piwik no script img

Nach Verbot des KükenschreddernsO Bruder Hahn, wo gehst du hin?

Ein Großteil der männlichen Küken wird heute aufgezogen – aber wo landet eigentlich ihr Fleisch? Das wissen selbst Geflügelverbände nicht so genau.

Hat sich's gelohnt? Junge Hähne dürfen heute 85 Tage statt einen leben; dann werden sie geschlachtet

Bremen taz | „Nur eine Nischenlösung“ könne die Aufzucht von männlichen Küken sein, waren sich Ex­per­t*in­nen noch 2020 sicher. Zu mager blieben die Brüder von Legehühnern im Vergleich zu Masthühnchen, zu viel Futter brauchten sie, um überhaupt zuzulegen.

Dabei hatte die „Bruderhahninitiative Deutschland“, einige Jahre zuvor gegründet von Ökobauern aus Niedersachsen und Bio-Großhändlern, schon eines gezeigt: Für die Aufzucht der männlichen Küken waren Eierkäufer*in­nen durchaus bereit, ein bisschen mehr zu zahlen.

Gut neun Monate nach Verbot des Kükenschredderns ist die Bruderhahnaufzucht alles andere als eine Nische: Zumindest im Legehuhnland Niedersachsen ist sie bedeutsamer als das Aussortieren von „männlichen“ Eiern vor dem Schlüpfen. Etwa zwölf Millionen Bruderhähne, so eine Schätzung, werden bis Ende des Jahres im Bundesland aufgezogen.

Das sind mehr als die rund zehn Millionen männlichen Hühnerembryos, die hierzulande überhaupt gezeugt werden – Niedersachsen übernimmt noch männliche Küken aus anderen Bundesländern. Vor allem Betriebe am Küstenkanal, im Emsland und in der Grafschaft Bentheim haben sich auf die Bruderhahnmast spezialisiert.

Ihr Fleisch wird in Deutschland kaum verkauft

Bezahlt wird die Aufzucht immer noch durch eine Art Quersubvention: Die Eier der Hennen finanzieren die Aufzucht ihrer Brüder. Bei konventionellen, also Bodenhaltungseiern, macht das einen Preisunterschied von etwa zwei Cent pro Ei aus.

Auf die geschlüpften Kükenjungs wartet ein kurzes Leben: Nach 85 bis 90 Tagen in der Hähnchenmast ist es schon vorbei, die jungen Hähne werden geschlachtet. „Nach dieser Zeitspanne verwerten sie das Futter immer schlechter“, sagt Wolfgang Ehrecke von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Gerade mal 1.350 Gramm wiegen die Hähne dann.

Was danach mit ihnen geschieht, ist ein Rätsel: Weder die Landwirtschaftskammer Niedersachsen noch der Verband der Deutschen Geflügelwirtschaft kann Auskunft darüber geben. Klar ist nur so viel: Im deutschen Supermarkt an der Fleischtheke sind die Hähne nicht zu finden.

Der Verbleib des Fleisches: ungewiss

Nur im Biosegment gibt es ein paar Versuche, ihr Fleisch zu verkaufen. Ansonsten gilt laut Landwirtschaftskammer: „Bruderhahnfleisch ist ein Exportartikel“. Ob es im Ausland dann für den menschlichen Verzehr verkauft wird oder ob es doch einfach zu Tierfutter wird? „Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie es herausgefunden haben“, so Clemens Dalchau, Sprecher der Deutschen Geflügelwirtschaft. „Wir hier fragen uns das schon länger.“

Eine Forderung von Tierschützerinnen ist deshalb schon lange der Einsatz von „Zweinutzungshühnern“ – Hühnerrassen also, die vielleicht etwas weniger Eier legen, dafür aber etwas mehr Fleisch ansetzen als die hochgezüchteten Legehennen. In der Praxis ist das aber noch nicht weit verbreitet: Nur im Ökolandbau gibt es bisher Versuche, solche Rassen zu züchten und zu vermarkten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Es ist zum heulen.

    Leider nimmt der Artikel in keinem Ton Bezug auf das, was in den Ländern geschieht, in die dieses Fleisch importiert wird.

    Ich ergänze es mal kurz: lokale Landwirtschaft, die dasselbe Produkt herstellt geht Pleite, da sie nicht konkurrenzfähig produzieren kann.

    Dieses Fleisch ist für uns Europäer Abfall! Was billigst "entsorgt" wird.

    Die Doppelmoral ist unglaublich und zeigt in welchen Sphären wir uns eigentlich bewegen. Das "Leid" der geschredderten Küken ist für uns greifbarer als das Leid unserer Mitmenschen in den Ländern des globalen Südens.

    Wenn schon, dann konsequent: also gleich vegan leben.

    Wer Fleisch ist, muss damit leben, dass er Tiere auf dem Gewissen hat. Bitte nicht auch noch Menschen...

  • Esst kein Fleisch mehr...!!!

  • Ich habe noch nie verstanden, warum es für die Tiere so viel besser sein soll, die Küken auf engstem Raum in viel zu großen Gruppen mit Antibiotika zu mästen um sie danach doch zu töten, statt ihnen wenigstens das Leid dazwischen zu ersparen.



    Denn dass sich der Gnadenhof nicht durchsetzen wird, haben nicht mal die naivsten Zeitgenossen je geglaubt.

    • @Herma Huhn:

      Sehe ich auch so. Das Verbot des Kükenschredderns ist tierethisch nicht wirklich durchdacht.

  • Soviel Ignoranz! Bruderhahnfleisch ist eine Delikatesse. Dafür interessiert sich niemand in der deutschen "Geflügelwirtschaft".

  • Was für ein Euphemismus von Bruder Hahn zu sprechen, tötet man einen Bruder? Nur ein Ausstieg aus dieser menschenunwürdigen, tierunwürdigen und das Klima zerstörenden Tierausbeutungs- und Konsumgesellschaft ist zukunftsorientiert.