Nachfolger für 9-Euro-Ticket in Berlin: Zurück im deutschen Tarifdschungel
Berlin führt einen Nachfolger für das populäre Ticket ein. Doch er kostet 29 Euro und gilt nur in Berlin. Das liegt an der schlechten Vorbereitung.
B eim 9-Euro-Ticket hat man gesehen, wie schön Politik sein kann: Der Bundesverkehrsminister greift tief in die Kasse und spendiert dem Land für den Sommer eine billige und höchst einfach zu handhabende All-Inclusive-Fahrkarte. Klar gab es am Anfang auch berechtigte Kritik, schließlich handelt es sich um einen FDP-Minister. Aber das legte sich schnell. Ein Politiker als Macher, dazu jubelndes Volk: Das 9-Euro-Ticket war Politik nach Gutsherrenart.
Wenn's um Gutsherren- und Gutsfrauenart geht, ist die Berliner SPD nicht weit. Was Wissing kann, können wir schon lange, dürften sich die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und ihr Co-Parteichef Raed Saleh (SPD) gedacht haben, als sie Mitte August einen Nachfolger für das Billig-Ticket versprachen, zumindest für Berlin. Ohne freilich das Prozedere zu kennen oder auch nur zu erahnen, wie in der Hauptstadt und dem Umland Nahverkehrstickets beschlossen werden, und ohne die Idee mit der Koalition und Brandenburg abzusprechen.
Das Ergebnis des Vorstoßes ist seit Donnerstag bekannt: Für 29 Euro monatlich können die Berliner*innen von Oktober bis Dezember im Stadtgebiet mit BVG und S-Bahn unterwegs sein. So weit, so gut. Die SPD bejubelt zumindest schon mal sich selbst, auch die Grünen machen gute Miene zum nicht ganz uneigennützigen Spiel des Koalitionspartners.
Doch dass das Berlin-Ticket ein ähnlicher Erfolg wird wie sein Vorgänger und Saleh und Giffey dafür umjubelt werden, ist unwahrscheinlich: Es ist schlicht zu kompliziert. Das fängt mit dem Geltungsbereich an: Für Menschen mit Bezug nach Brandenburg oder auch nur in den Speckgürtel reicht die Fahrkarte nicht, weil das Land Brandenburg nicht mit ins Boot geholt wurde und sogar nur mühsam von einer Blockade abgehalten werden konnte.
Und es geht mit der Bezahlung weiter: Das Ticket gibt es nur im dreimonatigen Abo, das auch noch rechtzeitig gekündigt werden muss. Finanziell entlasten in Zeiten der Energiekrise wird es vor allem jene, die bereits ein Monatsabo der BVG besitzen. Das ist nicht schlecht, unterstützt aber viel weniger Menschen als im Sommer.
Am Ende ist der Berliner Vorstoß vor allem ein – für die Landeskasse recht teurer – Appell an den Bund, den Tarifdschungel in Deutschland zu lichten und den Druck auf den Verkehrsminister und die Bundesregierung insgesamt hoch zu halten, eine bundesweite Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket umzusetzen. Giffey und Saleh dürften derweil gelernt haben: Gönnerhafte Politik nach Gutsfrauen- und -herrenart bringt nicht automatisch Jubel.
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