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Nahostexperte über Angriff auf Israel„Iran will keinen offenen Krieg“

Der Angriff Irans auf Israel habe sich abgezeichnet, sagt Iranexperte Raz Zimmt. Jetzt sei entscheidend, wie Israel den Spielraum für Reaktionen nutze.

Attacke: Un­ter­stüt­ze­r*in­nen des Regimes in Teheran bei einer Kundgebung nach dem Angriff auf Israel am Sonntag Foto: Rouzbeh Fouladi/imago
Felix Wellisch
Interview von Felix Wellisch

taz: Iran hat sich über viele Jahre ein dichtes Netzwerk aus Stellvertretermilizen in Nahost aufgebaut, über die das Land Einfluss auf die Region ausübt. Was hat Teheran dazu bewegt, diese Strategie zu ändern und das Risiko eines offenen Krieges mit Israel und den USA zu riskieren?

Raz Zimmt: Die Eskalation hat sich länger abgezeichnet. Seit Monaten sterben bei mutmaßlich israelischen Angriffen in Syrien und dem Libanon immer wieder hochrangige iranische Funktionäre. Der Takt und die Härte der Angriffe nehmen zu und in Teheran mehren sich die Stimmen, die für ein Ende der sogenannten strategischen Geduld sind. Der Luftangriff auf Teherans Konsulat in Damaskus am 1. April, bei dem zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden ums Leben kamen, war der Kipppunkt. Danach konnten sich die Hardliner durchsetzen, die für einen direkten Gegenschlag ohne den Umweg über die Stellvertreter in der Region, wie die Hisbollah oder Milizen in Syrien und dem Irak, waren.

Was will die Führung in Teheran erreichen?

Es ist ein Dilemma: Iran will keinen offenen Krieg mit Israel und den USA und hat sich seit dem Beginn des Gazakriegs zurückgehalten. Gleichzeitig will die dortige Führung ihre militärische Abschreckung wiederherstellen, die Israel in den vergangenen Monaten nicht davon abhalten konnte, iranische Militärs außerhalb Irans anzugreifen.

Im Interview: Raz Zimmt

ist Iranexperte der Tel Aviver Denkfabrik Institute for National Security Studies (INSS) in Israel.

Hat der iranische Schlag in dieser Hinsicht funktioniert?

Einerseits ist er gescheitert, weil Israel und seine Verbündeten fast alle Flugkörper abfangen konnten. Andererseits war es möglicherweise gar nicht das Ziel Teherans, Schaden anzurichten. Dafür spricht auch, dass sie nicht auf Bevölkerungszentren gezielt haben. Auch ohne Treffer war der direkte Angriff mit mehr als 300 Drohnen und Raketen so unerwartet und beispiellos, dass er definitiv die israelische Gleichung verändert hat. Das nächste Mal, wenn Israels Armee und Geheimdienste die Tötung eines Iraners planen, müssen sie die Möglichkeit eines direkten Gegenschlags einbeziehen. Diese Botschaft ist angekommen.

Die iranische Führung erklärte nach dem Angriff, die Angelegenheit sei „abgeschlossen“. Wie wird Israel darauf reagieren?

Die israelische Regierung muss auf solch eine Attacke antworten. Israel steht vor demselben Dilemma wie Iran zuvor. Nicht zu reagieren, stellt die eigene militärische Abschreckung in Frage. Doch einiges spricht gegen einen unmittelbaren Gegenschlag. Da ist zum einen der Druck aus den USA, die einen Gegenangriff nicht unterstützen. Präsident Biden soll das dem israelischen Premier Netanjahu noch in der Nacht am Telefon mitgeteilt haben. Zum anderen ist Israel nach wie vor mitten im Krieg in Gaza und hat dort seine Ziele bisher nicht erreicht. Die israelische Führung hat seit dem Hamasüberfall im Oktober weitestgehend versucht, zusätzliche Fronten zu vermeiden.

Welche Stimmen gibt es dazu in der israelischen Führung?

Wer sich in dieser Frage wie positioniert, ist schwer vorherzusagen. Die Entscheidung liegt beim fünfköpfigen Kriegskabinett. Extreme Hardliner wie der Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, der bereits öffentlich zu einem Gegenschlag aufgerufen hat, sind dort nicht vertreten. Mitglieder wie der ehemalige Oppositionsführer Benny Gantz oder der frühere Armeechef Gadi Eizenkot haben im Gazakrieg bereits mehrfach moderatere Positionen bezogen. Das muss jedoch nicht für Iran gelten.

Ist eine nicht militärische Antwort auf Irans Angriff vorstellbar?

Als Israel 1991 von Saddam Hussein aus dem Irak mit Raketen beschossen wurde, hat die Regierung nicht militärisch zurückgeschlagen, dafür gibt es also Beispiele. Doch damals gab es gute Gründe: Unter anderem hätte es die Mitwirkung der arabischen Staaten in der US-Koalition gegen Bagdad gefährdet. Auch diesmal äußern sich die USA deutlich gegen einen militärischen Gegenangriff auf Iran. Dennoch halte ich einen Verzicht auf eine militärische Antwort für unwahrscheinlich. Die israelische Führung hat aber Spielraum: Der Gegenschlag muss nicht sofort stattfinden und er muss sich nicht zwangsläufig gegen Ziele in Iran richten. Möglich wären zum Beispiel weitere Angriffe auf iranische Einrichtungen in Syrien oder Geheimdienstaktionen.

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17 Kommentare

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  • Natürlich. Egal, was Israel tut, die iranische Botschaft in Damaskus angreifen oder israelische Siedlungen in besetztem Gebiet errichten, das verletzte Völkerrecht darf nicht angesprochen werden. Die Feinde sind die, die daran erinnern, dass Völkerrecht nicht nur für andere gilt. Ganz schön krud.

    • @ecox lucius:

      Jetzt mal abgesehen davon, dass das mehr eine militärische Kommandozentrale von einer Militärmacht ist, die Israel vernichten möchte, denn eine "Diplomatische Vertretung", darf man das alles ansprechen, wie auch Antisemiten hier so ziemlich alles sagen dürfen und man auch alles kritisieren und ansprechen darf. Das Völkerrecht bezüglich der Lage der arabischen Israelis und der besetzten Gebiete wird auch vielfältig angesprochen und die Ansichten in Israel dazu sind ja auch sehr unterschiedlich.



      Die Märchen um die Verstöße gegen das Völkerrecht haben aber 1948 mit der sogenannten Nakba begonnen, bei der man geflissentlich übersieht, dass auch hunderttausende Juden aus den arabischen Nachbarländern nach Israel vertrieben wurden.

      • @Axel Schäfer:

        "...dass auch hunderttausende Juden aus den arabischen Nachbarländern nach Israel vertrieben wurden."



        Und selbst diese Darstellung ist so nicht richtig. Richtig ist, dass viele Palästinenser von den arabischen Streitkräften zum Gehen aufgefordert wurden. Es gibt eine Reihe von Beispielen, wo diese nicht gingen. Die sind heute israelische Staatsbürger.



        Von einer flächendeckenden Vertreibung der Palästinenser durch Israelis kann man also eigentlich nicht sprechen.

  • „Das höchste Kriminalgericht in Argentinien hat den Iran für zwei tödliche Anschläge auf israelische und jüdische Einrichtungen in den 1990er Jahren verantwortlich gemacht. Die Richter urteilten, dass der Iran den Anschlag auf die israelische Botschaft am 17. März 1992 und den Anschlag auf das jüdische Zentrum am 18. Juli 1994 in Buenos Aires angeordnet habe.





    Bei den beiden Anschlägen waren insgesamt mehr als hundert Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden. Die jüdische Gemeinde in Argentinien bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als "historisch". Das Gericht nannte die proiranische Terrormiliz Hisbollah als die Gruppe, die die Anschläge ausführte. Der Iran wurde als "Terrorstaat" bezeichnet. Der Anschlag auf das jüdische Zentrum wird in den Gerichtsdokumenten nach Angaben von örtlichen Medien zudem als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingestuft. Es handelte sich um den Anschlag m



    Bei den beiden Anschlägen waren insgesamt mehr als hundert Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden. Die jüdische Gemeinde in Argentinien bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als "historisch". Das Gericht nannte die proiranische Terrormiliz Hisbollah als die Gruppe, die die Anschläge ausführte. Der Iran wurde als "Terrorstaat" bezeichnet. Der Anschlag auf das jüdische Zentrum wird in den Gerichtsdokumenten nach Angaben von örtlichen Medien zudem als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingestuft. Es handelte sich um den Anschlag mit den meisten Toten in der Geschichte Argentiniens.

    Bei dem Anschlag auf die israelische Botschaft 1992 in Buenos Aires waren 29 Menschen getötet und 242 weitere verletzt worden. 1994 wurden bei dem Bombenanschlag auf das jüdische Zentrum in der Stadt 85 Menschen getötet und 300 weitere verletzt.“

    • @Petcat:

      Danke für die Erinnerung. Meiner Meinung nach wird zu oft vergessen, dass jüdische/israelische Menschen immer noch, 75 Jahre nach der Shoah, überall auf der Welt verfolgt und getötet werden. Nicht, weil sie sich persönlichem oder anderweitigem Fehlverhalten schuldig machen, sondern einfach weil sie jüdisch/israelisch sind.

      Für mich nicht nachvollziehbar.

  • Da hat Herr Raz Zimmt Recht: die Ursache (die fortgesetzten israelischen Tötungen von iranischen Militärs u. Wissenschaftlern, sowie die völkerrechtswidrige Bombardierung des iranischen Konsulats) und die Wirkung (jetziger iranischer Angriff auf Israel) müssen offen benannt werden, u.z. von Presse und Politikern, was leider nur selten passiert und damit die Unterschlagung von Fakten und eine Verdummung der Bürger darstellt. "Deutsche Staatsräson" heisst doch nicht, Wahrheit und den Bruch des Völkerrechts (Bombardierung einer Botschaft) durch eine rechtsextreme Regierung zu unterschlagen.

    • @Rinaldo:

      Wenn den Feinden nichts mehr einfällt, schwallern sie vom "Völkerrecht" ... so fad, wie voraussehbar.

      • @Amra:

        Interessanter Aspekt: "schwalllern vom Völkerrecht"

  • " Nahostexperte über Angriff auf Israel: „Iran will keinen offenen Krieg“ "



    Das fasst es ziemlich gut zusammen.



    Über Irans verdeckte Aktionen ist damit ja schließlich nichts gesagt.

    • @Encantado:

      Warum auch selbst den Kopf hinhalten? Mehr als genug Lakaien reißen sich darum, die Drecksarbeit zu übernehmen, die muss man nur durchfüttern.

  • LoL soviele Ungereimtheiten in dem Interview. Angeblich wurde nur fast alle Raketen/Drohnen abgeschossen. Aber dann es gab keine Treffer. Wer sich internationale Medien außerhalb Europas sich anschaut, das dies eine Lüge ist. Es gab sehr wohl Treffer. Aber ich würde es in der Person suchen, die interviewt einem isr. Sicherheitsexperten eines think tanks. Was soll/darf er auch anderes sagen. Schade taz, dass ihr hier nicht hinterfragt habe.

  • Dem Ajatollah sind die Iranischen Bürger doch vollkommen egal, das die Iraner das nicht bemerken ist schon bitter.

  • „Die Eskalation hat sich länger abgezeichnet. Seit Monaten sterben bei mutmaßlich israelischen Angriffen in Syrien und dem Libanon immer wieder hochrangige iranische Funktionäre. Der Takt und die Härte der Angriffe nehmen zu und in Teheran mehren sich die Stimmen, die für ein Ende der sogenannten strategischen Geduld sind. Der Luftangriff auf Teherans Konsulat in Damaskus am 1. April, bei dem zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden ums Leben kamen, war der Kipppunkt.„



    Da ist was dran. Auf Aktion folgt Reaktion. Und dann sollte man vielleicht auch mal auf die USA hören. Zeit wird’s.

    • @Ernie:

      "Auf Aktion folgt Reaktion."



      Das ist das Credo und das Grundproblem im Nahen Osten. Jede Aktion ist nur eine Reaktion auf vorangegangene Aktionen. Seit Jahrzehnten. Auf allen Seiten.



      Und deshalb hört es auf nicht auf.

      • @Encantado:

        Deswegen meine ich ja, dass man vielleicht auch mal auf die USA hören sollte. Hat nicht Biden gesagt, dass Israel die Abwehr der Geschosse als "Gewinn" ansehen sollte.

  • Der Iran will keinen offenen Krieg, weil er weiß, dass er ihn verlieren würde.

    Hätte er das Potenzial Israel zu vernichten, es wäre schon längst geschehen.

    Neben der extremen Entrechtung und Unterdrückung der Frauen ist der Antisemitismus seine zweite raison d'être.

    • @Jim Hawkins:

      "Der Iran will keinen offenen Krieg, weil er weiß, dass er ihn verlieren würde."

      Möchten Sie das näher ausführen? Hin und wieder wird so getan, als hätte der Iran eine Chance, einen Krieg gegen Israel gewinnen zu können. Ich persönlich glaube das zwar auch nicht, aber bei mir ist es nur ein Gefühl, kein auf Fakten beruhendes Wissen.

      Ich gehe nicht davon aus, dass der Besitz von Atombomben den Unterschied macht oder wie sehen Sie das?

      Seit ich weiß, dass versucht werden kann, Iron Dome überzustrapazieren mache ich mir manchmal Sorgen. Insgesamt scheint Israel über (mindestens?) zehn Iron-Dome-Einheiten zu verfügen. Das erscheint mir so wenig.



      Und dass jede von ihnen nur sechs angreifende Raketen gleichzeitig bekämpfen kann, beunruhigt mich auch etwas.