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Nach antisemitischer Anfeindung in LeipzigHotel beauftragt interne Prüfung

Im Fall um den Musiker Gil Ofarim soll eine Anwaltskanzlei Aufzeichnungen auswerten und Mitarbeiter befragen. Derweil ist in Berlin ein 29-Jähriger attackiert worden.

Der Hotelbetreiber hat eine interne Untersuchung gestartet Foto: dpa

Leipzig/BERLIN epd/dpa | Nach dem mutmaßlich antisemitischen Vorfall gegen den Sänger Gil Ofarim im Leipziger Westin Hotel hat die Konzerngesellschaft eine Rechtsanwaltkanzlei mit der internen Untersuchung beauftragt. Die Kanzlei sei auf Compliance-Untersuchungen spezialisiert und habe sofort mit den Ermittlungen begonnen, teilte das Hotelmanagement am Freitagabend in Leipzig mit.

Dabei würden vorhandenes Datenmaterial und Videoaufzeichnungen ausgewertet sowie Mitarbeiter, Hotelgäste und sonstige Personen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, interviewt, um eine möglichst objektive Klärung des Vorfalls herbeizuführen.

Die Kanzlei sei nicht weisungsgebunden und werde ihre Erkenntnisse mit Staatsanwaltschaft und Polizei teilen. Der Abschlussbericht und entsprechende Handlungsempfehlungen würden zeitnah erwartet. Danach entscheide sich das weitere Vorgehen, hieß es. In dem Leipziger Hotel würden weder Antisemitismus noch sonstige Diskriminierungen geduldet.

Ofarim hatte am Dienstag eine offenbar antisemitische Anfeindung gegen ihn in dem Leipziger Hotel bekannt gemacht. Der Sohn der israelischen Musiklegende Abi Ofarim (1937-2018) war am Montag zu einem Dreh in Leipzig und wollte danach in dem Hotel einchecken. Der Musiker schilderte in einem zweiminütigen Video auf Instagram, wie ihm das verwehrt wurde, weil er eine Kette mit Davidstern trug. Laut seinen Angaben wurde in der Hotellobby gerufen: „Pack deinen Stern ein!“, ein Mitarbeiter soll gesagt haben: „Packen Sie Ihren Stern ein.“ Der Fall sorgt bundesweit und auch international für Empörung.

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Einer der beschuldigten Hotelmitarbeiter hat den Sänger wegen Verleumdung angezeigt. Ofarim will seinerseits nun auch Anzeige erstatten, teilte sein Management mit. Außerdem liegt der Polizei eine Anzeige von Unbeteiligten wegen Volksverhetzung vor.

Reizstoff ins Gesicht gesprüht

Unterdessen haben Unbekannte am Freitagabend einen ehemaligen Soldaten der israelischen Armee in Berlin-Rummelsburg angegriffen. Nach Angaben der Polizei vom Samstag trug der 29-jährige Berliner einen Pullover mit dem Emblem der israelischen Verteidigungsstreitkräfte und war gegen 21.50 Uhr auf dem Archibaldweg zum S-Bahnhof Nöldnerplatz unterwegs. Auf dem Platz vor dem Bahnhof habe ihn jemand auf seinen jüdischen Glauben angesprochen, woraufhin er den Kopf in Richtung des Sprechers wandte.

Plötzlich habe ihm jemand Reizstoff ins Gesicht gesprüht und ihn zu Boden gestoßen. Der oder die Täter flüchteten anschließend vom Tatort. In einem Geschäft fand der attackierte Mann Hilfe und konnte die Polizei alarmieren. Rettungskräfte behandelten die Verletzungen des 29-Jährigen ambulant. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittle wegen politisch motivierter Körperverletzung, hieß es.

Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Berlin, Samuel Salzborn, teilte dazu am Samstag mit: „In den letzten Wochen erleben wir ein gesellschaftliches Klima, in dem Antisemitismus immer wieder verharmlost und verleugnet wird.“ In einem solchen Klima fühlten sich antisemitische Gewalttäter bestärkt, ihrem Denken antisemitische Taten wie am Freitag folgen zu lassen. „Man muss diesen Zusammenhang begreifen: Wer Antisemitismus verharmlost, stärkt, ob gewollt oder nicht, objektiv ein Klima des Hasses, des antisemitischen Hasses auf Juden und auf Israel.“

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6 Kommentare

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  • Ic verstehe nicht, wieso das Hotel einen privaten anbieter mit aufgaben betraut, die die Polizei vornehmen müsste?



    Auswertung der Videos und Zeugenvernehmung?



    Hat man Sorge, dass die Ermittlungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden?

    Ich bin interessiert an einer Erklärung. Normal ist dieser Vorgang doch nicht?

    Wäre ich Zeuge und damit zur Aussage verpflichtet, ich würde einer Einladung zu einem "Interview" durch eine Detektei jedenfalls nicht nachkommen.

    • @Tripler Tobias:

      Die Polizei ermittelt natürlich schon , weil Gil einen Anzeige erstattete.



      Das andere sind die internen Nachforschungen um ggf. Personal zu schulen, oder auch ggf. bei zu harten Verstößen zu kündigen etc.

      • @Daniel Drogan:

        Man muss schon genau hinsehen: Gil hat erst Anzeige erstattet, nachdem der Hotelmitarbeitende dies getan hatte.

        Davor war das eine reine Twitter-Kampagne.

        Die Öffentlichkeit hat ihr Urteil längst gefällt, für die Behörden besteht auch kein dringender Handlungsbedarf, da kann man sich durchaus vorstellen, dass das Hotel so lange nicht warten möchte.

  • 3G
    33955 (Profil gelöscht)

    Die Gesellschaftspolitische Lage (Factum) in der ehemaligen DDR werde durch Debatten keine Lösung finden. Es gibt die Gruppe mit dem "Wunschkonzert". Es gibt die Gruppe die meint "Es ist alles übertrieben, wir sind DIE Opfer"- und das ist die größte Gruppe die auch dort lebt und das Sagen hat!



    Die DDRler sollten sich selber an die Nase packen und sich weiter entwickeln. Es gibt reichlich Möglichkeiten sich weiter zu bilden wenn sie es möchten-! Solange sind diese additive Bundesländern für mich- no go areas.

  • Bis jetzt würde ich die Situation als "Aussage gegen Aussage" bewerten...

    • @Bolzkopf:

      Genau, die Polizei darf ja auch in beide Richtungen ermitteln. Habe ja beide mittlerweile Anzeige erstattet.