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Nach dem Putsch in NigerKein frisches Geld für Putschisten

Entwicklungsministerin Schulze verspricht, Druck auf die Junta zu machen, indem sie Entwicklungsgeld zurückhält. Doch die Stimmung könnte kippen.

Entwicklungsministerin Schulze trifft den Präsidenten der ECOWAS-Kommission, Dr. Omar Alieu Touray Foto: Leon Kuegeler/photothek/imago

Abuja taz | Kurz nachdem Entwicklungsministerin Svenja Schulze am Mittwoch in Nigerias Hauptstadt Abuja gelandet war, brach das Inferno los. Starkregen überschüttete den Konvoi der deutschen Delegation, die Autobahn vom Flughafen ins Stadtzentrum verwandelte sich in eine Wasserstraße. Das ist normal um diese Jahreszeit, es herrscht Regenzeit. Schulzes kurzfristig angesetzter Besuch in Nigeria war jedoch außergewöhnlich.

Ursprünglich wollte die SPD-Politikerin vier Tage nach Mauretanien und Burkina Faso reisen, doch nach dem Putsch in Niger am 26. Juli änderte sie kurzfristig ihre Reiseroute. Statt nach Burkina Faso, das sich mit den Putschisten solidarisiert hatte, reiste sie von Mauretanien weiter nach Nigeria, dem Sitz der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas. Die Ecowas hatte auf den Sturz des gewählten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum scharf reagiert, verhängte Sanktionen und droht nach wie vor, militärisch gegen die Militärjunta vorzugehen. Sie ist gleichzeitig die Institution, die vermitteln soll. Am späten Mittwochabend teilte die Ecowas „die Aktivierung der Bereitschaftstruppe zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Niger“ mit.

In Abuja traf Schulze den Kommissionspräsidenten der Ecowas, den gambischen Politiker Omar Touray, um zu erfahren, wie es weitergeht in Niger. Touray habe ihr berichtet, wie angespannt die Lage in der Region sei und wie besorgt die verbliebenen demokratisch regierten Länder. „Es war wirklich der eine Putsch zu viel, das war die Formulierung“, so Schulze nach dem Gespräch. Seit 2020 waren in vier der 15 Ecowas-Mitgliedsländer die gewählten Regierungen von Militärs gestürzt worden.

Die Lage im Sahel, der bereits jetzt Krisenherd und Drehkreuz für Flüchtlinge ist, bleibt also explosiv. Immerhin scheint die Ecowas die von ihr aufgebaute militärische Drohkulisse wieder abzubauen. Sie sei sich mit Touray einig gewesen, dass es eine friedliche Rückkehr zur Demokratie im Niger geben müsse, so Schulze. Unklar bleibt jedoch, ob und wann es zu Verhandlungen mit den neuen Machthabern in Niger kommt. Es heißt, eine Abordnung von Parlamentsabgeordneten der Ecowas sei in Nigers Hauptstadt Niamey. Außerdem werde der UN-Sondergesandte für Westafrika am Donnerstag dort erwartet.

Kein Strom, kein Geld

Die von ihr verhängten Sanktionen will die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft aufrechterhalten. Seit dem Putsch ist der Handel ausgesetzt, die Grenzen geschlossen und Nigeria hat als wichtigster Lieferant Niger den Strom abgedreht.

Der Westen setzt auch weiterhin die Entwicklungshilfe aus. Aus deutschen Regierungskreisen heißt es, die Ecowas habe die westlichen Geber darum gebeten, zu verhindern, dass die nigrische Militärjunta an dringend benötigtes frisches Geld kommt. Das Auswärtige Amt gab am Donnerstag bekannt, EU-Sanktionen gegen Militärs in Niger auf den Weg bringen zu wollen.

Touray habe sich ausdrücklich für die Solidarität der Sahel-Allianz bedankt, so Schulze. Sie ist seit einem Monat Präsidentin dieses Bündnis der westlichen Geber für Entwicklungshilfe und vor allem in dieser Funktion nach Nigeria gereist. Touray habe vom Westen aber auch gefordert, weiterhin solidarisch zu sein, was Schulze zusagte. „Der Druck muss jetzt aufrechterhalten werden. Wir werden Ecowas weiter unterstützen“, so Schulze in Abuja.

Das bedeutet auch, dass 24 Millionen Euro deutscher Entwicklungshilfegelder weiterhin auf Eis liegen. Mit diesem Geld unterstützt Deutschland im bitterarmen Niger etwa die Bildung von Mädchen. Familien erhalten Geld, wenn sie ihre Töchter zur Schule schicken. Auch Gemeinden, die Schulen betreiben oder Gesundheitsstationen aufbauen, konnten dies bislang vor allem dank deutscher Entwicklungshilfe tun. Als Schulze im Frühjahr Niger besuchte, traf sie Bür­ger­meis­te­r:in­nen und Re­gio­nal­ver­tre­te­r:in­nen, die sich für das deutsche Engagement bedankten und sie baten, weiter aktiv zu bleiben. Das wird vorerst nicht möglich sein.

Heikler Stopp von Entwicklungshilfe

Schulze erklärte zwar, sie wolle Geld so umsteuern, dass es in regierungsferne Projekte gehe. Gleichzeitig räumte sie ein: „Das wird in der jetzigen Situation, in der die Grenzen geschlossen sind und wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort haben, natürlich sehr, sehr schwierig.“ Also nahezu unmöglich.

Die Hoffnung ist, dass Niger einen ähnlichen Weg nimmt wie das ebenfalls zum Sahel zählende Mauretanien, welches Schulze am Montag und Dienstag bereiste. Hier putschten Militärs Anfang der 2000er mehrere Male, ließen sich allerdings später durch Wahlen legitimieren. Falls sich die nigrische Militärjunta auf diesen Pfad begäbe, könnte auch die Entwicklungshilfe wieder fließen.

Zwar fließen humanitäre Hilfsgelder weiter. Dennoch ist der Stopp der Entwicklungshilfe auch eine politische Gratwanderung. „Es war ein Fehler, die Hilfen ganz zu stoppen“, erklärt etwa Asmau Benzies-Leo von der nigerianischen Nichtregierungsorganisation Cengain, die sich für Frauenrechte einsetzt. „Das könnte zu einem Backlash führen, wenn die Menschen im Niger Ecowas und den Westen für ihre Notlage verantwortlich machen“.

Eine Erzählung, wie sie die Militärjunta verbreitet. Benzies-Leo berichtet vom ansonsten regen Austausch im Grenzgebiet von Niger und Nigeria, aus dem sie selbst stammt. Die Menschen trieben Handel, heirateten untereinander. „Wir sind eins.“ Nun müssten alle diplomatischen Mittel ergriffen werden, um eine friedliche Lösung in Niger zu finden, fordert Benzies-Leo. Sonst drohe eine Katastrophe für die gesamte Region.

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8 Kommentare

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  • Putschen und sich dann durch Wahlen legitimieren lassen, dass klingt ja richtig demokratisch und frei. Wenn man die Bevölkerung hinter sich hätte, hätte man ja einfach eine Partei gründen und sich zur Wahl stellen können und währe dann auch gewählt worden. Wenn man erst die Macht mit Waffengewalt an sich reißen muss um dann Wahlen abzuhalten und sich wählen zu lassen, klingt das doch arg nach Wahlen ala DDR und Russland

  • "Das könnte zu einem Backlash führen, wenn die Menschen im Niger Ecowas und den Westen für ihre Notlage verantwortlich machen"

    Das wäre allerdings ein grober Denkfehler. Wir sollten den Menschen im Niger schon zutrauen, dass sie erkennen, dass eine demokratisch gewählte Regierung nicht einfach so weggeputscht werden darf und dass ihre Notlage einzig und allein auf die Putschisten zurückzuführen ist.

    • @Winnetaz:

      ohne den Putsch in irgendeiner Art und Weise gutheißen zu wollen:

      Ich finde ihre Aussage kolonialistisch.

      Subtext Ihrer Aussage:



      "Wir sollten den Menschen in Niger [beibringen], dass [man das nicht] darf"

      Vergessen Sie bitte auch nicht, dass die fehlende Entwicklungshilfe nur ganz wenige trifft. Man wird also kaum eine ganze Bevölkerung "erziehen" können, wenn man nicht gleich die volle kolonialistische Nummer à la Russland/China auspackt.

      Ich bin leider nicht umfangreich über die Situation dort informiert. Allerdings meine ich mitbekommen zu haben, dass die Unzufriedenheit mit der gewählten Regierung sehr groß war und daher die Putschisten leichtes Spiel hatten.

      Entwicklungspolitik in allen Ehren (!), aber der wesentliche Grund - geraden seitens USA und Frankreich - auf der Seite des weggeputschten Präsidenten zu stehen waren wohl die Aussichten auf Ausbeutung der Rohstoffvorkommen.



      Die wollen Russland und China auch ausbeuten - es bessert sich also nichts für die Menschen durch den Putsch.

      Wir sollten trotzdem so ehrlich sein, uns nicht selbst auf den hohen (kolonialistischen) Sockel zu stellen.

      • @Ringsle:

        Das hat mir Kolonialismus mal gar nichts zu tun, nur weil es sich hier zufällig um ein Land in Afrika handelt. Wenn in Polen oder Ungarn die Rechte der Justiz beschränkt werden und man dann darüber nachdenkt, die Zahlung durch die EU zu reduzieren oder einzustellen, ist das ein ähnlicher Sachverhalt und hat auch nichts mit Kolonianismus zu tun. Es steht den Leuten ja frei, dort zu putschen und es steht ihnen auch frei, die Putschisten zu unterstützen, weil sie mit der vorherigen Regierung nicht zufrieden waren. Das basiert dann allerdings nicht auf demokratischen Grundsätzen und Deutschland muss ein solches Regime dann auch nicht mit Entwicklungshilfe unterstützen. Die Wahrscheinlichkeit, das sich die Putschisten das Geld in die eigene Tasche stecken ist übrigens hoch, so das die Menschen dort so oder so nichts davon sehen würden. Das ganze hat dann nichts mit Koloniasmus zu tun, sondern die Menschen, die offensichtlich die Putschisten unterstützen, müssen ganz einfach die Konsequenzen aus ihrem Handeln tragen, so wie ander Länder eben auch

        • @Christian29:

          An allererster Stelle habe ich die Aussage von winnetaz als kolonialistisch gelesen. Siehe Zitat.

          Entwicklungshilfe einzustellen ist natürlich nicht kolonialistisch. Ihre Argumentation dazu ist schlüssig.

          Sehr wohl kolonialistische Züge hat allerdings die Politik, die ihr vorrangiges Interesse in Rohstoffausbeutung hat.

  • Ohne das Uran für die französischen Atomkraftwerke, welches sich die ehemalige Kolonialmacht mittels ihres Einflusses auf die Region sichert, würde die ECOWAS keinen Finger rühren.

    • @MeineMeinungX:

      Uran bitte nicht überbewerten! Es ist zwar ein wichtiger Rohstoff, und ein eventueller Wegfall der Quelle für Frankreich unangenehm, er ist aber auch anderenorts zu finden, z.B. Kanada oder Australien.

      Erlauben Sie mir auch eine Berechnung vorzustellen:

      Die Uranausbeute im Niger betrug im Jahre 2022 2020 Tonnen.

      world-nuclear.org/...ction-figures.aspx

      1 t beinhaltet 2200 Pfund. Der Weltmarktpreis war 2022 relativ hoch, ca. 50$ pro Pfund.

      tradingeconomics.com/commodity/uranium

      Aus der gesamten Produktion dürften sich somit 2020x2200x50 hochgerundet ca. 225 mill. $ Einnehmen lassen. Allerdings fallen noch Kosten an für Erschließung, Maschinen, Löhne, Transportkosten, usw.

      Letztlich bleibt als Reingewinn wohl ein Sümmchen in hoher 2-stelliger, vielleicht knapp über 100-er Millionenhöhe. Das reicht um eine Söldnertruppe oder Rebellen zu bezahlen oder ein Teil zu Unterschlagen wenn man (nach einem Putsch) Zugriff darauf hat; die Kosten für eine regelrechte Invasion oder Besatzung bzw. Verwaltung deckt sie aber auf keinen Fall.

      Diese Berechnung offenbart auch, dass das Narrativ, dass der Niger arm bleibt, weil es neokolonial ausgebeutet und seiner Ressourcen zu unfairen Preisen beraubt wird, nur ein Märchen ist. Bei ca. 25 Millionen Nigrern wären dass nur 9 $ pro Kopf und Jahr, selbst wenn alles den Nigrern zu Gute kommen würde. Selbst bei doppelter Produktionsmenge und dreifachem Weltmarktpreis sind das weniger als 60$ pro Kopf und Jahr.

      Antidemokratischen Kräften nützt dieses Narrativ, weil damit Ressentiments gegen Demokratien geschürt werden kann, und den lokalen Machthabern hilft es das eigene Totalversagen zu kaschieren. Es ist sehr traurig, dass kaum einer einen Taschenrechner in die Hand nimmt, und die Falschheit entlarvt.

    • 6G
      665119 (Profil gelöscht)
      @MeineMeinungX:

      Nigeria als Tonangeber der ECOWAS war aber britische Kolonie.