Nach der O-Platz-Räumung: Tanz durch Kreuzberg
Nach der Räumung des Oranienplatzes zieht am Abend eine wütende Menschenmenge durch Kreuzberg. Am Morgen darauf ist alles wieder ruhig.
BERLIN taz | Am Morgen des ersten Tags nach der Räumung des Flüchtlingscamps herrscht auf dem Oranienplatz in Kreuzberg Ruhe – kontrollierte Ruhe: Zehn Mannschaftswagen der Polizei sichern den Ort, die Grünflächen sind mit Gittern versperrt.
Auf daran befestigten Schildern fordert das Grünflächenamt des Bezirks freundlich dazu auf, die gesperrten Bereiche nicht zu betreten, damit der Rasen, der dort bald neu angelegt werden soll, „sich gut entwickeln kann“. In einem Baum auf einer der zwei eingezäunten Platzhälften harren immer noch drei Protestler aus: Sechs hatten am Vortag während der Räumung den Baum besetzt.
In der Nacht sah es am O-Platz noch anders aus: Zwei Flutlichtwagen der Polizei leuchteten den Platz hell aus, auf dessen breitem Mittelstreifen sich nach dem Ende einer Demonstration durch Kreuzberg ab 22 Uhr an die 100 UnterstützerInnen und Flüchtlinge versammelt hatten – umrahmt von etwa zwei- bis dreihundert PolizistInnen, überwiegend von der Bundespolizei.
Gerade deren Beamten gaben sich Mühe, den friedlichen Protest auf dem Platz zu eskalieren. „Snake“, Schlange, lautete ihr Befehl, mit dem sie sich in einer Art Entenmarsch immer wieder durch die Protestierenden drängten und diese dabei teils brutal rempelten und schubsten.
Die singenden und tanzenden DemonstrantInnen ließen sich davon jedoch nicht provozieren. Erst als die Provokation ohne Erfolg blieb, löste die Polizei die – tatsächlich unangemeldete – Versammlung auf dem üblichen legalen Weg auf: mit Lautsprecheraufforderungen und Platzverweisen.
Rempeleien am Kottbusser Tor
Zu Rempeleien und Heftigerem war es bereits bei der vorangehenden – angemeldeten – Demonstration gekommen. Gut 1.500 TeilnehmerInnen hatten sich dafür um 20 Uhr am Kottbusser Tor versammelt. Bereits dort stoppte die Polizei den Zug zunächst, der Weg zum Oranienplatz blieb versperrt.
Statt dessen wurde die Demo erst durch die Reichenberger Straße, dann über den Erkelenzdamm und Gitschiner Straße zurück zum Kotti und vor dort aus über Adalbert-, Oranien- und Wiener Straße zur Kreuzung Reichenberger/Ohlauer Straße geführt. Dort verkündete die Polizei um etwa 21 Uhr 30 die Auflösung der Versammlung durch den Versammlungsleiter und forderte die TeilnehmerInnen auf, sich „in kleinen Grüppchen“ zu entfernen.
Diese hielt sie dann allerdings später durch eine Sperrung der Reichenberger Straße erneut auf und hinderte die Demonstrierenden sowie alle sonstigen PassantInnen daran, dass Kottbusser Tor und die dortigen U-Bahnhöfe zu betreten.
Während der Demonstration war es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden gekommen, Grüppchen wurden eingekesselt oder gejagt, Reizgas eingesetzt. Die Stimmung unter den DemonstrantInnen war entsprechend wütend, der Zug bewegte sich teils im Laufschritt durch die Straßen, wurde von der Polizei aber immer wieder gestoppt.
Bundespolizei im Einsatz
Nach Angaben der Polizei gab es acht leicht verletzte BeamtInnen bei der Demonstration, die alle ihren Dienst fortsetzen konnten. Über verletzte Protestierende liegen der Polizei keine Zahlen vor. Von den 1.000 PolizistInnen, die im Einsatz waren, waren laut Polizeipressestelle 600 von der Berliner Polizei, 400 kamen aus Brandenburg oder von der Bundespolizei.
Sieben Demo-TeilnehmerInnen wurden festgenommen, alle befinden sich wieder auf freiem Fuß. Nach dem Ende der Demonstration kam es zu mehreren Sachbeschädigungen in der Umgebung, unter anderem wurden Scheiben der SPD-Parteizentrale in der Kreuzberger Wilhelmstraße eingeworfen.
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