Kommentar über tödliches Pfefferspray: Die Mär vom milden Mittel
Die Polizei sprüht wahllos und viel mit Pfefferspray. Die erneuten Todesopfer zeigen, dass es höchste Zeit ist, den häufigen Gebrauch einzustellen.
Noch immer gilt Pfefferspray als das vermeintlich mildere Mittel im Polizeieinsatz. Weil es keine Schlagstock-Platzwunden und keine Wasserwerfer-Frakturen auslöst und auch der „finale Rettungsschuss“ damit nicht möglich ist. Und weil Pfefferspray angeblich so „milde“ ist wie Babyshampoo, wird bei Polizeieinsätzen recht wahllos damit umgegangen, frei nach dem Motto: „Darf's auch etwas mehr sein?“ So versprühte die Polizei 2010 bei einem einzigen Castor-Einsatz fast 2.200 Kartuschen.
Verdrängt wird, dass Pfefferspray, angewendet bei Asthmatikern, Herzkranken, und Menschen, die unter Psychopharmaka oder Drogen stehen, schnell zur tödlichen Waffe werden kann. Hier kommt es zu gefährlichen Wechselwirkungen. Immer wieder hat es auch in der Bundesrepublik Todesfälle bei diesen Personengruppen nach dem Einsatz von Pfefferspray gegeben.
Jetzt erinnern zwei Tote innerhalb von drei Tagen an diese Tatsache, die auch durch zahlreiche Gutachten belegt ist. Guckt man in die Historie der deutschen Pfefferspray-Opfer kann man von durchaus typischen Todesfällen sprechen. Doch vor der endgültigen Bewertung bedarf es der vollständigen medizinischen Aufklärung.
Bei fast keinem Einsatz weiß der Pfefferspray nutzende Beamte, ob sein Gegenüber kerngesund ist und etwas eingenommen hat. Jeder Einsatz des Wirkstoffs ist damit ein potenziell tödlicher. Genau deshalb ist die Geschichte vom milderen Zwangsmittel nur eine Mär.
Gerade weil der Einsatz von Pfefferspray inflationiert wurde, brauchen wir einen Stopp. Wenn überhaupt, dann darf Pfefferspray nur noch im Notwehr- oder Nothilfefall eingesetzt werden, nicht aber in jeder x-beliebigen Situation. Und bis die Konsequenzen aus den beiden Todesfällen gezogen wurden, am besten gar nicht.
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