Nach Stilllegung wegen Coronainfektionen: Kritik an Öffnung von Schlachthof
Auf Druck der Agrarlobby darf ein coronaverseuchtes Fleischwerk wieder schlachten. Gewerkschafter fordern, nicht nur Schweinehalter zu schützen.
![Nahaufnahme eines Schweinetrasporters. Nahaufnahme eines Schweinetrasporters.](https://taz.de/picture/4430128/14/corona-covid-19-schlachthof-soegel-toennies-weidemark-1.jpeg)
„Die Beschäftigten werden durch eine Verordnung in der Unterkunft gebunden und müssen trotzdem zur Arbeit auf den Schlachthof“, so Brümmer. „Wir erwarten ein umfassendes Arbeitsschutzkonzept, das erst den Beschäftigten dient und nicht nur der Landwirtschaft.“ Die Gewerkschaft wolle wissen, welche Maßnahmen gegen Corona-Infektionen der Betreiber, das Tochterunternehmen Weidemark des Fleischkonzerns Tönnies, bereits umgesetzt hat.
Der Landkreis Emsland hatte die Schließung des Schlachthofs zum vergangenen Wochenende verfügt. Denn bis vergangenen Donnerstag waren 112 Mitarbeiter Corona-positiv getestet worden. Schlachthöfe gehören zu den größten Corona-Infektionsherden. Der Lockdown der Anlage, der bis 3. November angesetzt war, sollte verhindern, dass sich das Virus weiter ausbreitet. Doch Landwirte protestierten mit Traktoren gegen die Schließung, weil sie ihre Schweine nicht mehr verkaufen konnten.
Arbeitsquarantäne für Mitarbeiter
Auch andere Schlachthöfe mussten ihre Produktion wegen des Infektionsschutzes reduzieren und trugen so zum „Schweinestau“ in den Ställen bei. Im Niedersächsischen Landtag sagte Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) den Tränen nahe, dass die Bauern verzweifelt seien. Tönnies ging gerichtlich gegen die Schließung vor.
Daraufhin gab der Landkreis am Sonntag nach und erlaubte wieder Schlachtungen. „Infektionsquellen sind identifiziert, gleichzeitig werden Ansteckungsrisiken durch umfassende Schutzmaßnahmen deutlich minimiert“, teilte Emslands Landrat Marc-André Burgdorf (CDU) nach einem Austausch mit der Tönnies-Tochter mit. „Insofern haben wir keine Begründung – und auch kein Interesse daran –, den Betrieb länger als unbedingt notwendig zu unterbrechen.“
Eine Maßnahme sei die Arbeitsquarantäne der Mitarbeiter, die sich vorerst bis zum 31. Oktober nur zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen. In der Zerlegung, wo sich laut Gesundheitsamt die meisten Arbeiter infizierten, dürften bis auf Weiteres maximal rund 200 statt vormals circa 600 Personen arbeiten.
Das Landratsamt wies die Kritik der Gewerkschaft am Montag zurück. „Unabhängig von der Situation in der Schweinehaltung stehen für den Landkreis Emsland der Infektionsschutz und die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Weidemark im Vordergrund“, schrieb Sprecher Udo Mäsker der taz. Die Beschäftigten würden kontinuierlich auf Corona getestet. Mit dem Unternehmen sei auch vereinbart worden, dass Mitarbeiter in Arbeitsquarantäne versorgt werden.
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