Nach dem Putsch in Niger: Kein frisches Geld für Putschisten
Entwicklungsministerin Schulze verspricht, Druck auf die Junta zu machen, indem sie Entwicklungsgeld zurückhält. Doch die Stimmung könnte kippen.
Ursprünglich wollte die SPD-Politikerin vier Tage nach Mauretanien und Burkina Faso reisen, doch nach dem Putsch in Niger am 26. Juli änderte sie kurzfristig ihre Reiseroute. Statt nach Burkina Faso, das sich mit den Putschisten solidarisiert hatte, reiste sie von Mauretanien weiter nach Nigeria, dem Sitz der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas. Die Ecowas hatte auf den Sturz des gewählten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum scharf reagiert, verhängte Sanktionen und droht nach wie vor, militärisch gegen die Militärjunta vorzugehen. Sie ist gleichzeitig die Institution, die vermitteln soll. Am späten Mittwochabend teilte die Ecowas „die Aktivierung der Bereitschaftstruppe zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Niger“ mit.
In Abuja traf Schulze den Kommissionspräsidenten der Ecowas, den gambischen Politiker Omar Touray, um zu erfahren, wie es weitergeht in Niger. Touray habe ihr berichtet, wie angespannt die Lage in der Region sei und wie besorgt die verbliebenen demokratisch regierten Länder. „Es war wirklich der eine Putsch zu viel, das war die Formulierung“, so Schulze nach dem Gespräch. Seit 2020 waren in vier der 15 Ecowas-Mitgliedsländer die gewählten Regierungen von Militärs gestürzt worden.
Die Lage im Sahel, der bereits jetzt Krisenherd und Drehkreuz für Flüchtlinge ist, bleibt also explosiv. Immerhin scheint die Ecowas die von ihr aufgebaute militärische Drohkulisse wieder abzubauen. Sie sei sich mit Touray einig gewesen, dass es eine friedliche Rückkehr zur Demokratie im Niger geben müsse, so Schulze. Unklar bleibt jedoch, ob und wann es zu Verhandlungen mit den neuen Machthabern in Niger kommt. Es heißt, eine Abordnung von Parlamentsabgeordneten der Ecowas sei in Nigers Hauptstadt Niamey. Außerdem werde der UN-Sondergesandte für Westafrika am Donnerstag dort erwartet.
Kein Strom, kein Geld
Die von ihr verhängten Sanktionen will die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft aufrechterhalten. Seit dem Putsch ist der Handel ausgesetzt, die Grenzen geschlossen und Nigeria hat als wichtigster Lieferant Niger den Strom abgedreht.
Der Westen setzt auch weiterhin die Entwicklungshilfe aus. Aus deutschen Regierungskreisen heißt es, die Ecowas habe die westlichen Geber darum gebeten, zu verhindern, dass die nigrische Militärjunta an dringend benötigtes frisches Geld kommt. Das Auswärtige Amt gab am Donnerstag bekannt, EU-Sanktionen gegen Militärs in Niger auf den Weg bringen zu wollen.
Touray habe sich ausdrücklich für die Solidarität der Sahel-Allianz bedankt, so Schulze. Sie ist seit einem Monat Präsidentin dieses Bündnis der westlichen Geber für Entwicklungshilfe und vor allem in dieser Funktion nach Nigeria gereist. Touray habe vom Westen aber auch gefordert, weiterhin solidarisch zu sein, was Schulze zusagte. „Der Druck muss jetzt aufrechterhalten werden. Wir werden Ecowas weiter unterstützen“, so Schulze in Abuja.
Das bedeutet auch, dass 24 Millionen Euro deutscher Entwicklungshilfegelder weiterhin auf Eis liegen. Mit diesem Geld unterstützt Deutschland im bitterarmen Niger etwa die Bildung von Mädchen. Familien erhalten Geld, wenn sie ihre Töchter zur Schule schicken. Auch Gemeinden, die Schulen betreiben oder Gesundheitsstationen aufbauen, konnten dies bislang vor allem dank deutscher Entwicklungshilfe tun. Als Schulze im Frühjahr Niger besuchte, traf sie Bürgermeister:innen und Regionalvertreter:innen, die sich für das deutsche Engagement bedankten und sie baten, weiter aktiv zu bleiben. Das wird vorerst nicht möglich sein.
Heikler Stopp von Entwicklungshilfe
Schulze erklärte zwar, sie wolle Geld so umsteuern, dass es in regierungsferne Projekte gehe. Gleichzeitig räumte sie ein: „Das wird in der jetzigen Situation, in der die Grenzen geschlossen sind und wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort haben, natürlich sehr, sehr schwierig.“ Also nahezu unmöglich.
Die Hoffnung ist, dass Niger einen ähnlichen Weg nimmt wie das ebenfalls zum Sahel zählende Mauretanien, welches Schulze am Montag und Dienstag bereiste. Hier putschten Militärs Anfang der 2000er mehrere Male, ließen sich allerdings später durch Wahlen legitimieren. Falls sich die nigrische Militärjunta auf diesen Pfad begäbe, könnte auch die Entwicklungshilfe wieder fließen.
Zwar fließen humanitäre Hilfsgelder weiter. Dennoch ist der Stopp der Entwicklungshilfe auch eine politische Gratwanderung. „Es war ein Fehler, die Hilfen ganz zu stoppen“, erklärt etwa Asmau Benzies-Leo von der nigerianischen Nichtregierungsorganisation Cengain, die sich für Frauenrechte einsetzt. „Das könnte zu einem Backlash führen, wenn die Menschen im Niger Ecowas und den Westen für ihre Notlage verantwortlich machen“.
Eine Erzählung, wie sie die Militärjunta verbreitet. Benzies-Leo berichtet vom ansonsten regen Austausch im Grenzgebiet von Niger und Nigeria, aus dem sie selbst stammt. Die Menschen trieben Handel, heirateten untereinander. „Wir sind eins.“ Nun müssten alle diplomatischen Mittel ergriffen werden, um eine friedliche Lösung in Niger zu finden, fordert Benzies-Leo. Sonst drohe eine Katastrophe für die gesamte Region.
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