Nach Reizgas-Einsatz der Polizei: Erneuter Todesfall nach Pfefferspray
Ein psychisch kranker Mensch kollabierte und starb bei einem Polizeieinsatz in Hamburg – die Beamt*innen hatten Pfefferspray eingesetzt.
Wie die Polizei mitteilte und ein Sprecher des Klinikkonzerns Asklepios bestätigte, war der 57-Jährige am Sonntag in die Psychiatrie eingeliefert worden. Am Montag sollte er einem Richter vorgeführt werden, der entscheiden sollte, ob der psychisch auffällige Mann weiter in der Klinik bleiben müsse. Dagegen wehrte sich der Betroffene. Er verbarrikadierte sich in einem Zimmer der Psychiatrie, wo er randalierte und Fußleisten abriss.
Die Polizei korrigierte später eine Pressemitteilung, in der sie zuerst behauptet hatte, der Mann habe sich in der Toilette eingeschlossen und mit angespitzten Holzstäben bewaffnet. Ein Sprecher des Klinikkonzerns stellte richtig, dass es sich um herausgerissene Fußleisten gehandelt hatte, die nicht angespitzt waren.
Die Mitarbeiter*innen der Klinik riefen die Polizei, die sich Zutritt zu dem Zimmer verschaffte und den Mann unter Einsatz von Pfefferspray zu Boden brachte. Die Krankenhausmitarbeiter*innen spritzen ihm ein Beruhigungsmittel, das aber nicht sofort wirkte. Der Patient wehrte sich weiter, die Beamt*innen fixierten ihn auf dem Boden. Daraufhin verlor er das Bewusstsein und starb.
Tödliche Wechselwirkung
Der Leichnam liegt nun im Institut für Rechtsmedizin und soll obduziert werden. Rune Hoffmann, Sprecher des Asklepios-Konzerns sagte, die Klinik bedauere den Fall zutiefst. Leider komme es manchmal vor, dass psychisch labile Menschen in derartige Ausnahmezustände gerieten, die den Kreislauf überforderten und zu seinem Versagen führten. Die Klinik hält einen Zusammenhang zwischen dem Tod und dem in den Muskel gespritzten Beruhigungsmittel für äußerst unwahrscheinlich. Insbesondere wegen des kurzen Zeitraums zwischen Medikamentengabe und dem plötzlichen Herzstillstand. Genaueres werde die Autopsie zeigen.
Nun ermittelt die Polizei – allerdings nicht gezielt gegen die am Einsatz beteiligten Beamt*innen und Klinikmitarbeiter*innen. Zuständig ist die Abteilung für Todesermittlungen des LKA. Die solle klären, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten den Patienten ums Leben gebracht habe, oder eine Vorerkrankung, erklärte ein Sprecher der Polizei.
In den USA meldete das Justizministerium 2003 zahlreiche Todesfälle infolge von Pfefferspray bei Inhaftierten.
Nach Recherchen von Spiegel Online starben 2009 in Deutschland drei Menschen an den Folgen.
Zwei von ihnen standen unter Drogen, der Dritte war psychisch krank und hatte ein Beruhigungsmittel gespritzt bekommen.
Die Wechselwirkung von Pfefferspray mit Drogen wie Kokain kann es den Kreislauf überfordern und zum Erliegen bringen.
Bei Medikamenten kommt es auf die Inhaltsstoffe an. In Verbindung mit Psychopharmaka kann Reizgas tödlich sein.
Dass Pfefferspray in Wechselwirkung mit Drogen oder Psychopharmaka tödlich sein kann, ist schon lange bekannt. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags weist darauf hin, dass „indirekte gesundheitliche Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen, insbesondere für solche Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder Psychopharmaka eingenommen haben“, und nennt auch einige Todesfälle.
Experten wie der Kriminologe Thomas Feltes warnen außerdem schon seit Jahren davor, dass Pfefferspray auch in psychischen Ausnahmesituationen tödlich sein kann. Wenn der Körper unter Stress steht, wie beispielsweise bei Panikattacken, Psychosen, unter Drogen oder einem Allergieschock, kann das Reizgas den Kreislauf zum Erliegen bringen.
Nur in Notwehr erlaubt
Schon bei gesunden Menschen löst es Hustenreiz und Atemnot, Tränen und Krampfen der Augenlider, Sprechstörungen und stundenlange Hautreizungen aus. Die Biowaffenkonvention von 1972 verbietet seinen Einsatz in internationalen Konflikten. In Deutschland darf man es nur in Notwehr gegen Menschen einsetzen.
Im Fall des am Sonntag in Langenhangen Verstorbenen hat die Polizei Hannover jetzt interne Ermittlungen eingeleitet. Zwar sah die Staatsanwaltschaft zunächst keinen Hinweis auf polizeiliches Fehlverhalten und somit auch keinen Anlass für Ermittlungen – und blieb auch am Mittwoch bei dieser Einschätzung. Allerdings möchte die Polizei nach Angaben des Staatsanwalts den Eindruck verhindern, die Behörde wolle etwas vertuschen.
Die Obduktion des Toten, der auf der Straße randaliert hatte und mit Pfefferspray zu Boden gebracht worden war, hat ein Herz-Kreislauf-Versagen als Todesursache ergeben. Der Mann hatte einen Herzfehler gehabt. „Ein Zusammenhang mit dem Pfefferspray ist nicht ersichtlich“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Toxikologische Untersuchungen stehen aber noch aus.
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