Nach Verabschiedung im Bundestag: Jüdische Organisationen gegen Antisemitismus-Resolution
Vergangene Woche hat der Bundestag eine umstrittene Antisemitismusresolution verabschiedet. Die Kritik reißt auch Tage später nicht ab.
„Während sie Lippenbekenntnisse zu ‚allen Facetten‘ jüdischen Lebens macht, verengt die Resolution dieses Leben auf ein Element: den Staat Israel“, heißt es in dem gemeinsamen Statement. Wieland Hoban, Vorsitzender des deutschen Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, findet diesen Punkt „besonders schlimm“. Sein Verein hat den Brief mit unterschrieben. So sagt er der taz, der Antisemitismusbegriff der Resolution mache Israel „zum Hauptpfeiler jüdischer Identität und ‚jüdischen Lebens‘“
Die Unterzeichnenden lehnen eine Verschmelzung ihrer Identität mit der „siedler-kolonialen Ideologie des Zionismus und der genozidalen Akte Israels“ ab, da sie diese Verschmelzung für antisemitisch halten und solidarisieren sich mit den Palästinenser:innen. Die Organisationen verurteilen zudem die fehlende Kontextualisierung des Hamasangriffs vom 7. Oktober 2023.
Kritik auch von Menschenrechtsorganisationen
„Der Anschlag auf Halle kommt gar nicht vor, dafür wird ohne Erklärung auf den ‚Berlinale-Skandal‘ verwiesen, der darin bestand, dass ein jüdischer Israeli und ein Palästinenser für einen gemeinsamen Film ausgezeichnet wurden und die israelische Politik anprangerten“, kritisiert zudem Hoban.
Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichte am Montagabend eine Mitteilung, in der sie die Verabschiedung der Resolution kritisiert. „Sie wurde geheim, ohne breite Beteiligung der Zivilgesellschaft verhandelt“, heißt es darin. Zudem erkenne die Resolution zwar rechtsextremen Antisemitismus an, schreibe die jüngste Zunahme des Antisemitismus „jedoch der verstärkten Migration aus Nordafrika und dem Nahen Osten zu.“
Und bei Amnesty International Deutschland heißt es: „Diese Resolution schafft Raum für Missbrauch, kriminalisiert legitime Kritik an der israelischen Regierungspolitik und bedient das rassistische Narrativ vom ‚importierten Antisemitismus‘“.
Besonders für Aufregung sorgte, dass die AfD dem interfraktionellen Antrag von Ampel und Union am Donnerstag zustimmte. „Die Parteien des angeblichen politischen Zentrums wurden enthusiastisch von der faschistischen AfD unterstützt“, heißt es in dem Brief der jüdischen Organisationen. Auf Grundlage der Resolution solle „eine noch rassistischere Einbürgerungs- und Abschiebepolitik gerechtfertigt werden und Rechtsextreme wie die AfD können ihren Rassismus mit der Begründung ausleben, sie würden jüdisches Leben schützen“, sagt Hoban.
Die sogenannte Antisemitismus-Resolution stellt eine Reihe von Forderungen auf, die jüdische Menschen besser schützen sollen. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist die Zahl der antisemitischen Übergriffe in Deutschland stark gestiegen. Die Resolution fordert unter anderem, dass keine staatlichen Gelder an Organisationen gehen dürfen, die Antisemitismus verbreiten.
IHRA-Definition umstritten
Was dabei antisemitisch ist, dafür soll die sogenannte IHRA-Definition maßgeblich sein. Diese wird von Regierungen verwendet, ist aber umstritten, weil sie Antisemitismus weit fasst. Auch die jüdischen Organisationen des Briefes weisen darauf hin, dass selbst einer der Hauptautoren der IHRA-Definition, Kenneth Stern, sich in der Vergangenheit von der Art und Weise distanziert hatte, wie sie genutzt wird.
Außerdem wird in der Resolution ein Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Antisemitismus hergestellt. Das Papier ist zwar nicht rechtlich bindend, kann von Politik und Behörden aber dennoch zur Orientierung herangezogen werden.
Die als konservativ geltende Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßte die Resolution in einer Pressemitteilung. So sei es wichtig, dass beim Begriff des Antisemitismus „keine Verwässerung akzeptiert wurde und die nicht-rechtsverbindliche „IHRA-Antisemitismusdefinition als maßgeblich“ herangezogen wird.“ Der Zentralrat der Juden in Deutschland sieht mit der Resolution die Grundlagen „für einen wirksamen Schutz jüdischen Lebens“ definiert. Die vorgesehenen Maßnahmen müssten „effektiv und zügig umgesetzt werden.“
Bereits im Vorfeld hatte es viel Kritik an der Resolution gegeben. Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Jurist:innen hatten einen Gegenentwurf veröffentlicht. Auch jüdische Persönlichkeiten des öffentliches Lebens kritisierten die sogenannte Antisemitismus-Resolution. Auch Organisationen aus Israel hatten vor dem Antrag gewarnt, die auch sie betreffen könnte.
„Ir Amim“, eine Organisation, die sich für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzt, fürchtet eine Atmosphäre, die ihre Arbeit delegitimiert, berichtet die tagesschau. Die israelische Regierung könne leichter Druck auf Deutschland aufbauen, Fördermittel zu entziehen, so die Befürchtung.
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