Wikinger-Fest in Schleswig kämpft ein Darsteller mit einem Hakenkreuz-Symbol. Die Unterwanderung durch Rechte sei ein Problem, so Forscher.

Sonnensymbol oder Hakenkreuz auf dem linken Schild? Schleswiger Wikingertage 2014 Foto: dpa

Hamburg taz | Wikingerstadt, Wikinger-Museum, Wikinger-Rollenspiele: Es ist das eine Thema, mit dem man in der Stadt Schleswig und nahe der historischen Wikinger-Siedlung Haithabu um Besucher und Touristen wirbt. Bei all dem Marketing mahnen Wissenschaftler zu historischer Genauigkeit – aber auch zu politischer Wachsamkeit. Die Geschichtsschreibung über die Wikinger ist eng verknüpft mit einer Rezeption durch die Nationalsozialisten – eine Mythosbildung, die bis heute eine starke Anziehungskraft auch für Rechte entfaltet.

Ende Juli nun fanden in Schleswig die Wikingertage statt, ein Event mit 25.000 Zuschauern, samt Feuershows, Handwerkspräsentationen und Show-Kämpfen. Unter anderem die Schleswiger Nachrichten berichteten mit einem Foto auf der Titelseite: Rund ein Dutzend Männer sind darauf in einer Reihe zu sehen, manche mit Helmen, in Lederrüstungen und runden Schilden. Was auf den ersten Blick schnell zu übersehen ist: Auf einem der Schilde prangt auf rot-weißem Grund ein achtgliedriges Hakenkreuz.

Dieses „Kolovrat“ ist heute als Symbol vor allem bei russischen Neonazis beliebt, eine Suche im Netz führt schnell zu Seiten der extremen Rechten.

Eine unglückliche Wahl für ein Wikinger-Schild? Karl Banghard, Leiter des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen, fällt ein hartes Urteil. Banghard ist Experte für Ur- und Frühgeschichte, beschäftigt sich seit einigen Jahren aber auch mit der Unterwanderung der sogenannten Reenactment-Szene durch Neonazis.

Das Kolovrat-Symbol, sagt Banghard, tauche nur verschwindend gering in der Vorgeschichte auf. „Es findet vor allem in der NS-Symbolik Verwendung“, sagt er. Auf der Wewelsburg sei das Geschirr für die SS mit dem Kolovrat verziert gewesen. „Wer so ein Wikinger-Schild baut, macht sich Gedanken“, sagt Banghard. „Die Fernwirkung auf dem roten und weißen Grund ist eindeutig die eines Hakenkreuzes.“

Problematischer als das Schild ist für Banghard allerdings der Umstand, auf den es verweise: Neonazis seien in der Reenactment- und Living-History-Szene „sehr aktiv“. „Die extreme Rechte betreibt hier unterschwellig Geschichtspolitik und führt einen Kulturkampf“, sagt er. Etwa, wenn Wikinger immer in Verbindung mit Kampf dargestellt würden.

Es sei ihnen gerade in ihrer Frühphase eher um Handel gegangen. Von Gräbern, in denen lange die Feinde der Wikinger vermutet wurden, sei mittlerweile klar, dass es selbst die Wikinger waren, die dran glauben mussten. „Unterernährt und keine Berserker-Kämpfer“, so Banghard. Auch die Siedlung Haithabu gehörte zu den spektakulärsten Grabungserfolgen der NS-Zeit. Die „nordgermanischen“ Wikinger sollten als welterobernde Vorfahren für sich in Anspruch genommen werden.

Die extreme Rechte betreibt unterschwellig Geschichtspolitik

Karl Banghard

Bezüglich der heutigen Inanspruchnahme hat das Archäologische Freilichtmuseum in Oerlinghausen eigens eine Broschüre herausgegeben, die nun in die zweite Auflage geht. Fotos darin zeigen TeilnehmerInnen des Slawen- und Wikinger-Reenactment-Festivals im polnischen Wolin, das am vergangene Wochenende wieder stattfand: Ein Event mit Tausenden Teilnehmern – und laut Banghard auch ein Treffpunkt der „extremen Rechten“.

Diesen Vorwurf freilich will er den Wikingertagen in Schleswig nicht machen. Die Unterwanderung mit rechter Symbolik sei „ein Suchspiel“, für das er sich aber eine höhere Sensibilität wünsche.

Stephan Vollbehr, Veranstalter der Wikingertage, zeigte sich überrascht über das Symbol auf dem Schild. „Ich kann es ganz deutlich sagen: Nicht nur haben wir eine klare Distanz zur rechten Ideologie, sondern diese Menschen haben bei uns nichts zu suchen“, so Vollbehr. Nach Rücksprache mit seinem „Leiter der Kampftruppen“ sagte er, das Symbol sei „ein Sonnenzeichen“ und es gebe „einen schmalen Grat, in welchem Zusammenhang alte mythologische Symbole genutzt werden“. Diese würden teilweise missbraucht.

Das Problem sei ihm mehr als bewusst: „Gerade in früheren Jahren haben wir immer mal wieder von Rechtsradikalen Besuch bekommen“, so Vollbehr. „Wir haben darauf sehr deutlich unter anderem mit einer starken Polizeipräsenz reagiert.“ Heute seien die Wikingertage eine der größten Familienveranstaltungen der Region. „Durch die klare Positionierung ist das Event für Rechtsradikale komplett uninteressant geworden“, so Vollbehr.

Alf Clasen, Redaktionsleiter der Schleswiger Nachrichten, sagte über das Foto: „Uns ist es nicht aufgefallen. Sonst hätten wir das Bild nicht veröffentlicht.“ Die Zeitung werde am Dienstag selbst kritisch über den Vorfall berichten.

Broschüre „Nazis im Wolfspelz: Germanen und der Rechte Rand“ zu bestellen über das Archäologisches Freilichtmuseum Oerlinghausen, info@afm-oerlinghausen.de

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13 Kommentare

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  • Ich musste wirklich mehrfach auf den Schild sehen, um eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Swastika zu entdecken. Zunächst sah ich nur ein Drachensymbol. Die politisch Überkorrekten hören wohl das nationale Gras wachsen und sehen hinter jedem Symbol eine Rechtsverschwörung.

  • http://www.swastika.info/swde/ Die Swastika war unter den Wikingern definitiv verbreitet und muss keineswegs eine rechte Bedeutung haben.
  • Dass ausgerechnet ein Historiker sofort auf die rechte Szene schließt, wenn bei einer historischen Darstellung "Nazi-Symbole" verwendet werden, finde ich äußerst befremdlich.

     

    Insgesamt wäre eine differenziertere Darstellung auch journalistisch angebracht.

     

    Die Symbole gab es weit vor den Nazis, nur haben diese sie in dem Bestreben, ihr Tun historisch zu legitimieren, aufgegriffen.

     

    Die historisch korrekte Verwendung von Swastika & Co im historisch korrekten Umfeld lässt nicht sofort auf eine rechte Gesinnung schließen. Das ist, als ob jeder Neonazi wäre, der bei Veranstaltungen einen Germanen darstellt und zufällig auch blond ist, oder das Wort "Gau" verwendet, nur weil die NS Deutschland als Gaue verwaltete.

     

    Reenactors, also Menschen, die Ereignisse der Geschichte historisch korrekt darstellen wollen, orientieren sich an archäologischen Funden. Dabei stellen sie ihre Ausrüstung samt Kleidung, Waffen, Schmuck etc. oft nach Grabfunden 1:1 nach. Und wenn der Beerdigte für die damalige Zeit TYPISCHE Ornamente auf dem Schild oder sonstwo trug, dann wird das halt ebenso übernommen - weil es eben für die Zeit typisch war. Genau darum geht es in diesem Hobby: das Typische der Zeitstellung zu zeigen, egal ob bei einer Germanen- oder Wikinger-Darstellung.

     

    Das sollte eher zum geistigen Umgang mit den Symbolen anregen, anstatt deren Verwendung sofort zu verurteilen. Wir können doch nicht die Geschichte VOR 1938 verleugnen und verändern, nur weil sie danach umgedeutet wurde. Im Gegenteil: Wir sollten uns um deren Umdeutung Gedanken machen.

     

    Natürlich ist die Verwendung der Swastika grundsätzlich verboten, was auch gut so ist. Und ja, in der Wikinger-Szene tummeln sich Rechte. Nur bitte: nicht vorverurteilen, sondern differenziert betrachten. Das Gros der Darsteller hat weder eine rechte Gesinnung noch möchte es diese mit historisch korrekter Verwendung der Symbole verbreiten.

    • @Sabine Ernst:

      Es gibt keine "historisch korrekte" Verwendung des Kolovrats als Bemalung auf Wikingerschilden. Auch die Farbgebung (schwarzes Symbol auf rot-weissem Hintergrund) läßt eine "zufällige" Verwendung mindestens unwahrscheinlich erscheinen.

      • @cursed with a brain:

        @cursed with a brain:

        Weshalb? Ich weiß nicht, ob genau dieses Schild genau so einem Fund entspricht. Aber es gibt grundsätzlich eine historisch korrekte Verwendung, wenn sie einem Fund entspricht. Das schließt eine "zufällige" Verwendung definitiv aus, das ist reine Absicht, jedoch die Absicht, den Fund korrekt zu kopieren.

  • Das ist doch mal ein riesen Artikel über Hakenkreuz Symbole&Co. Über die Symbolik der Nazisymbole bei den Rechtsextremen Brigaden der Ukraine habe ich solch ein genaues Hinschauen der TAZ schmerzlich vermißt. Ein Schelm der Böses denkt?

  • Es ist DER Schild, DAS Schild gilt für Straßenschilder (also auch "die Schilde "usw.)!

    • @Candamir:

      & es heißt nicht " wegen dem Schild"

      Sondern "wegen des Schildes!" -

      Feuerzangenbowle;))

      kurz - Schildbürger -;)

  • Die Unterwanderung besteht eher in der neuheidnischen Szene, welche sich mit dem Reenactment überschneidet. Dort sind rechte Ressentiments weit verbreitet. Grundsätzlich ist leider alles ein Magnet für Rechtsextreme, was mit Germanen zu tun hat, der Grund liegt in der Tat bei der Aneignung und Zweckentfremdung vorchristlich-germanischen Kulturgutes in der Nazizeit und auch in der vorangegangenen Nationalromantik. Das wirkt nach. Stichwort: Der Wikinger als blonder Superheld. Das Hakenkreuz ist das bekannteste Beispiel, die "Lebensrunen" und "SS-Runen" sind andere. Mittlerweile distanzieren sich die größeren neuheidnischen Vereine davon. Das Bewußtsein ist gewachsen.

     

    Der Kriegerkult in Neuheiden- und Reenactmentszene ist bedauerlich. Ja, es ist ganz lustig, mal Wikinger zu spielen. Nichts dran auszusetzen. Aber das "Flachstahldengeln" und Waffensammeln mag etwas überhand genommen haben. Der Autor geht darauf ganz gut ein.

     

    Die Grauzone besteht bei Symbolen wie Keltenkreuz, Sonnenrad und so weiter. Mal abgesehen davon, daß es zweifelhaft ist, ob historische Wikinger sich sowas auf die Schilde gemalt haben. Schilde waren Gebrauchsgegenstand und wurden irgendwann zerhauen. Warum also ausgefallene Schmucksymbole daraufmalen. Das mit den Wappen kam erst später, bei den Adeligen.

     

    Bitte aber nicht z.B. Thorshammer und historische Runenalphabete mit in die Nazikiste werfen. Wikingerdarsteller sind im Allgemeinen ernsthaft historisch interessiert. Hier ist immer der Zusammenhang wichtig. Runensteine und Thorshammer sind in Skandinavien und Schleswig-Holstein schlichtweg archäologisches Erbe. Also Vorsicht walten lassen (nicht daß ich dem Autor das vorwerfen würde, ich erwähne es schlichtweg, weil es in dem Zusammenhang wissenswert ist).

     

    Den Wikingerveranstaltungen in Schleswig-Holstein nehme ich ab, daß sie sich ehrlich darum bemühen und daß solche Sachen Ausrutscher sind. In Schleswig wird man jetzt doppelt darauf achten, was an Symbolen gezeigt wird. Gut so.