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Nach dem Brand im Hambacher WaldEinseitige Berichterstattung

Verletzter nach Baumhausbrand außer Gefahr. Medial machen Vorwürfe gegen die BesetzerInnen die Runde. Wer will hier eigentlich was?

Die verbrannten Reste und ein Holzofen aus dem abgebrannten Baumhaus Foto: David Young/dpa

Aachen taz | Die Nachricht war vom Dienstag: Bei einem Feuer in einem Baumhaus im Hambacher Wald war am Montagabend ein Mann schwer verletzt worden. Er kam mit einem Rettungshubschrauber in eine Aachener Klinik. Was folgte, waren Spekulationen und tendenziöse Halbwahrheiten über die BesetzerInnen, die den Wald seit Jahren gegen die Abbaggerung für den Braunkohletagebau verteidigen.

In den Meldungen der Agenturen und in sozialen Medien war von „Barrikaden im Wald“ zu lesen, die im Dunkeln Zufahrt und Einsatz behindert hätten. Tatsächlich sind die einzigen Barrikaden in der Umgebung die Steinpoller, die der Braunkohlekonzern RWE rund um die alte Autobahn A4 platziert hat, in unmittelbarer Nähe zum Brandort.

Ein Polizeisprecher bestätigte der taz: „Alle Zuwegungen waren frei. Das Wort Barrikade haben wir nie in den Mund genommen. Das Wort hat über die Agenturen Beine bekommen. Es gab laut Einsatzprotokoll lediglich Gerümpel und Baumaterial unter dem Baumhaus.“

In der Aachener Zeitung schrieb Reporter Marlon Gego von „linksextremen Waldbesetzern“. Er zitierte einen Eil-Tweet der BewohnerInnen aus der Brandnacht, man möge Blaulichtfahrzeuge „bitte nicht angreifen“, es habe einen Unfall gegeben. Ein Leser kommentierte das so: „Es ist dort offenbar üblich, Dienstfahrzeuge anzugreifen. Dass die Rettungsdienste überhaupt bereit waren, in dieses Waldgebiet zu fahren, muss ihnen hoch angerechnet werden.“

Aufgeputschte Situation

Tatsächlich gibt es über Jahre hinweg beidseitig dokumentierte Gewalt – von RWE-Sicherheitsleuten, Polizei und auch aus der Waldszene, wo beispielsweise auch schon Zwillen eingesetzt wurden. Die Wortwahl im Tweet unterschied sich nicht von der längst etablierten martialischen Sprache, die im Wald gegenüber Werkschützern und PolizistInnen verwendet wird.

Der Text über den Verunglückten aus dem Baumhaus, das in dem Text „Krähennest“ genannt wird, was aber der Name der ganzen Siedlung ist, war mit Fotos des angekohlten Baumhaus-Inventars am Boden illustriert. LeserInnen kommentierten auch hier schnell abwertend: „Wenn man sich die Bilder anschaut, muss man sich doch die Frage stellen, inwiefern es sich hier um ‚Waldschützer‘ handelt. Brandrodung und Vermüllung trifft es wohl eher!“

Gego schrieb, das Opfer werde per Haftbefehl gesucht, erklärte aber nicht, dass es dabei um geringe nicht bezahlte Geldstrafen geht. Einen Zusammenhang mit dem Braunkohlewiderstand gibt es nicht. „Irgendwelche Lappalien“, so der Polizeisprecher zur taz. Das sehe man an den geringen Beträgen. Ausgestellt hat ihn die Staatsanwaltschaft Mühlhausen/Thüringen.

Unklar ist auch, was überhaupt passiert ist: Hat der Mann fahrlässig mit offenem Feuer geheizt, gekocht? Das Brandgutachten dauert. Hinweise zu Fremdverschulden gibt es laut Polizei „überhaupt nicht“. Die Aufklärung kann dauern. Zu Weihnachten gabe es bereits einen Brand in der Mahnwache vor dem Hambacher Wald. Der Polizeisprecher sagt nur: „Die Ermittlungen laufen. Zeugen werden noch vernommen.“ Ein Anschlag, von Rechtsaußen oder aus militanten RWE-Sympatisantenkreisen, sei „weiterhin nicht auszuschließen“.

Im Wald zwischen Köln und Aachen, den der Kohlegigant RWE bis vor Kurzem weggraben wollte, harren trotz einer politischen Bestandsgarantie nach wie vor zwischen 50 und 100 Menschen in Dutzenden Baumhäusern aus.

Nach Auskunft des Polizeisprechers ist der am Montag verletzte Mann operiert worden, es bestehe keine Lebensgefahr. Ob er nach Genesung wirklich vom Krankenbett ins Gefängnis muss, sei wegen der Coronalage unklar. Da will man niemanden wegen Lappalien unnötig gefährden.

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6 Kommentare

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  • Ein durch einen Brand Schwerverletzter wurde mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.



    In D. nichts Neues und schon gar nichts Besonderews. Normalität.



    Die ganze Aufregung drumherum, geschenkt.

  • Richtig ist wohl, dass die Behausungen gegen Brandschutzvorschriften verstoßen, richtig ist wohl auch, dass dieser Verstoß Grund für die Räumungen war und richtig ist ferner, dass jetzt ein Mensch bei einem Brand in einer ebend jener Behausungen schwer verletzt worden ist.

    Der Rest ist solange unwichtig.

    • @DiMa:

      Richtig ist zuallererst einmal, dass da ein Mensch schwer verletzt wurde, der nach Ihren Worten also keine Rolle spielt.

      Zu Räumung und Brandschutz:



      Hier ein Artikel des ansonsten nicht mit Baumhausbesetzungspropaganda in Erscheinung getretenen Kölner Stadtanzeigers (der ansonsten meist eher die Pressemitteilungen der Polizei ungeprüft abdruckt):



      www.ksta.de/region...her-forst-32352298

      Richtig ist also, dass der Brandschutz erwiesenermaßen ein von Politik und Polizei vorgeschobenes Argument für die Räumung war und die Polizei den Baumhäusern, wäre es ihr tatsächlich um Brandschutz und Sicherheit gegangen, wohl kaum wie geschehen schon vorher die überall vorhandenen Feuerlöscher weggenommen hätte.

      Hier noch ein weiterer Artikel dazu

      blog.wdr.de/landta...s-hambacher-forst/

      "Insgesamt untersucht das Gutachten ein halbes Dutzend an möglichen rechtlichen Begründungen für den offenkundig gewollten Polizeieinsatz. Sogar das Forst- und Waldrecht (Seite 17) wird auf mögliche Eingriffsgründe hin geprüft. Am Ende erscheint dem Gutachter das Baurecht – “ein besonders scharfes Schwert” – als die effektivste Möglichkeit, “um die Besetzung und die Besetzungsinfrastruktur im Hambacher Forst (sonder)ordnungsbehördlich zu beenden.”

      Danach wird sofort ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, jetzt vom Bauministerium, das Einzelheiten des jetzt geplanten Vorgehens nach dem Baurecht klären soll."

      Richtig schlimm ist, wie ungeprüft Journalisten Agenturmeodungen und Polizeimekdungen übernehmen.

      Richtug toll wäre es also, dem verletzten Menschen alles Gute tu wünschen und ansonsten abzuwarten ob da tatsächlich noch irgendetwas klareres ermittelt wird.

      • @Jo Hannes:

        Menschen verletzen sich tagtäglich schwer, dass ist momentan tatsächlich wohl eher unwichtig.

        Mag sein, dass die Behörden den Brandschutz damals auch andere Gründe gehabt haben könnten, richtig ist, dass die Behausungen gegen den Brandschutz verstoßen. Daher sollte in Zukunft noch viel stärker darauf geachtet werden, damit sich solcherlei Gesetzesverstöße und Gefahren nicht wiederholen.

        • @DiMa:

          Blödsinn.



          Damals bezog sich "Brandschutz" nicht auf die Gefahr, dass sich Hüttenbewohner durch Brände verletzen könnten, sondern, es wurde eine Waldbrandgefahr herbeigeredet.



          Das war aber in der warmen Jahreszeit, in der die Hütten / Baumhäuser gar nicht beheitzt waren.



          Und -wie wir aktuell gesehen haben- ist in der Heiz-Periode die Waldbrandgefahr keineswegs besonders hoch.



          Und um die "Brandgefahr" zu bekämpfen, hatte die Polizei damals als allererste Maßnahmen /alle/ Feuerlöscher, alle Wasservorräte, die sie erreichen konnte, beschlagnahmt.

          • @Wagenbär:

            Blödsinn.

            Siehe bereits die beiden von JO HANNES geposteten Artikel.

            Grund für die damalige Räumung war das Baurecht. Der baurechliche Brandschutz schützt Gebäude und hat nix mit einer etwaigen Waldrandgefahr zu tun.