Nachruf auf US-Rapper Young Dolph: König von Memphis
Der US-Südstaatenrapper Young Dolph wurde am Mittwoch bei einer Schießerei getötet. Ein Nachruf auf einen eigenwilligen Künstler.
Die HipHop-Szene hat einen eigenständigen Künstler und glaubwürdigen Charakter verloren. Der Rapper Young Dolph genoss in seiner Heimatstadt Memphis seit Langem Legendenstatus und war auf dem Weg, zu einem Aushängeschild des US-Rap zu werden. Am Mittwoch wurde er in einer Bäckerei seiner Heimatstadt erschossen, er wurde nur 36 Jahre alt.
Geboren als Adolph Thornton Jr. 1985 in Chicago, zog er mit seiner Familie im Kindesalter in den Süden, wo er bei der Großmutter aufgewachsen ist. Er hatte als Kind auch gesehen, wie seine Eltern Drogen konsumiert hatten. „Kannst du dir vorstellen, wie es meiner über 70-jährigen Großmutter ergangen ist, als sie mich und meine beiden Geschwister alleine im Ghetto großgezogen hat, inmitten von Ganggewalt und Drogen?“, hat er oft in Interviews erzählt.
Auch Young Dolphs Weg in den Teufelskreis aus Drogen und Gewalt schien vorgezeichnet. Dann fand er allerdings Erfüllung beim Rappen. Sein Debütalbum „Paper Route Campaign“ wurde 2008 veröffentlicht und heimste viele gute Kritiken ein.
Schon damals pochte Young Dolph auf künstlerische Freiheit und finanzielle Unabhängigkeit und gründete bald darauf seine eigene Plattenfirma Paper Route Empire. Der spezifische Südstaaten-Rap-Flow sollte nicht verbogen werden und unabhängig von Majorlabels vermarktet werden.
Ein gewisser Elvis
International aufmerksam wurde man auf Young Dolph, als er beim Song „Cut It“ seines Rap-Kollegen O. T. Genasis gastierte. 2017 kam dann das Studioalbum „King of Memphis“, mit dem wurde er weltberühmt. Den Titel König beanspruchte vor ihm schon mal jemand aus Memphis: ein gewisser Elvis Presley. Heute ist die Stadt wieder berühmt für ihre eigenständige Musikszene. Am bekanntesten ist das einflussreiche HipHop-Kollektiv Three Six Mafia.
Young Dolphs Rap-Flow klingt unnachahmlich, ihn zeichnet einerseits Schwere in der Diktion aus, andererseits besticht er durch schrägen Humor. Anders als viele Egoshooter blieb Young Dolph selbstkritisch, was seinen Erfolg anbelangt, aber auch die Missgunst der Konkurrenz, die ihm den Erfolg nicht gönnte, beschäftigte ihn in seinen Reimen. Er war durchsetzungsfähig, ohne dafür jemals schreien zu müssen.
Oft rappte er auch so langsam, dass man nicht unterscheiden konnte, ob er gerade sprach oder doch Sprechgesang angestimmt hatte. Seine sonore Stimme verlieh den Aussagen mehr Gewicht.
Verächtliche Reaktion
Auch als er bereits etabliert war, konnte Young Dolph der Gewalt nicht entfliehen. 2017 überlebte er ein Attentat, dank eines gepanzerten Fahrzeugs. Verächtlich reagierte er mit dem Song „100 Shots“. Gewalt war nicht sein einziges Thema. Im Lied „Sunshine“, veröffentlicht im März 2020, rappt er über die Coronapandemie. „Gott, bitte wache über die Krankenschwestern und Ärzte an der Front.“
Als er am Mittwoch von vermutlich zwei Männern erschossen wurde, hatte er keinen Schutzengel. Seine Ermordung führte zu Unruhen in Memphis. Bewaffnete Gangs zogen durch die Stadt und feuerten wild durch die Gegend. Die Bevölkerung von Memphis reagierte bestürzt über die Nachricht des Mordes. Aber auch für die weltweite HipHop-Gemeinschaft ist sie ein tiefer Schock.
Memphis hat den zweiten König verloren. Sein Name war Adolph Robert Thornton Jr. alias Young Dolph.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz