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Nach der Grenfell-Katastrophe in London650 Hochhauswohnungen geräumt

Sie haben eine ähnliche Außenfassade wie der Grenfell Tower: Fünf Wohntürme wurden am Freitag in London geräumt. Die Bewohner sind sauer über die Blitzaktion.

Die geräumten Hochhäuser des Chalcots Estate. Nicht alle Bewohner wollten ihr Zuhause verlassen Foto: reuters

London ap | Die Brandschutzüberprüfung britischer Hochhäuser nach dem Feuerkatastrophe im Grenfell Tower hat erste Zwangsräumungen ausgelöst. Bewohner von 650 Wohnungen mussten in der Nacht zum Samstag in einer Blitzaktion ihre Apartments im Londoner Stadtteil Camden verlassen und wurden in Behelfsunterkünften untergebracht, teilte der Rat des Stadtbezirks mit.

Grund war die Feststellung, dass ihre Hochhäuser eine Außenverkleidung mit ähnlich leicht entflammbaren Material wie der am 14. Juni ausgebrannte Grenfell Tower haben. Darüber hinaus soll es Mängel bei der Isolierung der Gasleitungen sowie bei Brandschutztüren geben. Die Arbeiten an den geräumten Gebäuden sollen drei bis vier Wochen dauern, wie Georgia Gould vom Rat des Stadtbezirks Camden sagte.

Der Bezirksrat beschloss die Räumung von insgesamt rund 800 Wohnungen, nachdem Feuerwehrexperten sich außerstande gesehen hatten, die Sicherheit der Bewohner zu garantieren. Die Außenverkleidung der betroffenen Hochhäuser soll nun so schnell wie möglich ausgetauscht werden.

Die Bewohner der fünf evakuierten Hochhauskomplexe reagierten mit einer Mischung aus Angst unf Wut auf die Vorsichtsmaßnahme. Vor der Ansage, dass sie packen und ihre Wohnungen verlassen müssten, sei den Betroffenen keine Zeit gelassen worden, klagte Shirley Philips, eine Bewohnerin in einem der Hochhäuser. In einem britischen Rundfunksender fragte sie, warum den Bewohnern nicht vor halb acht am Freitagabend gesagt worden sei, dass sie aus dem Gebäude müssten. Eine andere Bewohnerin klagte, noch am Vortag sei ihnen versichert worden, dass sich um das Problem gekümmert werde.

Hunderte Menschen konnten nur das Nötigste packen und verbrachten die Nacht auf Matratzen in öffentlichen Gebäuden, in Hotels oder bei Freunden

Hunderte Menschen konnten nur das Nötigste packen und verbrachten die Nacht auf Matratzen in öffentlichen Gebäuden, in Hotels oder bei Freunden. Zudem sind mehr als 80 Menschen in ihren Wohnungen geblieben. Sie hätten sich geweigert, die Häuser im Stadtteil Camden zu verlassen, berichteten die Behörden am Samstag.

Bei der Brandkatastrophe im Grenfell Tower am 14. Juni waren mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen. Die tatsächliche Opferzahl könnte aber wesentlich höher liegen. Möglicherweise haben sich viele Menschen illegal in dem Sozialbau aufgehalten.

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8 Kommentare

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  • Na, nun müssen auch hierzulande viele Häuser geräumt werden, die mit "hochwertigen Dämmstoffen" aus Polystyrol und verwandten Kunststoffen eingepackt worden sind; auch ich muß doch hoffentlich bald mein Heim verlassen?

     

    Denn was hierzulande als "schwer entflammbar" verlauft wird, ist das eben - angeblich - nur dann und deswegen, wenn es von Kunststoffpampe (vulgo Kunststoffputz genannt) eingeschlossen ist. Das soll - angeblich - gewährleisten, daß der Mist nicht sofort in Flammen aufgeht, sobald ein Feuer daran leckt.

     

    Daß diese ganze Propaganda der Dämmstoffmafia aber Mumpitz ist, kann man sich bei mindestens zwei Dokumentationen des NDR ansehen (auf youtube). Dort wohnte man einem Brandversuch bei, wo die "Sicherheit" eines solchen WDVS (Wärmedämmverbundsystems) getestet wurde.

     

    Was geschah? Der schaumige Mist wurde zuerst flüssig, dann kochte er. Nach circa zwei, drei Minuten brach die Verputzkruste auf, das inzwischen in gasförmigen Zustand übergegangene Material fing Feuer, und nach vier, fünf Minuten standen schon einige Meter der WDVS-Wand in Flammen.

     

    So schnell schafft es keine Feuerwehr der Welt zum Einsatzort. Und dann nützt es auch nicht, wenn die Feuerwehrleiter bis zum 8. Geschoß reicht - wer könnte es denn durch die Flammenwand, die bis dann mindestens so hoch reicht, hindurchschaffen? Acht, 10 oder gar 20 Zentimeter wie die Hölle brennender Kunststoff ist mit tödlicher Sicherheit unüberwindbar.

     

    Adieu, trautes Heim, adieu Freunde und Familie, adieu liebes Leben!

  • Ich halte das in der Form für unzumutbare Schikane. Stattdessen könnte man auch vorsorglich ausreichend Löschgeräte und Feuerschutzwachen am und im Haus platzieren und zusätzliche Fluchtmöglichkeiten installieren. Wenn die Außenverkleidung an diesen Hochhäusern ebenfalls brennbar ist, muss sie natürlich sofort entfernt werden.

    • @Rainer B.:

      Vielleicht sind die Aluplatten-Warner von der Dämmstofflobby vorgeschickt, um von den wahren Gefahren abzulenken?

       

      Aluminium ist nur als Pulver brennbar.

      • @CJB:

        Alles möglich. Nicht die Aluplatten sind das eigentliche Problem, sondern das, was zur Wärmedämmung dahinter verbaut wird. Wenn das brennbar ist, muss man natürlich auch die Aluplatten entfernen, um die schnelle Ausbreitung von Feuer durch gefährliche Kamineffekte hinter den Platten zu verhindern.

        • @Rainer B.:

          Es braucht keine Kamineffekte, das Zeug brennt auch so gut genug: https://www.youtube.com/watch?v=MKeRe7FA4Gs https://www.youtube.com/watch?v=AWD0HeZLufM

          • @CJB:

            In einem derart wärmegedämmten Haus möchte man doch nicht wohnen. Aus meiner Sicht verlieren solche Häuser durch diese Wärmedämmung massiv an Wert. Die diesbezüglichen großzügigen Bauvorschriften wurden ganz offensichtlich nur im Interesse der Bauwirtschaft festgesetzt. Hinsichtlich des Brandschutzes wird hierbei wissend mit Menschenleben gespielt.

    • @Rainer B.:

      Die Wunderkerzen an Silvester sprühen Funken aus Aluminium.

       

      An diesen Hochhaus-Fassaden sieht man klar und deutlich die Aluplatten. Absoluter Irrsinn. Wenn Alu erstmal gezündet hat, dann ist alles vorbei. Die Dinger müssen sofort abgerissen werden. Vielleicht sind da noch 100 Tonnen Alu im Innern- nicht nur an der Fassade.

      • @el presidente:

        Ein Vergleich von Aluplatten mit Wunderkerzen ist nicht sachgerecht. Aluplatten gibt es doch als zig Legierungen mit anderen Metallen oder als vielseitige Verbundstoffplatten mit jeweils sehr sehr unterschiedlichen Eigenschaften - auch hinsichtlich der Brennbarkeit. Der Schmelzpunkt von Aluminium pur liegt bei 660,2 °C und der Siedepunkt bei 2470 °C.

        Alufolie beim Grillen geht schließlich auch nicht einfach so in Flammen auf.

        Wunderkerzen enthalten nur wenig Aluminium und das auch nur als feines Pulver, um durch thermische Abspaltung der winzigen Partikel den charakteristischen Funkensprüheffekt zu erzeugen.

        https://de.wikipedia.org/wiki/Wunderkerze