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Nach der Hetze gegen FlüchtlingeEin Bezirk sucht die Toleranz

Am Samstag feierte Hellersdorf ein Fest gegen Nazis. Es wurden Gospels gesungen und Luftballons verteilt. Ein Versuch, wieder zur Normalität zurückzukehren.

"Flüchtlinge willkommen" hieß es auch am Samstag in Hellersdorf. Bild: reuters

Auf der Bühne spielt die Rockband „Life is life“, die Linkspartei verschenkt Luftballons mit Friedenstaube, die afrikanische Gemeinde posiert zum Gruppenfoto. Es gibt selbst gebackenen Kuchen, und der linke Motorradclub Kuhle Wampe hat auf seiner Ausfahrt eigens mit 40 Mitgliedern einen Stopp eingelegt. „Aus Solidarität mit den Flüchtlingen“, wie Jürgen, ein weißbärtiger Member, sagt.

Es könnte so einfach sein. Rund 40 Büdchen stehen an diesem Samstag auf dem Alice-Salomon-Platz. Hellersdorf feiert ein buntes Fest: „Schöner leben ohne Nazis“. Zum fünften Mal schon, einst ausgedacht, um Engagierte gegen rechts zu vernetzen. Doch diesmal ist alles anders.

Kein Stand, keine Rede, die sich nicht solidarisch mit „der Schule“ erklärt. Seit zwei Wochen ist die frühere Reinhardt-Schule Unterkunft für rund 80 Asylbewerber – und heftig in der Diskussion. Anwohner wetterten gegen das Heim, angestachelt von Neonazis. Erst vor wenigen Tagen schmierte wieder jemand ein Hakenkreuz auf den Bürgersteig nahe der Schule. Und noch vor einer Woche pfiffen auf dem Festplatz Demonstranten die NPD nieder, die gegen die Asylbewerber hetzte. Hellersdorf, das stand zuletzt eher für Braun statt Bunt.

Die Sache mit dem Heim habe alles kaputt gemacht, sagt Elena Marburg. Seit 1990 ist die gebürtige Bulgarin Integrationsbeauftragte im Bezirk. Eine Stimmung wie jetzt habe sie noch nicht erlebt. „Die Aussagen mancher Anwohner waren heftig. Aber was jetzt mit dem Bezirk gemacht wird, ist auch ungerecht.“

Marburg steht mit ihrer Enkelin inmitten des Festes. Ganz Hellersdorf werde jetzt verteufelt, klagt sie. Dabei lebten hier Tausende Migranten, gebe es weitere Asylunterkünfte, alles ohne Probleme. Und die Unterstützung für das neue Heim sei „gewaltig“.

Wie zum Beweis berichtet Luisa am Stand der Initiative „Hellersdorf hilft Asylbewerbern“ „von einer uns überrollenden Solidarität“. Schuhe, Jacken, Rucksäcke, Kinderfahrräder hätten die Leute in den letzten Tagen abgegeben, erzählt die Studentin. Die Initiative hatte sich nach den Anfeindungen gebildet, am Montag will sie erste Spenden an die Flüchtlinge übergeben.

Es ist das freundliche Hellersdorf, das sich am Samstag präsentiert. Ein Bezirk, der die Normalität sucht. Auch Vizebürgermeisterin Dagmar Pohle von der Linken betont, dass ihr Bezirk weiter für Vielfalt stehe.

Teil der Vielfalt ist auch Fardin. Seit fünf Tagen wohnt der 26-jährige Afghane in der Reinhardt-Schule. An diesem Nachmittag steht er in Flipflops vorm Eingang. „Okay“ sei es hier, sagt er. Und doch wirkt er, als falle es ihm schwer, einzuordnen, was hier gerade passiert: die Polizei, die vorm Heim Streife fährt. Die reservierten Anwohner vom Plattenbau gegenüber. Das halbe Dutzend Linker, das immer noch eine Mahnwache hält.

Zu den Nachbarn, erzählt Fardin, habe er noch keinen Kontakt. Am Mittag aber sei er auf dem Fest gewesen. Eine Frau vom Flüchtlingsrat habe ihn und weitere Bewohner hingefahren. „Very good“ sei es dort gewesen, „nice people“.

Den Mann mit dem Fußballschal, der an der Ecke auf die linke Mahnwache schimpft, meint er nicht. „Wegen denen ist kein Platz mehr für unsere Kinder in den Kitas“, poltert der Endzwanzigjährige drauflos, zeigt auf das Flüchtlingsheim. „Muss Deutschland jeden aufnehmen? Was die da drin bekommen, können wir uns nicht leisten.“

Ob er kein Mitleid habe, fragen die Linken zurück. Doch der Mann schimpft weiter. Die Politik müssen den Anwohnern wieder mehr zuhören, sagt Rafaela Kiene, die junge Grünen-Bezirksabgeordnete auf dem Alice-Salomon-Platz. Nicht die Flüchtlinge seien deren Problem, sondern das Gefühl, „schon länger abgehängt zu sein“.

Auf der Bühne verlesen Kienes Parlamentskollegen eine Resolution, die sie zwei Tage zuvor verabschiedet haben – einstimmig, nur der NPD-Abgeordnete votierte dagegen. Menschen aus Kriegsgebieten seien „dringend auf unsere Hilfe angewiesen – wir heißen Flüchtlinge in unserem Bezirk willkommen“. Wenn es denn immer so einfach wäre.

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