Nahost-Konflikt bei den Oscars: Geschichte, verzerrt
In seiner Oscar-Rede thematisierte Regisseur Glazer den Nahost-Konflikt. Seine Formulierung wird von 1.000 jüdischen Filmleuten kritisiert.
Deutschland wird mitunter eine übertriebene Haltung nachgesagt, wenn es um den Umgang mit Kritik an Israel geht. Dass zumindest in den USA ähnliche Debatten zum Thema geführt werden, legt ein offener Brief nahe, den mittlerweile über 1.000 jüdische Filmleute, viele davon in Hollywood tätig, unterzeichnet haben. Sie kritisieren darin die Oscar-Preisrede des britischen Regisseurs Jonathan Glazer, wie etwa die Branchenblätter Variety und The Hollywood Reporter berichten.
Bei der Verleihung des Oscars für den besten internationalen Film für seinen Auschwitz-Film „The Zone of Interest“ hatte Glazer bei der Gala am 11. März gesagt, er wollte mit dem Thema im Hinblick auf die Gegenwart zeigen, wohin „Entmenschlichung“ führt. Im gleichen Atemzug sprach er von „Besatzung“ und bezog den Begriff der Entmenschlichung unterschiedslos auf die Opfer des 7. Oktobers wie auf die „fortlaufenden Angriffe auf Gaza“. Für seine Rede hatte Glazer Beifall aus dem Publikum erhalten.
In dem offenen Brief, den unter anderem die Schauspielerin Jennifer Jason Leigh und der Regisseur Eli Roth unterzeichneten, wenden sie sich dagegen, dass ihr „Jüdischsein in Geiselhaft genommen wird, um das Naziregime, das ein Volk (race of people) vernichten wollte, moralisch gleichzustellen mit der israelischen Nation, die ihre eigene Vernichtung verhindern will“. Die zivilen Opfer in Gaza bezeichnen die Verfasser als tragisch und weisen darauf hin, dass das israelische Militär es nicht auf Zivilisten abgesehen habe, sondern auf die Hamas.
Moderne „Blutlegende“
Weiter schreiben sie, dass die Verwendung des Begriffs „Besatzung“ für die Beschreibung „eines indigenen jüdischen Volks, das eine Heimat verteidigt, die Tausende von Jahren zurückreicht und von den Vereinten Nationen als Staat anerkannt wurde“, geschichtsverzerrend sei. Damit werde – in Anspielung auf die verschwörungstheoretische Ritualmordlegende, nach der Jesus Christus von Juden getötet worden sein soll – die moderne „Blutlegende“ befördert, die „einen wachsenden antijüdischen Hass rund um die Welt, in den Vereinigten Staaten und in Hollywood“ befeuere.
Der Brief schließt mit dem Satz: „Das gegenwärtige Klima eines wachsenden Antisemitismus unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit des jüdischen Staates Israel, eines Orts, der uns immer aufnehmen wird, was kein Staat getan hat während des Holocaust, der in Herrn Glazers Film dargestellt wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid