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Nato stärkt ihre StrukturenFür den Krisenfall nicht gewappnet

Mit Verweis auf die „gewachsene Bedrohung“ durch Russland will die Nato ihre Strukturen und Kapazitäten auch in Westeuropa ausbauen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: Das Militärbündnis sucht einen Standort für ein Logistik-Hauptquartier Foto: dpa

Genf taz | Die Nato dreht das Rad weiter zurück in Richtung Kalter Krieg. In Reaktion auf Russlands Annexion der Krim im März 2014 hatte die Allianz bereits ihre Militärpräsenz in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten verstärkt. Jetzt sollen unter Verweis auf eine angeblich „gewachsene Bedrohung“ durch Russland auch die nach 1990 reduzierten Kommandostrukturen und logistischen Kapazitäten der Nato in Westeuropa und im Atlantik wieder aufgestockt werden. Zudem werden die Fähigkeiten zur schnellen Verlegung von Streitkräften erhöht.

Über eine entsprechende Beschlussvorlage sollten die VerteidigungsministerInnen der 28 Staaten noch gestern Abend auf ihrem zweitägigen Herbsttreffen in Brüssel entscheiden. Die 28 Botschafter in der Nato-Zentrale hatten sie bereits abgesegnet.

Am Donnerstag wollen die Minister eine deutliche Erhöhung der Nato-Truppenkontingente in Afghanistan von derzeit 12.000 auf 15.800 Soldaten beschließen für den bislang erfolglosen Kampf gegen die wiedererstarkten Taliban sowie gegen den „Islamischen Staat“, der immer häufiger Anschläge am Hindukusch verübt.

Die von den Brüsseler Nato-Stäben unter Leitung von Generalsekretär Jens Stoltenberg erarbeitete Beschlussvorlage für die Minister geht von einer zunehmenden Bedrohung der Allianz durch Russland aus. Für den Eventualfall eines russischen Angriffs sei die Nato selbst nach der seit 2014 bereits erfolgten Verlegung von 5.000 Nato-Soldaten nach Polen und in die drei baltischen Staaten sowie der Aufstellung einer schnellen Eingreiftruppe zur Verstärkung dieser Truppenverbände im Krisenfall nicht gewappnet.

Der kürzlich von den Nato-Militärs erstellte interne „Fortschrittsbericht über das verstärkte Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv der Allianz“ zweifelt offen an, dass die schnelle Eingreiftruppe der Allianz derzeit wirklich zügig und effizient reagieren könnte.

Straßen und Brücken verstärken

Jetzt sollen neue Planungs- und Führungszentren für Truppenverlegungen innerhalb Europas sowie für Marineeinsätze im Atlantik aufgebaut werden. Zudem müssten Straßen, Brücken und Schienenstränge so verstärkt werden, dass sie auch von den schwersten Fahrzeugen der Nato und für den Transport von Panzern durch Europa genutzt werden können.

Wo die neuen Hauptquartiere angesiedelt werden und wie viel neues Personal sie bekommen, ist nach Angaben von Generalsekretär Stoltenberg noch offen. Darüber will die Nato im Februar 2018 entscheiden.

Für das neue Atlantik-Hauptquartier werden Portugal, Großbritannien und die USA als aussichtsreiche Standorte gehandelt. Es soll Einsätze steuern können, die im Kriegsfall für einen freien Seeweg zwischen den USA und Europa sorgen können.

Neues Logistik-Headquartier

Stoltenberg deutete an, dass Deutschland wegen seiner „zentralen Lage in Europa“ für das neue Logistik-Hauptquartier durchaus infrage kommt. Von den 33 Hauptquartieren, die es in Zeiten des Kalten Krieges gab, sind laut Nato heute nur noch 7 übrig. Die Personalstärke sank von 22 000 auf 6800 Mitarbeiter.

Über die finanziellen Kosten für die geplanten Maßnahmen zur Aufstockung und Wiedererlangung früherer militärischer Kapazitäten und Fähigkeiten gibt es bei bisher keine offiziellen Angaben. Inoffiziell heißt es, dass die 2014 auf einem Nato-Gipfel vereinbarte Erhöhung der Militärausgaben in allen 28 Mitgliedsstaaten auf mindestens 2 Prozent des Bruttosozialproduktes bis spätestens 2024 nicht ausreichen werde zur Finanzierung dieser Maßnahmen.

Keine Angaben gibt es bislang auch, aus welchen Mitgliedsländern die 3.800 Soldaten kommen sollen, die zur Verstärkung der Nato-Truppen in Afghanistan geschickt werden sollen.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Das mit den Autobahnen ist jetzt nicht so besonders originell, Herr Stoltenberg.

  • Jetzt hatte ich mich daran gewöhnt, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, nun muss ich auch noch begeistert sein, dass deutsche Jagdflugzeuge im Baltikum an der russischen Grenze den Feind im Visier haben.

    Das hat natürlich nichts mit der geschichtsvergessenen neuen aggressiven Außenpolitik zu tun, welche, von den Mainstreammedien flankiert, die schlichten Seelen in der kapitalistischen Einheitspartei Union, Grüne und SPD propagiert wird.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Nun, die russische Führung zeigt eindeutige Bestrebungen, früheres sowjetisches Kolonialterrain wieder "heim ins Reich" zu holen.

    Siehe Krim. Siehe Ost-Ukraine.

     

    Sicher auch, um von internen Themen abzulenken.

     

    Kein Wunder, dass Balten, Polen etc. sich zu Recht Sorgen machen und handfesten Schutz suchen.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @82732 (Profil gelöscht):

      Richtig. Das bedauerliche Versäumnis ist dass nach dem Zusammenbruch des sowjetbesetzten Ostblocks die Chance vertan wurde, die NATO durch ein rein europäisches Verteidigungsbündnis zu ersetzen. Jedenfalls kann Europa als Ganzes den Mittel- und Osteuropäischen Staaten bisher keine glaubwürdige und tragfähige Alternative zum Verteidigungsbündnis NATO bieten.Und das aggressive Verhalten Rußlands verhindert, dass sich diese Alternative übheraupt erst entwicklen kann.

  • Instabile Machthierarchien stabilisieren sich an der Externalisierung ungelöster interner Konflikte.

  • Russlands Verteidigungshaushalt ist zehnmal so groß wie der der NATO, Russland ist an die Grenzen der EU und NATO vorgerückt, Russland hat mehr als 900 Militärstützpunkte in über 150 Ländern gegenüber rund 20 Stützpunkten der USA, Russland versucht die Ukraine aus der NATO herauszubrechen und modernisiert massiv seine Atomwaffen hinsichtlich Zielgenauigkeit und Explosionskraft (klein und "chirurgisch" einsetzbar). Zudem hat Russland Raketenabwehrsysteme rund um die USA und die NATO-Staaten installiert, so dass wir uns bei einem Erstschlag nicht mehr effektiv wehren können. - Danke NATO, dass Du unser Leben und unsere Freiheit wieder schützen wirst.

    • @Lieblich:

      sorry - mein Text beruht auf öffentlichen und offiziellen Quellen. Nur das mit "Russland" war eine Transferaufgabe ...

      • @Lieblich:

        Ein schöner Text, nur ist die Leserschaft leider an der Transferaufgabe gescheitert

      • @Lieblich:

        welchen? nach meiner Interpretation sagt wikipedia es ganz anders...

    • @Lieblich:

      SgH Liebich, nach der von Russland sicher unterwanderten Wikipedia sind die Mengenangaben genau umgekehrt, vgl. http://www.nachdenkseiten.de/?p=37010 ... schauen Sie doch da mal rein und alssen Sie ihren Beitrag löschen...

      sachlich bleiben ist wichtiger als neuerdings überall Moral ins Spiel zu bringen, denke ich mal.

      MfG

    • 9G
      95823 (Profil gelöscht)
      @Lieblich:

      RUSSLAND steht an den Grenzen der NATO? so kann man es natürlich auch interpretieren, das NATO-Truppen jetzt in der Ukraine, Litauen, Lettland, Estland stehen, aber irgendwie finde ich diese Aussage schon recht fragwürdig.

    • @Lieblich:

      Ja, die NATO als Wertegemeinschaft mit zunehmender Erdoganisierung bibbert geradezu vor der Übermacht Russlands.

      Für wie doof halten uns eigentlich diese olivgrünen Transatlantiker und Scharfmacher und kalten Krieger a la v.d.L.?

    • @Lieblich:

      Der Verteidigungshaushalt Russlands ist zehnmal so groß wie der der Nato? Das glaube ich nicht, da hätte ich gerne eine Quelle. Das man in den letzten Jahren verglichen mit der Nato (ohne USA!) massivst aufgerüstet hat, das ist allerdings korrekt. Man muss sich nur die Ausrüstung der Bundeswehr anschauen: teilweise total veraltet. Bei Bündnispartnern schaut´s nicht besser aus. Panzer, Flugzeuge deren Entwicklung in den 70gern begonnen hat, teils noch früher. Von der niedrigeren Quantität von Kriegsgerät und Soldaten ganz zu schweigen. Es ist nicht gut, wenn eine Seite in einem konventionellen Gefecht derart haushoch überlegen ist und auch noch über Atomwaffen verfügt. Das Risiko für Russland, sich irgendwelche wehrlosen Staaten an der Peripherie der Nato einzuverleiben, ist derzeit viel zu gering. Gerade mit Trump als Präsident.

      • @Bulbiker:

        es gibt den NATO-Bündnisfall mit klaren Regeln, wie die NATO reagiert, wenn eines ihrer Mitglieder angegriffen wird. Und die Ausgaben der europäischen NATO-Ländern sind ungefähr doppelt so hoch wie die Russlands. Wenn das zu einer Unterlegenheit führt, sollten bei uns einige Leute vors Kriegsgericht, oder? Nebenbei: Die US-Strategie ist weiterhin, einzige Weltmacht zu sein. Mittel u.a. Regimewechseln in mehreren Ländern. U.a. von Zbigniew Brzeziński in den 90-ern niedergeschrieben. Die letzten 20 Jahre zeigen, wie die USA die Strategie umsetzen.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @Bulbiker:

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