Polizeigewalt in Argentinien: Härte gegen Händler aus Senegal

In Argentinien werden Straßenhändler aus dem Senegal häufig zu Opfern von Polizeigewalt. Aber sie wissen sich zu wehren.

Straßenhändlerin mit Protestschild

Hoffen auf einen würdevolleren Ort für ihre Arbeit: Straßenhändler in Buenos Aires 2017 Foto: Imago Images/Zuma/Claudio Santisteban

BUENOS AIRES taz | Jawara lässt seine T-Shirts im schwarzen Plastiksack. Aufmerksam beobachtet er die patrouillierenden PolizistInnen auf der anderen Straßenseite. Jawara (Name geändert, die Red.) ist einer von rund 14.000 ambulanten HändlerInnen im Großraum von Buenos Aires.

Er ist wortkarg. Wenn er spricht, dann in Wolof, seiner Muttersprache. Ein paar Brocken Spanisch kann er inzwischen. Für die Polizei ist der Senegalese ein mantero, ein illegaler Straßenverkäufer. Mantero ist abgeleitet von manta, der Decke, auf der der 28-Jährige auf dem Gehweg seine Waren ausbreitet und die er schnell zusammenraffen und in den Plastiksack stopfen kann.

Im Stadtteil Flores im Südwesten von Buenos Aires reihen sich Groß- und Einzelhandelsgeschäfte aneinander, ergänzt durch das Angebot vieler Straßenhändler. Verkauft werden vor allem Bekleidung und Schuhe in allen Preisklassen. Entsprechend groß sind Kundenandrang und Nachfrage.

Seit Jahren gehen Behörden, Polizei und Justiz immer härter gegen den ambulanten Straßenhandel vor. Einen Dialog mit der Stadtregierung gibt es nicht. 2012 organisierten sich die StraßenhändlerInnen als „Vendedores Libres“ (freie Verkäufer). Die alternative Gewerkschaft des informellen Sektors zählt heute 1.200 Mitglieder. Einmal pro Woche ist Versammlung. „Und wenn nötig, machen wir spontan eine Versammlung auf der Straße“, sagt Generalsekretär Omar Guaraz. Immer wieder geht es um die kurzzeitigen Festnahmen und die Verfahren, die die Justiz einleitet, um mit einer Abschiebung zu drohen.

Chanel lud in die französische Botschaft, um Polizei und Justiz zu danken

Seit zehn Jahre ist Guaraz Straßenhändler. „Jawara und ich, wir teilen uns diesen Hauseingang“, schmunzelt er. „Die Stadtregierung bietet alles auf, um den Straßenhandel auszumerzen, sie vertreibt, verhaftet, beschlagnahmt“, sagt Gua­raz. Im April 2018 wurden 28 Senegalesen, vier Peruaner und zwei Argentinier bei einem riesigen Polizeieinsatz geschlagen, gefesselt und festgenommen. Auf dem Kommissariat wurden sie in Handschellen für Stunden ohne Wasser, Essen oder Zugang zu Toiletten eingesperrt, erzählt Guaraz.

5.000 SenegalesInnen

Das Handy-Video ist verwackelt. Es zeigt, wie eine Menschenmenge die Festnahme eines Afrikaners durch die Polizei verhindert. Am Ende brandet Applaus auf. Der Vorfall ereignete sich am 7. August in der Stadt La Plata, 65 Kilometer von Buenos Aires entfernt. „Solche Szenen erleben wir fast täglich“, sagt Omar Guaraz. Die wenigsten enden so wie die in La Plata. Meist blieben Blutlachen auf den Gehwegen zurück. Angst zu verbreiten sei die Taktik von Polizei und Behörden, besonders unter den senegalesischen Händlern „Das ist nicht einfach nur blanker Rassismus. Die Senegalesen haben keine Angst. Das wollen sie brechen“, sagt er.

Rund 5.000 SenegalesInnen leben in Argentinien. Ihre Asylanträge werden in der Regel abgelehnt. Das Verfahren kann sich jedoch über viele Jahre hinziehen. Ihr Aufenthaltsstatus in dieser Zeit schließt eine Abschiebung aus und erlaubt eine Beschäftigung.

Informeller Straßenhandel ist in Argentinien kein Delikt. Solange die ambulanten HändlerInnen mit ihrem Angebot für die umliegenden Geschäfte keine unmittelbare Konkurrenz darstellen, sind sie zu dulden. Wer jedoch von einer Patrouille verscheucht wird, aber an anderer Stelle sein Angebot wieder auslegt, handelt gegen eine offizielle Anweisung. „So stellt die Polizei jenen Ordnungsverstoß her, den sie für eine Festnahme braucht“, sagt Guaraz. Von den 2018 vorübergehend festgenommenen 1.200 HändlerInnen stammten 1.100 aus dem Senegal. „Wegen ihrer Hautfarbe erkennt man sie sofort“, sagt Omar Guaraz.

Jawara hatte bislang Glück. Aber schon mehrfach wurde ihm seine Ware abgenommen. Markenpiraterie lautet stets die Begründung für die Beschlagnahme seiner T-Shirts, auf denen bekannte Logos prangen. Einige dieser Firmen drängten die Justiz zum Eingreifen – mit Erfolg. Der Modekonzern Chanel lud vergangenen April in die französische Botschaft, um den Chefs der Gendarmerie und der Stadtpolizei zu danken.

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