Nach der Libyen-Konferenz: Die Bewährungsprobe
Die Lage in Libyen hat sich deutlich verbessert. Trotzdem muss Deutschland auch mit Blick auf den erhofften Sitz im UN-Sicherheitsrat mehr leisten.
S eit der damalige US-Außenminister James Baker 1991 vorschlug, Deutschland solle womöglich einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhalten, haben sich viele Bundesregierungen mal mehr, mal weniger für dieses Ziel engagiert. Zwar spricht derzeit nichts dafür, dass das höchste Gremium bei den UN reformiert wird. Trotzdem hat Bundesaußenminister Heiko Maas das deutsche Engagement bei den Vereinten Nationen hochgefahren.
Deutschland engagiert sich mit viel Geld, bei Blauhelmeinsätzen und zunehmend auch auf diplomatischem Parkett. Die Libyen-Konferenz diese Woche in Berlin kann man so auch als diplomatische Bewährungsprobe betrachten. Die Krise in dem nordafrikanischen Land ist schließlich eine der explosivsten und kompliziertesten weltweit. Leider jedoch ist die Aussicht auf Erfolg ähnlich gering wie die auf den ersehnten permanenten Sitz im Sicherheitsrat.
Zwar hat Maas recht, wenn er feststellt, dass sich die Lage in Libyen seit der ersten Berliner Konferenz Anfang 2020 deutlich verbessert hat. Da galt es noch als undenkbar, dass eine Übergangsregierung Wahlen für Ende dieses Jahres vorbereiten könnte. Nach dem Waffenstillstand vom Oktober vertrat Premierminister Abdul Hamid Dbaiba sein Land in Berlin. Ein immenser Fortschritt. Doch solange Soldaten und Söldner fremder Mächte auf libyschem Boden sind, droht die Gefahr, dass ein Wahlverlierer den Krieg von Neuem beginnt.
Deutschland ist es nicht gelungen, den für den Abzug nötigen Druck vor allem auf die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland zu organisieren. Angeblich wollen Russland und die Türkei je 300 der auf 20.000 geschätzten Söldner abziehen. Umso mehr hätte Maas andere Themen aufbringen müssen, allen voran die Menschenrechte. Doch die kommen erst ganz am Ende der Abschlusserklärung vor. Dort heißt es, man werde „die libyschen Behörden, sofern erforderlich, bei der Entwicklung eines umfassenden Ansatzes zum Umgang mit Migration unterstützen“. Sofern erforderlich?
In Berlin nur allgemeine Aufrufe
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in zwei Internierungslagern der Regierung kürzlich wegen der überbordenden Gewalt eingestellt. Bis zu vier Flüchtende teilen sich dort einen Quadratmeter Fläche, es gibt Berichte über Folter, Hunger und Willkür. Mehr als 650.000 Geflüchtete sollen derzeit unter furchtbaren Bedingungen in Libyen leben, 6.000 von ihnen in Lagern.
Deutschland machte das in Berlin zu wenig zum Thema, vermutlich auch, weil allein in diesem Jahr 14.000 Flüchtende von Libyens „Küstenwache“ vom Mittelmeer zurück in diese Hölle gebracht wurden. Bezahlt wird sie von der EU. Die Krise in Libyen droht zudem noch viel mehr Menschen in die Flucht zu treiben. Kenia, Niger und Tunesien warnten im Sicherheitsrat, aus Libyen abziehende Söldner und ihre Waffen drohten den ganzen Sahel zu destabilisieren.
Im April wurde Tschads Präsident Idriss Déby von aus Libyen angreifenden Kämpfern getötet. Der sogenannte Islamische Staat oder Boko Haram sind ebenfalls mit Hilfe von Ex-Söldnern aus Libyen gewachsen. Wenn eine künftige libysche Regierung ihr Staatsgebiet besser schützt, ist die Gefahr groß, dass bitterarme und instabile Staaten mit denen zu kämpfen haben, die dann Libyen verlassen. Dieser Gefahr muss schon jetzt begegnet werden, mit internationaler Hilfe. In Berlin gab es dazu nur allgemeine Aufrufe.
Deutschland als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat, das wünschen sich Unterstützerstaaten auch deshalb, weil sie sich davon eine neue Dynamik erhoffen. Eine Diplomatie, die die Menschen und ihre unveräußerlichen Rechte in den Mittelpunkt stellt und bisher unüberwindbar scheinende Hürden bei der Beendigung teils jahrzehntelanger Konflikte einreißt. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, muss Deutschland noch zulegen. Die nächste Bewährungsprobe kommt bestimmt.
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