Neukölln empfängt Flüchtlinge: Der Gegenentwurf zu Hellersdorf

In Neukölln wird über ein geplantes Flüchtlingsheim informiert – rund 500 Zuhörer demonstrieren Solidarität. Nur Bezirksbürgermeister Buschkowsky stänkert.

Kein Platz war mehr frei am Donnerstagabend in der Aula der Fritz-Karsen-Schule. Bild: dpa

Bloß kein zweites Hellersdorf. Also hat Neukölln vorgesorgt. Polizeiwagen und Einlasskontrolleure mit Ver.di-Westen stehen vor der Fritz-Karsen-Schule. Die NPD, mit sieben Männern da, wird von der Polizei ans Ende der Straße verbannt, von Gegendemonstranten ausgepfiffen. In der Schule stehen Zuhörer mit bunten Luftballons, vorne hängt ein großes Banner: „Nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen bekämpfen“.

Im Juli war in Hellersdorf eine Infoveranstaltung über eine neue Flüchtlingsunterkunft in rechter Stimmungsmache untergegangen. Am Donnerstagabend wurde nun in Neukölln über ein hier geplantes Heim informiert. Rund 500 Zuhörer kamen in die vollbesetzte Aula der Karsen-Schule in Britz, unter ihnen viele Anti-Rechts-Engagierte – fest gewillt, den Gegenentwurf zu Hellersdorf zu liefern.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, eröffnet Jürgen Schulte das Podium. Hassparolen werde man nicht dulden. Schulte gehört zu „Hufeisern gegen rechts“, einer Anwohnerinitiative der benachbarten Hufeisensiedlung. Die Gruppe hatte eingeladen, nicht der Bezirk. Und klargemacht, dass man sich „parteiisch“ hinter die Flüchtlinge stellen werde. Neben Schulte sitzt Sozialstadtrat Bernd Szczpanski (Grüne). „Die Flüchtlinge haben Schreckliches hinter sich“, sagt auch er. „Wir wollen ihnen eine Heimat bieten.“ Applaus im Saal.

Berlin ist für Asyl: Laut einer infratest-Umfrage sind 72 Prozent der befragten Berliner dafür, weiter Flüchtlinge aufzunehmen. 23 Prozent lehnten dies ab. CDU-Wähler gehören zu den größten Skeptikern: Fast ein Drittel will nicht mehr Unterkünfte.

In Brandenburg kündigte der neue Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) an, die Erstanlaufstelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt für 12 Millionen Euro zu sanieren. Die Zustände seien "teils fast menschenunwürdig". (taz)

Anfang 2014 soll das neue Heim für 400 Flüchtlinge entstehen, an der Neuen Späthstraße, unweit der Stadtautobahn. Man wolle die Asylbewerber gleichmäßig über die Stadt verteilen, sagt Franz Allert, Chef des dafür zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales. Bisher ist Neukölln Schlusslicht, nimmt nur 13 Flüchtlinge auf. Allert wirbt um „gute Nachbarschaft“.

Er wird erhört. Eine Zuhörerin fragt, ob es genug Krankenzimmer für die Flüchtlinge gebe? Wo man sich melden könne, wenn man helfen wolle, will eine andere wissen. Einzig zum Betreiber wird kritisch nachgehakt, der privaten PeWoBe, auch in Hellersdorf verantwortlich. Habe der einen schlechten Ruf? Allert verneint: „Da gibt es keine Probleme.“

Die ersten Heim-Skeptiker verlassen da den Saal. Sie merken: Das ist nicht ihre Veranstaltung. Stattdessen kritisiert Georg Classen vom Flüchtlingsrat vom Podium aus die PeWoBe. In deren Heimen fehlten Kochplätze und Internet. Stadtrat Szczepanski kritisiert, dass sein Bezirk kürzlich beschloss, die Unterkunft näher an der Autobahn zu bauen. „Ich persönlich teile das nicht.“ Der Antrag komme von CDU und SPD. Der Saal buht.

Dort sitzt hinten auch ein Mann mit verschränkten Armen: Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Im Vorfeld hatte er dem Veranstalter unterstellt, die Flüchtlinge zu instrumentalisieren, um Konflikte mit Rechten zu suchen. Nun hört Buschkowsky als „einfacher Bürger“ zu. Und moniert später, er habe Fragen der Anwohner aus der Späthstraße vermisst, der künftigen Nachbarn. „Das waren ja mehr allgemeinpolitische Statements.“

Am Saalmikrofon melden sich Grummelnde wie Buschkowsky nicht zu Wort. Stattdessen steht Nader Khalil auf, sagt, dass sein Deutsch-Arabisches Zentrum Übersetzer anbiete und Räume für einen Runden Tisch mit Anwohnern. „Wir wollen mit anpacken, im Namen der Menschlichkeit.“ Lageso-Chef Allert bedankt sich. Seit Monaten, sagt er, müsse er sich rechtfertigen, dass er in Berlin Flüchtlinge unterbringen wolle. „Heute ist das erste Mal, dass so viel Verständnis da ist.“

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