Nachruf auf Osvaldo Bayer: Der argentinische „Unruhestifter“
Der Journalist, Autor und Menschenrechtsaktivist hat sich vor allem für Argentiniens Ureinwohner eingesetzt. Zeitweilig lebte er im deutschen Exil.
Geboren am 18. Februar 1927 in der Stadt Santa Fe, zog die aus Tirol stammende Familie später nach Buenos Aires. Geprägt haben den kleinen Osvaldo die Erzählungen seines Vaters. Der hatte als Sozialist die Streiks der LandarbeiterInnen für bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Patagonien miterlebt.
Osvaldo hörte seinen Vater von der blutigen Niederschlagung samt den Hinrichtungen von 1.500 Streikenden durch Polizei und Militär und der Straflosigkeit der Täter erzählen. Später begann er mit der Recherche dieses verschwiegenen blutigen Kapitels der argentinischen Geschichte.
Dreizehn Jahre spürte er den Geschehnissen nach, die er schließlich in dem vierbändigen Werk „La Patagonia rebelde“ (Aufstand in Patagonien) niederschrieb und das in den Jahren von 1972 bis 1975 erschien. „Mein Vater konnte die vier Bände noch lesen, bevor er starb,“ sagte er zufrieden in einem Interview.
Berichte zugunsten der Landarbeiter
Schon bei seinen journalistischen Anfängen geriet Bayer in Konflikt mit den Mächtigen. Im Diario Esquel, dem Lokalblatt einer Kleinstadt in der südlichen Provinz Chubut, verteidigte er die Proteste der LandarbeiterInnen und prangerte ihre miesen Löhne an.
Tags darauf erteilte ihm die Gendarmerie die Anweisung, Esquel binnen 24 Stunden „wegen Unruhestiftung“ zu verlassen. Bayer ging wieder nach Buenos Aires, arbeitete dort zunächst bei der Zeitung Clarín, später bei Página/12.
1976 putschten sich die Militärs an die Macht. Freunde, Bekannte und KollegInnen wurden verhaftet, ermordet oder tauchten schlicht nicht wieder auf. „La Patagonia rebelde“ wurde verboten und später gar verbrannt.
Bayer hatte schon vor dem Putsch Drohungen erhalten. 1975 ging mit seiner Familie ins Exil nach Deutschland. Ein Land das er kannte, von 1952 bis 1956 hatte er in Hamburg Philosophie und Geschichte studiert.
Kampf gegen die Militärdikatur
Von Bonn aus engagierte er sich gegen die Militärdiktatur. Zurück in Argentinien war er der jungen Generation kaum bekannt. Doch der Aufschwung der Menschenrechtsbewegung gerade in der Ära der Kirchner-Regierungen (2003-2015) machte auch Osvaldo Bayer wieder bekannt.
Der staatliche Fernsehkanal Encuentro widmete ihm eine mehrteilige Doku-Reihe. 2010 erscheint der Film „Awka Liwen – Aufstand im Morgengrauen“. Bayer schildert darin die Vernichtung der Urbevölkerung der Pampa und Patagoniens sowie den Raub und die Enteignung ihres Landes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wieder zeigt er klar, wer Opfer und wer Täter ist.
Wie kaum ein anderer bürstete Bayer die argentinische Geschichte gegen den Strich. Beispielsweise im Hinblick auf den Nationalhelden Julio Argentino Roca. Der General und Präsident war verantwortlich für den Ausrottungsfeldzug gegen die Urbevölkerung im Süden des entstehenden Staates.
Bayer zählte nicht nur seine Verbrechen auf, er setzte sich für die Abschaffung der Denkmäler und die Umbenennung der Straßen ein, die Rocas Namen tragen. Unvergessen die Videomontage, die einen sichtlich zufriedenen Bayer zeigt, während im Hintergrund die Roca-Statue in der Hauptstadt vom Sockel gesprengt wird.
Rückzug in „Das Loch“
Der Tod von Bayers Frau Marlies Joos im Jahr 2015 war ein schwerer Schlag. Mit ihr hatte er vier Kinder. Trauernd über den Verlust und dem eigenen Alter Tribut zollend, zog sich Bayer mehr und mehr in sein Haus im Stadtteil Belgrano zurück, das er auf den Namen „El tugurio – Das Loch“ getauft hatte.
Dass seine zweite Leidenschaft, der Fußballclub Rosario Central, am 6. Dezember mit dem gewonnenen Pokalfinale nach vielen Jahren endlich wieder einen Titel holte, dürfte ihn noch einmal kräftig gefreut haben. Am 24. Dezember ist er im Alter von 91 Jahren gestorben.
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