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Landwirte lassen männliche Küken lebenBruder Hahn gedeiht

Auf die Brüder von Legehennen wartet der frühe Tod. Nicht so bei der „Bruderhahn Initiative“ – der erste Schritt zu einer besseren Geflügelproduktion.

Vom Vergasen bedroht: Junge Hähne bekommen nicht immer eine Chance. Bild: DPA

Für Carsten Bauck vom Bauckhof im niedersächsischen Klein-Süstedt ist es der Brückenschlag zu einer neuen Form der Geflügelhaltung, bei der Hahn und Henne gleichberechtigt miteinander gehalten werden. Er zieht eine positive Bilanz der vergangenes Jahr begonnenen „Bruderhahn Initiative Deutschland“ (BID): Die hatte der Ökobauer gemeinsam mit den Naturkostgroßhändlern Nord, Elkershausen und Erfurt initiiert, um mit der gängigen Praxis zu brechen, dass die männlichen Eintagsküken millionenfach getötet werden. Die Brudertiere der Hochleistungs-Legehennen nämlich setzen zu langsam Fleisch an, als dass sie für konventionelle Mast geeignet wären.

„Die Nachfrage nach den Bruderhahn-Eiern“ ist groß, sagt Bauck. Diese Eier werden vier Cent teurer verkauft und finanzieren so die Aufzucht der Bruderhähne mit. Laut Pamela Wieckmann, Koordinatorin der BID, ist die Nachfrage größer als das Angebot: In Westdeutschland sucht man nach weiteren Landwirten, die sich beteiligen wollen. „Wir sind positiv überrascht, dass die Verbraucher bereit sind, mehr Geld für Ethik auszugeben“, sagt Bauck.

Zufrieden ist der Biobauer auch mit der Unterstützung durch das niedersächsische Landwirtschaftsministerium. Es prüft derzeit noch, ob das Töten der männlichen Küken verboten werden kann. „Ein sofortiges Verbot wäre Harakiri“, sagt Bauck allerdings. „Das würde nur zur Flucht ins Ausland führen.“ Stattdessen müsse die Politik „auf allen Ebenen hinterfragen, wie mit den Tieren umgegangen wird“.

Die Initiative

"Bruderhahn" soll das massenweise Töten männlicher Küken verhindern.

Der Aufschlag von 4 Cent pro Ei wird dafür verwendet, die Brüder der Legehennen zu mästen. Das wäre ansonsten unrentabel.

Die Aufzucht folgt Kriterien, die noch über die Demeter-Richtlinien hinausgehen.

Langfristiges Ziel ist die Züchtung von Geflügelrassen, die sich wirtschaftlich für Eierproduktion und Mast eignen.

Verboten ist das Töten männlicher Küken ab 2015 in Nordrhein-Westfalen.

Zwei Ansätze, um das Töten der Bruderhähne zu vermeiden, haben sich bislang noch nicht durchgesetzt. Es gibt einerseits eine Methode, um das Geschlecht eines Kükens bereits im Ei festzustellen, und es dann erst gar nicht zu bebrüten – doch die ist noch nicht alltagstauglich. Andererseits haben verschiedene Züchterfirmen inzwischen ein sogenanntes Zwei-Nutzungstier gezüchtet: ein Huhn, das gut Eier legt – und dessen männliche Variante sich ordentlich mästen lässt.

Ein solches Tier – namens „Lohmann Dual“ – bietet etwa die Cuxhavener Zuchtfirma Lohmann an. Doch der Absatz ist laut Unternehmenssprecher „sehr bescheiden“. Zum einen legt das Huhn weniger Eier, zum anderen braucht der Hahn deutlich mehr Futter. Pamela Wieckmann setzt auf weitere Züchtungen, die mit Biofutter ernährt werden und auf den Höfen selbst vermehrt werden können.

Ökobauer Bauck prophezeit, dass der Preis sowohl für Eier als auch für Hühnerfleisch dann deutlich steigen wird. Aber er ist zuversichtlich, dass die zahlenden Verbraucher dazu bereit sind, wenn sie wissen, was sie dafür bekommen – nämlich keinen „Wegwerfartikel“.

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4 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Die männlichen Küken dürfen sich jetzt auch der Mast erfreuen. Na, haben die aber ein Glück, nun das gleiche "Leben" in Dreck und Enge genießen zu können, wie ihre weiblichen Pendants.

  • Die (Fang-)Frage bei solchen Projekten ist immer, wie breit die Nachfrage nach den teureren Produkten wirklich ist. Dass ein Hof mit dem Modell gut über die Runden kommt - vielleicht auch zwei, drei oder zwanzig - heißt noch lange nicht, dass es am Markt durchsetzungsfähig wäre. Und solange das nicht der Fall ist, sterben weiter die männlichen Küken.

     

    "Der Kunde" ist halt kein einheitlich denkender Mechanismus, und die allermeisten Käufer schauen bei Eiern und Hühnerfleisch eben doch nur auf den Preis - bzw. delegieren das Herausquetschen des letzten Cents an die Einkäufer von Aldi & Co.. Und sie wählen auch weiter Parteien, die ihnen diesen Geiz nicht verbieten wollen.

     

    Deshalb kann man sich zwar freuen, dass es solche Höfe gibt. Aber sie beruhigen bis auf weiteres nur die Gewissen ihrer (wenigen) Kunden, was natürlich gerade in Deutschland immer ein lohnendes Geschäftsmodell ist. Einen wirklich wesentlichen Beitrag zum Tierschutz leisten sie nicht.

    • D
      Desillusionist
      @Normalo:

      Nun warten Sie doch einfach mal ab, wie sich das entwickelt, anstatt in vorauseilendem Pessimismus alles schon im Anfang in Grund und Boden zu schreiben.

       

      Und vielleicht ändern sich die Verbraucher doch. Sicher nicht alle, aber jeder, der sein Verhalten ändert, trägt zum Fortschritt bei. Kein Fortschritt sollte zu gering sein, um ihm Anerkennung zu verweigern.

  • R
    respekt !

    Der Bauck Hof ist mir schon öfter durch gute Produkte aufgefallen. Schön das sie sich für weitere Innovationen einsetzen. Ich wünsche ihnen viel Erfolg!