Nato-Gipfel in Madrid: Mehr als politische Prosa

Vor dem Nato-Gipfel in Madrid kündigt Generalsekretär Jens Stoltenberg ein neues strategisches Konzept an – ohne eine Partnerschaft mit Russland.

Ein Mann verlässt ein Flugzeug über eine Treppe

Schon da: US-Präsident Joe Biden am 28. Juni am Madrider Flughafen Torrejon de Ardoz Foto: Jonathan Ernst/reuters

BERLIN taz | Der Tross zieht weiter: Einen Tag nach dem Ende des G7-Gipfels in Elmau startet am Dienstag der Nato-Gipfel in Madrid. In größerer Runde sehen sich dort auch die sieben Staats- und Regierungschefs wieder, die sich gerade erst für vier Tage in Oberbayern getroffen hatten. Sechs der Staaten sind ohnehin Nato-Mitglied; mit Fumio Kishida wird zudem erstmals ein japanischer Premierminister als Gast an einem Gipfel des Militärbündnisses teilnehmen. Angesichts des Ukrainekriegs rücken die Nato-Staaten und ihre Partner zusammen.

„Der Madrider Gipfel wird ein entscheidender sein“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag bei einem ersten Ausblick auf das Treffen der Allianz. „Wir werden ein neues strategisches Konzept beschließen als Blaupause für die Nato in einer gefährlicheren und unberechenbareren Welt.“

Das bisher gültige Konzept – eines der wichtigsten Grundlagenpapiere des Bündnisses – stammt noch aus dem Jahr 2010. Die Weltlage war damals eine andere, das Verhältnis zu Russland erst recht. „Wir wünschen uns eine echte strategische Partnerschaft zwischen der Nato und Russland“, steht in dem Dokument. Dieser Wunsch ist bekanntlich nicht in Erfüllung gegangen.

Die Arbeiten am neuen strategischen Konzept starteten bereits vor Beginn des Ukraine­kriegs, nicht nur in Bezug auf Russland sind neue Grundsätze zu erwarten. China zum Beispiel taucht in der bisherigen gültigen Version überhaupt nicht auf, nicht zuletzt, da sich die Nato traditionell als euro-atlantisches Bündnis sieht. Durch den neuen chinesischen Weltmachtanspruch und die offene Rivalität zwischen Washington und Peking wird sich das ändern und China künftig voraussichtlich als „Herausforderung“ für die Nato bezeichnet.

Im Mittelpunkt des neuen Konzepts wird aber natürlich die Bedrohung durch Russland stehen. „Ich gehe davon aus, dass die Alliierten darin Russland klar als größte und direkteste Bedrohung unserer Sicherheit benennen werden“, sagt Stoltenberg. Dabei geht es nicht nur um unverbindliche politische Prosa: Aus dem Konzept leiten die Nato und ihre Mitgliedsstaaten konkrete politische Maßnahmen ab.

Eingreiftruppe soll deutlich ausgebaut werden

Die „Nato Response Force“ – eine Eingreiftruppe, die im Kriegsfall besonders schnell einsatzbereit sein soll – will Stoltenberg deutlich ausbauen: Bisher besteht sie aus 40.000 Soldat*innen. Künftig sollen es ihm zufolge über 300.000 sein. Die Bundeswehr ist entsprechend einem Rotationsprinzip derzeit größter Truppensteller und stellt rund 16.000 Sol­da­t*in­nen zur Verfügung. Diese Zahl wird wohl deutlich steigen.

Anfang Juni hat Bundeskanzler Olaf Scholz bereits angekündigt, die militärische Zusammenarbeit mit Litauen zu verstärken. Bisher sind dort rund 1.000 deutsche Sol­da­t*in­nen stationiert. In Zukunft soll eine ganze Bundeswehrbrigade – mindestens 3.000 Sol­da­t*in­nen also – für das baltische Land bereitstehen. Teilweise sollen diese Truppen aber in Deutschland stationiert bleiben, sie würden nur temporär nach Litauen rotieren. So oder so: Die Stoltenberg-Ankündigung klingt noch mal nach einer anderen Größenordnung.

Fraglich ist, ob es in Madrid schon zu einem Durchbruch bei der Aufnahme Schwedens und Finnlands kommt. Die beiden skandinavischen Länder wollen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine dem Bündnis beitreten, die türkische Regierung verhindert das bislang jedoch mit einem Veto.

Auf der Suche nach einem Kompromiss war für Dienstagnachmittag ein Treffen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit Stoltenberg, der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö vorgesehen. Ein wichtiger Streitpunkt ist der Umgang mit kurdischen Exilgruppen in den beiden Ländern; Erdoğan wünscht sich von den Skandinaviern stärkere Repressionen.

Angekündigt ist für die Gipfel-Tage allerdings auch ein bilaterales Gespräch zwischen Erdoğan und US-Präsident Joe Biden. Wichtigstes Thema sind dabei laut türkischer Seite Rüstungsexportbeschränkungen der USA. Die Türkei würde gerne amerikanische Kampfflugzeuge kaufen, die US-Regierung verweigert das Geschäft bislang aber.

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