Nachruf auf David Crosby: Westcoast-Hippie mit Engelsstimme

Nach langer Krankheit ist David Crosby gestorben. Mit den Byrds und als Teil von Crosby, Stills, Nash & Young beeinflusste er die Gegenkultur.

David Crosby bei einem Konzert

David Crosby bei einem Konzert in New York 2008 Foto: Diane Bondareff/ap/dpa

Sein Gesang bei den Byrds hat etwas Leichtes und Luftiges. Scheinbar unschuldig rotbäckchenhaft klang er, engelsgleich, aber mit Verve, dabei verfügte der 1941 in Los Angeles geborene David Crosby, als er mit dem kalifornischen Quintett 1964 und den beiden Songs „Mr. Tambourine Man“ (die umarrangierte Fassung des gleichnamigen Dylan-Songs) und „All I really want to do“ in die Charts kam, wie die anderen Bandmitglieder bereits über Erfahrung im Musikbiz.

Der Gitarrist und Sänger war Teil des Kreativteams um „Exotica“-Komponist Les Baxter gewesen. Die Byrds galten spätestens 1965 als die US-Antwort auf die Beatles. Sie sangen nicht nur schön und machten angetörnten Folkrock, der in punkto Songwriter-Raffinesse aus der Masse herausstach, die „notorischen Byrd-Brüder“, wie ein späteres Album betitelt war, kamen auch cool und selbstbewusst daher und gleichzeitig super-introvertiert.

Mehr als die anderen Künst­le­r:in­nen jener Zeit legten die Byrds in ihrem Sound auch die Wurzeln offen: Sie kannten und mochten die unglaublich seltsamen Musik-Traditionen des alten Amerika: Blues, Folk, Jazz und Country&Western. Und dieses Wissen hörte man ihren Eigenkompositionen wie „Feel a whole lot better“ vom Debütalbum 1966 auch an.

Die Vergangenheit war ihnen keine Last, sondern wurde von den Byrds sanft versponnen in die angespannte Gegenwart der 1960er transferiert. Die USA steckten knietief im Vietnamkrieg und schlugen sich mit der Paranoia des Kalten Krieges herum. Die Musik der Byrds stellte sich gegen gegen das Misstrauen und beschwor die (alternative) Gemeinschaft.

Die Künstler waren informiert über das Zeitgeschehen und protestierten mit ihrer Musik gegen die „moralische Autorität“ der Mehrheitsgesellschaft. Hippies im Wortsinn, kamen sie etwas verdaddelt daher und verdrogt, aber immer kreativ.

Mann, hatten die Koteletten!

Ihr Folkrock vertrug sich prima mit der Imagepolitik: Fransenlederjacken und Clark-Desertboots, Jeansjacken und Koteletten. Mann, hatten die Koteletten! Und Crosby, das Walross, war einer der ersten Westcoast-Hippies mit einem Pornobalken.

Ja, das Wassermannzeitalter begann die Synapsen zu fluten, und die Byrds spielten vier tolle Alben ein, die erfolgreich waren und zugleich einflussreich wurden. „Turn Turn Turn“, „8 Miles High“, die Hits purzelten, aber das Personalkarussell begann sich zu drehen, die Erfolge stiegen den Musikern zu Kopfe.

Als erstes stieg Gene Clark aus, auch Crosby überwarf sich im Revoltejahr 1968 mit Jim McGuinn, der seinen Vornamen aus religiösen Gründen in Roger änderte. Auf dem Cover von „The Notorious Byrd Brothers“ wurde Crosby im Foto von einem Pferd ersetzt. Der Autor Neil Nixon munkelt gar, Crosbys „kosmische Neigungen“ hätten seiner Mitgliedschaft in der Band ein Ende bereitet.

Auch das Publikum war angetörnt

Jedenfalls gründete er bereits 1969, möglicherweise im Haus von Joni Mitchell, Crosby, Stills & Nash. Eine der ersten transatlantischen Hippie-Supergruppen mit Stephen Stills, Graham Nash von den britischen Hollies, etwas später stieß auch noch der Kanadier Neil Young hinzu. Die Songs wurden länger und gefühlvoller, der Gesang immer mehrstimmiger, das nun gleichsam angetörnte Publikum hatte für alle Kapriolen vollstes Verständnis.

Crosby, Stills, Nash & Young traten auch in Woodstock auf, ihre Performance trug zur Legendenbildung des Festivals bei. Das tat auch das Debütalbum „Déja Vu“ mit seinen Songs voller Antikriegsrhetorik und regierungskritischer Botschaften, etwa der Song „Ohio“ aus der Feder von Neil Young, der als Reaktion auf die Erschießung von vier Stu­den­t:in­nen durch die Polizei an der Kent State Universität 1970 komponiert war.

Trotz des großen Erfolges begannen die Rivalitäten der Musiker untereinander bald seltsame Blüten zu treiben. Young stieg wieder aus und forcierte seine Solokarriere. Auch wenn es in der Folge zu Versöhnungen, Reunion-Konzerten, Tourneen und Alben kam, genau so oft war der Wurm drin.

Die Stimme wiederfinden

Crosby hatte schon den 1960ern Erfahrungen mit harten Drogen gemacht, Suchtprobleme begleiteten ihn spätestens in den 1970ern, er fand den Ausstieg nicht, in 1980ern brachten ihn Vergehen im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum auch in den Knast. Mitte der 1990er unterzog er sich in Folge dessen einer Lebertransplantation.

In dem sehenswerten Dokumentarfilm „Remember My Name“ lässt sich erahnen, wie schwierig es für ihn war, sich nach langer Sucht zurückzukämpfen und seine Stimme wiederzufinden, auch diese, sein Markenzeichen, hatte er aufgrund der verdammten Drogen zwischenzeitlich verloren. Am 19. Januar wurde bekannt, dass David Crosby 81-jährig nach langer Krankheit gestorben ist.

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