Nach Vereidigung von Lukaschenko: Protest und Festnahmen in Belarus
Bei Demonstrationen gegen die Amtseinführung von Lukaschenko wurden hunderte Menschen festgenommen. Die EU erkennt ihn nicht als legitimen Staatschef an.
Der seit mehr als zweieinhalb Jahrzehnten autoritär regierende Lukaschenko hatte sich am Mittwochmorgen für eine weitere Amtszeit vereidigen lassen. Die Zeremonie fand ohne Vorankündigung im Palast der Unabhängigkeit in Minsk statt. Anders als in der Vergangenheit wurde die Vereidigung auch nicht im Staatsfernsehen übertragen. Damit wollte die Regierung offenbar verhindern, dass weitere Proteste provoziert würden.
Bei der Zeremonie sagte Lukaschenko nach Angaben des Präsidialamts vor handverlesenen ranghohen Beamten, sein Land habe sich einer „Farbrevolution“ widersetzt. Der Begriff wird in den ehemaligen Sowjetstaaten häufig abwertend für angeblich aus dem Westen gesteuerte Protestbewegungen verwendet, die sich gegen autokratische Regierungen wenden.
Bei der Wahl am 9. August soll Lukaschenko laut den offiziellen Ergebnissen 80 Prozent der Stimmen erhalten haben, seine inzwischen nach Litauen geflohene Rivalin Swetlana Tichanowskaja nur zehn Prozent. Die Wahl wurde von massiven Betrugsvorwürfen überschattet, die Opposition erkennt das Ergebnis nicht an.
„Wir haben dich nicht gewählt!“
Tausende Menschen waren am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag auf die Straße gegangen, um gegen die Amtseinführung Lukaschenkos zu demonstrieren. Maskierte Uniformierte gingen am Mittwoch teils auch mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor. Es gab auch Verletzte, die von anderen Demonstranten versorgt wurden. Menschen vor Ort erzählten, dass sie Schüsse in Minsk gehört hätten. Berichten zufolge setzten die Sicherheitskräfte zudem Tränengas ein. Das wiesen die Behörden zurück. Sie hätten die Lage unter Kontrolle, meldete die Staatsagentur Belta.
Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.
Slogans wie „Wir haben Dich nicht gewählt!“ oder „Du hast Dein Amt nicht angetreten, Du bist nur völlig senil geworden!“ war auf Schildern über den Staatschef zu lesen. Einige Demonstranten trugen falsche Kronen auf dem Kopf – als Anspielung auf Lukaschenkos Vereidigung.
Die EU hat die Amtseinführung Lukaschenkos verurteilt. Der Schritt stehe im direkten Widerspruch zum Willen großer Teile der belarussischen Bevölkerung wie er in zahlreichen beispiellosen friedlichen Protesten seit den Wahlen zum Ausdruck komme, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag mit. Der „sogenannten Amtseinführung“ fehle es wegen der Fälschung der Wahlergebnisse an jeglicher demokratischer Legitimation und sie sorge nur für eine weitere Vertiefung der politischen Krise in Belarus.
„Die Haltung der Europäischen Union ist klar: Die belarussischen Bürger haben das Recht, durch diejenigen Personen vertreten zu werden, die durch neue inklusive transparente und glaubwürdige Wahlen bestimmt werden“, so Borrell. Man stehe an der Seite der belarussischen Bevölkerung, das trotz brutaler Unterdrückung durch die Behörden weiterhin friedlich für Demokratie und seine Grundrechte demonstriere.
Inzwischen erklärten auch die USA, sie würden Lukaschenko nicht als legitimes Staatsoberhaupt anerkennen. Zur Begründung sagte am Mittwoch ein Sprecher des Außenministeriums in Washington, die verkündeten Ergebnisse seien „betrügerisch“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?