Nach brutalem Polizeieinsatz in Hamburg: Polizeiopfer bekommt Recht
Das Hamburger Landgericht verurteilt die Stadt zu Schadensersatz. Der Kläger ist seit einem Tonfa-Schlag auf seinen Kopf krank und arbeitsunfähig.
Johannes M. hatte am 13. September 2009 eine schwere Kopfverletzung erlitten, leidet seitdem unter ständigen Kopfschmerzen, Übelkeit und gravierenden Konzentrationsstörungen und ist seitdem auch offiziell „voll erwerbsgemindert“. Sein Leben ist seit diesem Septembertag zerstört.
Nach seinen Aussagen muss es ein Mitglied der bundespolizeilichen Einheit „Blumberg“, die berüchtigt für gewalttätige Übergriffe ist, gewesen sein, das ihm am Rande des Schanzenfestes mit einem Tonfa-Schlagstock das Schädeldach durchschlug und die Stirnhöhlenwände brach.
Da der Täter aber nicht ermittelt werden konnte, bestreitet die Hamburger Innenbehörde, die den Polizei-Einsatz koordinierte, bis heute die Version des Klägers. Diese aber hat das Landgericht nach Einholung zahlreicher Gutachten jetzt jedoch ohne Wenn und Aber bestätigt. Die Verletzung muss so zustande gekommen sein, wie es der Kläger berichtet.
Stadt wird wohl Berufung einlegen
Doch gewonnen ist für Johannes M., der seit der schweren Verletzung mit einer Rente von knapp 500 Euro auskommen muss, noch nichts. Sein Anwalt, Dieter Magsam, rechnet fest damit, dass die Hansestadt Berufung gegen das Urteil einlegen wird – dann würde der Prozess, der mehr als ein Jahr dauerte, erneut aufgerollt werden.
Erst wenn die Stadt rechtskräftig verurteilt wird, könnte die Schadenssumme in einem erneuten Verfahren vom Landgericht ermittelt werden. Das kann, sagt Magsam, „noch unendlich lange dauern“, da auch hier erneut eine Berufung der Stadt möglich wäre.
Während die Stadt derzeit prüft, „ob sie Rechtsmittel einlegt“ gegen die erstinstanzliche Entscheidung und auf Zeit spielt, mahnt Magsam zur Eile. Immerhin liegt der schreckliche Vorfall bereits über zehn Jahre zurück. Johannes M. ist mittlerweile 46 Jahre alt. Seit dem Vorfall lebt er an der Armutsgrenze. „Es wäre deshalb gut, wenn sich die Stadt endlich zu ihrer Verantwortung bekennt und mit meinem Mandanten einen Vergleich anstrebt“, appelliert der Anwalt an die Stadt.
Magsam fordert von Hamburg mindestens 125.000 Euro Schmerzensgeld, weitere 150.000 Euro Verdienstausfall bis zum heutigen Tage und eine lebenslange Rente für Johannes M. Zudem müsse die Stadt den Sozialversicherungsträgern die Beiträge für die kleine Erwerbsunfähigkeitsrente, die Johannes M. bekommt, vergüten. Magsam: „Es kann nicht sein, dass der Beitragszahler für etwas aufkommen muss, was durch eine solche Schweinerei der Polizei verursacht wurde.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch