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Nach der Parlamentswahl in GriechenlandErneut ein Bündnis mit den Rechten

Syriza hat eine überraschende Mehrheit erreicht. Alexis Tsipras verspricht „Hartnäckigkeit“ im Kampf gegen die Schuldenkrise.

Alexis Tsipras bein Urnengang. Foto: dpa

Athen afp| Nach dem überraschend deutlichen Sieg der linksgerichteten Syriza bei der Parlamentswahl in Griechenland zeichnet sich eine rasche Regierungsbildung ab. Syriza-Chef Alexis Tsipras kündigte am Sonntagabend in Athen in Übereinstimmung mit der rechtspopulistischen Anel an, beide Parteien wollten ihre Koalition erneuern.

Nach Auszählung fast aller Stimmen landete Syriza deutlich vor der konservativen Nea Dimokratia (ND) und bestimmt damit weiterhin Griechenlands Kurs in der Schuldenkrise.

Nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmzettel kam die Partei des im August zurückgetretenen Regierungschefs Tsipras auf 35,53 Prozent der Stimmen, wie am Montag mitgeteilt wurde. Die konservative Nea Dimokratia wurde demnach zweitstärkste Kraft, reichte mit 28,05 Prozent aber nicht an Syriza heran. Die Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) landete mit 6,96 Prozent und voraussichtlich 18 Abgeordneten erneut auf dem dritten Platz. Die Wahlbeteiligung lag bei der zweiten Parlamentswahl in diesem Jahr bei rund 56 Prozent.

Tsipras dürfte damit am Montag mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Der Syriza-Stimmenanteil reicht aber wohl nicht für eine absolute Mehrheit im Parlament – auch wenn die stärkste Partei einen Bonus von 50 Mandaten erhält. Mit voraussichtlich 145 der 300 Sitze im Parlament ist Syriza erneut auf einen Koalitionspartner angewiesen. Er und der bisherige Syriza-Koalitionspartner, die Unabhängigen Griechen (Anel), kündigten bereits eine Neuauflage ihrer Koalition an.

„Klares Mandat“

„Das griechische Volk hat ein klares Mandat erteilt, uns von dem zu befreien, was uns in der Vergangenheit gefangen genommen hat“, sagte Tsipras bei einer Siegesfeier in Athen vor hunderten Anhängern. Er müsse nun mit „viel Arbeit, Hartnäckigkeit und Kampf“ Griechenland aus der Krise führen.

Nach seinem Wahlsieg telefonierte Tsipras mit Frankreichs Staatschef François Hollande, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) und dem österreichischen Kanzler Werner Faymann. Hollande kündigte einen Besuch in Athen an, der „zweifellos in den kommenden Wochen“ stattfinde. Schulz (SPD) und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem forderten im Kurznachrichtendienst Twitter eine rasche Regierungsbildung in Athen.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warnte Tsipras eindringlich davor, von seinen Reformzusagen abzurücken und Kontrollen zu verweigern. „Andernfalls werden die Kredite nicht ausbezahlt“, sagte Hasselfeldt den Zeitungen der FUNKE Mediengruppe (Montagsausgabe). Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), sagte der Mediengruppe, die Regierungsbildung dürfe „nicht zu einem Tempoverlust“ im Reformprozess führen.

Glückwünsche von Podemos

Glückwünsche bekam Tsipras unter anderem vom Generalsekretär der linksgerichteten spanischen Partei Podemos, Pablo Iglesias. Auch in Portugal und Irland, wo wie in Spanien in den kommenden Monaten gewählt wird, wurde die Wahl in Griechenland mit großem Interesse verfolgt. Diese drei Länder sahen sich in den vergangenen Jahren ebenfalls zu harten Reformen zur Sanierung ihres Staatshaushalts gezwungen.

In Umfragen war bis zuletzt ein knappes Rennen zwischen Syriza und der ND von Evangelos Meimarakis vorausgesagt worden. Tsipras hatte im August mit seinem Rücktritt den Weg für die vorgezogenen Neuwahlen freigemacht, nachdem ihm im Streit um die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern ein Teil seiner Partei die Gefolgschaft verweigert hatte. Der linke Flügel, der sich zur Partei Volkseinheit abspaltete, warf Tsipras vor, sich den Kreditgebern gebeugt zu haben. Die Volkseinheit scheiterte am Sonntag allerdings an der Dreiprozenthürde.

Syriza war im Januar mit dem Versprechen stärkste Kraft geworden, die schmerzhafte Sparpolitik zu beenden. Im Juli schloss Tsipras dann aber trotz eines Nein-Votums der Bevölkerung ein Abkommen mit den Geldgebern, um neue Finanzhilfen in Höhe von 86 Milliarden Euro zu erhalten.

Das neue Parlament soll am 1. Oktober zusammentreten. Es wird sich mit weiteren Spar- und Reformmaßnahmen sowie mit der Aufhebung der seit Juni bestehenden Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland beschäftigen müssen.

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14 Kommentare

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  • Herrlich ! Jedoch die Neoliberalen und deren Presse/Medien in der EU sind nun arg gefordert um SYRIZA ins negative Zwielicht zu setzen! Es geht um die Existenz Linker Haltungen in der EU Realpolitik ! Der Herbst ist jedenfalls nicht langweilig... V

  • Hat ja gut funktioniert, die Koalition. Also warum nicht fortsetzen? Und so rechts wie Anel ist mancher bajuwarische Unionsjodler schon lange.

     

    Politisch schwerer wiegt, daß Varoufakis weg ist.

  • Für uns mag der Wille der Griechen seltsam anmuten, aber ich finde das durchaus nachvollziehbar.

     

    Die Griechen wollen ein Ende der schlimmen Situation aber auch den Euro! Dieses Bekenntnis sollte man wertschätzen. Ob man dazu ein Bündnis mit den Rechte eingehen muss, ist allerdings eine andere Frage.

  • Hö, hö, hö - alle diese verdrehten Rechtsbürgerlichen sind komplett auf ihre Schnauze gefallen. Wie schön doch! Hoffentlich ist das in Deutschland 2017 auch so! Die Angie und der Wolfgang in Berlin werden sich überbeissen - wie gut gemacht von den Griechen und dem Tsipras!

     

    Das Ergebnis ist absolut das Beste, dass Griechenland und dem Euro je passieren konnte. Bravo dem griechischen Volke und Tsipras.

    Du lehrst den Rechten in Europa das Fürchten.

     

    Grexit-Drohungen, Griechen-Bashing, Troikaner, Capital Controls, Banken-Schließung und 60 Euro pro Tag... und doch haben die Griechen nicht nachgegeben.

     

    Was für ein starkes Volk die Griechen! Tsipras, jung, dynamisch und noch nicht so politikversaut wie die alte Garde hat die Voraussetzungen für einen Politik-Wechsel in der Eurozone geschafft. Möge ihm alles gelingen, was für die Griechen und die Südeuropäer gut und segensreich ist!

     

    Die Spanier und die Podemos werden es den Griechen und Tsipras demnächst nachmachen. Ein neues Europa ist gerade geboren worden.

     

    Lachen sollte man, wenn man an den getürkten Umfragen denkt. Ein Kopf an Kopf Rennen hätte es beim Referendum und den griechischen Wahlen geben sollen. Auch dieser fiese Trick misslang!

     

    Die Griechen haben nun gesprochen, jetzt sind die Spanier und Portugiesen in den kommenden Monaten an der Reihe. Dann wird es mit der Achterbahn erst recht beginnen...

     

    Zeus verführte Europa, ich bin neugierig wie es weiter gehen wird.

    • @styl styl:

      Ich denke dann wird es auch in Deutschland nicht mehr lange dauern bis man die aktuelle Regierung absetzt und umschwenkt.

       

      Und am Ende haben wir dann eine Transferunion in der alle Nettoempfänger sind - alle profitieren, niemand zahlt, es gibt keinen Grund mehr für Neid und Mißgunst. Das ist die finale europäische Einigung, also quasi der Europäische Traum.

       

      Ich bin mir nur nicht ganz sicher wo den Rechten das Fürchten gelehrt wird, liegen sie doch mit Syriza im Bett, während die AfD hierzulande nichtmal eine konstruktive Zusammenarbeit angeboten wird.

      • @Questor:

        Sie haben recht, in ein Europa der "Vereinigten Staaten" würden alle profitieren und Nettoempfänger sein. Das ist aber kein Traum der fernen Zukunft, sondern eine unabdingbare historische Notwendigkeit damit Europa die nächsten Jahrzehnten ohne auseinanderzufahlen überleben kann...

         

        Tsipras blieb keine andere Wahl als mit den "Unabhängigen Griechen - ANEL" die Regierung zu bilden. Die anderen Parteien in Griechenland waren von Oligarchen kontrolliert oder historisch zu sehr korrumpiert - außer warscheinlich der kommunistische Partei KKE und der LAE, die wegen ihrer Rethorik "zurück zur Drachme" an der 3%-Hürde scheiterte. Außerdem, hat mit 3,7% die ANEL kaum ein relevantes Gewicht in Tsipras Regierung.

         

        Niemand will Kammenos verteidigen, doch die ANEL ist auf keinen Fall die AfD. Sie ist auch nicht die CSU. Sie wäre evtl. derjenige Teil der CDU, der von ihr ausgeschlossen wäre, weil er sich gegen Merkels Politik entgegenstellte...

         

        m.a.W. die politische Karriere von Kammenos:

        "Bei der Parlamentswahl1993 wurde Kammenos erstmals als Abgeordneter der Nea Dimokratia ins Parlament gewählt. 2011 wurde Kammenos von der von Samaras einberufenen Kommission „Pflichtkodex“ aus der ND-Fraktion ausgeschlossen, da er bei einer Vertrauensabstimmung gegen die Koalitionsregierung gestimmt hatte. 2012 wurde er mit 20 anderen Abgeordneten aus der ND entlassen, da sie auch gegen das „Memorandum 2“ gestimmt hatten. 2012 gründete er eine neue Partei mit dem Namen „Anexartiti Ellines - ANEL“ ("Unabhängige Griechen"), die ein Ende der Troika in Griechenland anstrebt."

  • "CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warnte Tsipras eindringlich davor, von seinen Reformzusagen abzurücken und Kontrollen zu verweigern."

     

    Das ist der Stoff, aus dem Tsiparas seine Siege ableiten kann. Aber das Kernproblem ist doch, dass Syriza nicht wirklich die Probleme lösen kann, schließlich geht es um eine EU-Währung. Griechenland hat da alle anderen Staaten an der Backe und muss irgendwie einen Kompromiss schaffen. Aber den wollen viele Griechen gar nicht.

     

    Ich kann mir nicht helfen, aber das Ganze wird doch immer hilfloser und die Griechen können Merkel oder Cameron nicht abwählen - das ist für sie nicht erreichbar. Auch die CSU-Politikerin kann ihre sonderbaren Ideen weiter ventilieren, auch sie muss den Nachweis gar nicht bringen, dass sie Substanz hat. Auch das ist ein großes Problem.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Als Wahlsieger der griechischen Parlamentswahl würde ich mir "wohlmeinende Ratschläge" einer CSU-Landesgruppenchefin verbitten.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Als Wahlsieger der griechischen Parlamentswahl würde ich "wohlmeinende Ratschläge" einer CSU-Landesgruppenchefin lochen und unter "Sonstiges" wegheften.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Als Wahlsieger der griechischen Parlamentswahl würde ich mal erklären wieso es ausgerechnet die Rechtspopulisten sind mit denen Tsipras die größte Schnittmenge sieht.

      • @Questor:

        Weil das die einzigen sind, die sich gegen die Sparauflagen aussprechend UND im Euro bleiben wollen.

        • @BigRed:

          Seit Tsipras die (zugegeben mehr als zweifelhaften) Auflagen selbst unterschrieben hat, zieht dieses Argument nicht mehr. Was ist an "To Potami" gegenüber "Anel" so schlimm? Tut mir leid, aber ich kann die Koalitionsentscheidung beim besten Willen nicht nachvollziehen.

      • @Questor:

        Als Wahlsieger der griechischen Parlamentswahl würde ich Leuten, die mich fragen, wieso es ausgerechnet die Rechtspopulisten sind mit denen ich "die größte Schnittmenge" sehe, mit Verweis auf das Wahlergebnis erklären, dass sie: a) einer optischen Täuschung aufgesessen sind, wenn sie "Schnittmengen" zu erkennen meinen, ich b) Rechtspopulisten, die "unter mir mitregieren", für sehr viel weniger gefährlich halte als solche, die auf Fundamentalopposition plädieren können, und dass c) die größte Gefahr für Griechenland meiner Ansicht nach derzeit nicht von der Troika oder ND ausgeht, sondern von frustrierten Denkzettel-Wählern, die aus lauter Angst und Ärger nicht so richtig wissen was sie tun. Das alles allerdings würde ich nur sehr, sehr leise sagen und hinter vorgehaltener Hand. Außerdem würde ich nachdrücklich darum bitten, niemandem meine Gründe zu verraten. Verlassen, allerdings, würde ich mich nicht unbedingt auf die Verschwiegenheit von Leuten, die nicht selber denken wollen.

        • @mowgli:

          Hm, da sind Sie weiter als ich - von Schnittmengen wird nur sehr häufig in Hinsicht auf Koalitionen gesprochen, von daher habe ich wohl automatisch angenommen dass diese Schnittmengen auch hier existieren. Im DLF wurde die Koalition damit begründet dass beide Parteien einen stark nationalen Fokus haben.

           

          Aber ich entnehme Ihrer Ausführung dass eine Regierungsbeteiligung der AfD hierzulande mitnichten undenkbar sondern grundsätzlich eine für alle größeren Parteien denkbare Option wäre ;-)