Nach dem Türkei-Referendum: Erdoğan unbeeindruckt von Kritik
Innenminister de Maizière will Vorwürfe zum Wahlablauf klären. US-Präsident Trump gratuliert zum Wahlausgang. Der Ausnahmezustand wird verlängert.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich nach dem knappen Ausgangs des Verfassungsreferendums am Montag unbeeindruckt von Kritik und kündigte an, rasch mit dem Umbau des Staates zu beginnen. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten dem Referendum am Montag zahlreiche Mängel attestiert.
US-Präsident Donald Trump hat Erdoğan zum Ausgang des Verfassungsreferendums gratuliert. Trump habe sich in dem Telefonat zugleich bei Erdoğan für die Unterstützung des US-Luftangriffs auf einen syrischen Armeestützpunkt als Reaktion auf einen mutmaßlichen Einsatz von Giftgas bedankt, teilte das US-Präsidialamt am Montag mit. US-Präsidialamtssprecher Sean Spicer hatte zuvor gesagt, das Weiße Haus werde sich zunächst nicht zu dem Ausgang des Referendums äußern. Zuerst wolle man den Bericht internationaler Wahlbeobachter abwarten.
Bei der Abstimmung am Sonntag hatten 51,4 Prozent der Türken für eine Verfassungsänderung gestimmt. Diese räumt dem Präsidenten mehr Macht ein. Die türkische Opposition kündigte eine Anfechtung des Ergebnisses an.
Ausnahmezustand wird verlängert
Nach dem Sieg von Präsident Erdoğan beim Verfassungsreferendum wird der Ausnahmezustand in der Türkei für weitere drei Monate verlängert. Das Kabinett in Ankara stimmte am Montagabend der nochmaligen Verlängerung zu, wie Vizeregierungschef Numan Kurtulmus in Ankara mitteilte. Zuvor hatte sich der Nationale Sicherheitsrat dafür ausgesprochen. Das türkische Parlament, in der die regierende AKP die Mehrheit hat, muss nun noch zustimmen.
Die Maßnahme wäre am Mittwoch ausgelaufen. Der Sicherheitsrat erklärte laut dem Sender NTV, mit der Verlängerung des Ausnahmezustands solle die „Kontinuität der Maßnahmen zum Schutz der Demokratie, der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Rechte und Freiheiten“ sichergestellt werden. Kurtulmus sagte, die Entscheidung ziele nicht darauf, der Regierung freie Hand zu geben, sondern den „Kampf gegen terroristische Gruppen“ zu ermöglichen.
Der Ausnahmezustand war am 20. Juli, fünf Tage nach dem gescheiterten Militärputsch, verhängt worden. Er wurde im Oktober und im Januar für jeweils drei Monate verlängert. Unter dem Ausnahmezustand sind wichtige Grundrechte wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, zudem verfügt der Präsident über das Recht, per Dekret zu regieren. Erdoğan hat von diesem Recht ausführlich Gebrauch gemacht. Die Opposition wirft ihm vor, seine Befugnisse zu missbrauchen, um das Parlament zu umgehen und Fragen außerhalb seiner Kompetenz zu entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt