Nach Tod von Radfahrerin in Hamburg: Geldstrafe für Lkw-Fahrer
Ein 53-jähriger LKW-Fahrer wurde vom Amtsgericht Barmbek wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er überrollte eine Radfahrerin beim Abbiegen.
Der Unfall ereignete sich auf dem Poppenbütteler Weg im Hamburger Norden. Der Lkw und die Radfahrerin standen an der roten Ampel. Als diese auf grün sprang und beide losfuhren, übersah Ole D. beim Rechtsabbiegen auf den Goldröschenweg die junge Frau: Sie starb noch am Unfallort an ihren Verletzungen. Der Lkw hatte keinen Abbiegeassistenten.
Ole D. ist seit 31 Jahren Berufskraftfahrer. Zu Beginn des Prozesses entschuldigte er sich bei den Angehörigen – der Vater der Verstorbenen war Nebenkläger. D. wiederholte mehrmals, er frage sich bis heute, was er hätte anders machen können. Er habe alle Spiegel kontrolliert, den Verkehr beobachtet und die Radfahrerin schlichtweg nicht gesehen.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Zwar handele es sich um einen tragischen Unfall – dieser sei aber gerade der Fahrlässigkeit immanent. Der Angeklagte habe glaubhaft gemacht, wie sehr er den Vorfall bereue. Dennoch: Auch die Fahrerlaubnis sei ihm zu entziehen.
Nebenklage gegen Führerscheinentzug
Dem widersprach der Nebenklägervertreter Dirk Aringhoff: Zwar hätte Ole D. die Radfahrerin sehen müssen – es wäre aber fatal, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen: „Das würde ihm finanziell den Boden unter den Füßen wegreißen.“
Die Verteidigerin von Ole D., Simone Richter, sprach von einem „Augenblickversagen“ und forderte, ihn freizusprechen. Ihr Mandant werde permanent daran erinnert, den Tod eines Menschen verursacht zu haben. Das sei Strafe genug.
Der Richter kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass Ole D. die Frau durchaus hätte sehen können – zumal sie vor dem Lkw stand. D. hätte seine Fahrt beim Abbiegen so weit verzögern müssen, dass der Verkehr auch aus dem toten Winkel noch zu sehen sei. „Letztlich ist es der Bruchteil einer Sekunde, der über ein Schicksal entscheidet“, sagte Rosche. Doch in seinem bisherigen Leben habe sich Ole D. nichts zuschulden kommen lassen. Rosche sagte: „Sie wären sonst niemals vor einem Strafrichter gelandet.“
Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub sieht das Urteil kritisch: Das Nichtstun von Politik und Justiz sei ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und der Radfahrer*innen. „Wer vorbildlich fährt, tötet niemanden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen