Nach Rausschmiss aus der AfD: Kalbitz will Entscheidung anfechten
Andreas Kalbitz kündigt an, gegen seinen Parteiausschluss juristisch vorzugehen. AfD-Chef Jörg Meuthen behauptet, die Maßnahme sei keine politisch begründete.
„Ich (...) werde alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um diese aus meiner Sicht politische Fehlentscheidung anzufechten“, teilte er auf Anfrage mit. Eine Sprecherin der AfD-Fraktion erklärte, die Fraktion werde sich später zu der Entscheidung äußern. Ob Kalbitz formell weiter Landes- und Fraktionschef ist, war zunächst unklar. Kalbitz wurde im April 2017 Vorsitzender der AfD Brandenburg, im November 2017 Chef der Landtagsfraktion. Die AfD kam bei der Landtagswahl 2019 unter seiner Parteiführung auf 23,5 Prozent – Rang zwei hinter der SPD, die seit 30 Jahren im Land regiert.
Nach dpa-Informationen stimmten der Parteivorsitzende Jörg Meuthen und sechs weitere Mitglieder des Parteivorstandes für den Beschluss. Kalbitz, der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, sowie drei weitere Mitglieder waren dagegen. Carsten Hütter aus Sachsen enthielt sich demnach der Stimme.
Mehrere Parteikollegen von Kalbitz zeigten sich solidarisch mit Kalbitz. „Wir stehen zu unserem Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz“, schrieb Landes- und Fraktionsvize Birgit Bessin gemeinsam mit den Abgeordneten Dennis Hohloch und Andreas Galau bei Facebook. „Der politische Gegner seht draußen!“, schrieb Bessin.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland sagte gegenüber der ARD und dem ZDF, er halte die Entscheidung des Bundesvorstandes „für falsch und für gefährlich für die Partei“. Er glaube nicht, dass dies juristisch Bestand habe. Co-Fraktionschefin Weidel sagte, das Verfahren sei „juristisch höchst angreifbar“. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner forderte via Twitter „dringend und kurzfristig“ die Einberufung eines Bundesparteitages, damit jedes Mitglied des Bundesvorstandes seine Gründe für seine Entscheidung darlegen könne. Er habe zu den fünf Mitgliedern gehört, die gegen diese Entscheidung gestimmt hätten.
„Wir sind eine bürgerlich-freiheitlich-konservative Partei“
Meuthen erklärte in ARD und ZDF, in einer „sehr ernsthaften, auch kontroversen“ Diskussion sei es darum gegangen, ob die Bedingungen zur Aufnahme von Kalbitz 2013 rechtlich korrekt waren oder nicht. „Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, mehrheitlich, sie sind es nicht und haben daraus die Konsequenzen gezogen.“ Am Samstag verteidigte er im RBB-Inforadio erneut die Beendigung der Parteimitgliedschaft des Brandenburger Landes- und Fraktionschefs Andreas Kalbitz. Die Debatte im Vorstand sei keine politische gewesen, „sondern eine rechtliche über die Frage, ob die Mitgliedschaft nichtig gestellt werden muss, weil bei der Parteiaufnahme wichtige Tatsachen verheimlicht wurden“.
Nach Aktenlage sei Kalbitz Mitglied der rechtsextremen „Heimattreuen deutschen Jugend“ gewesen, sagte Meuthen. Es habe aus der Partei heraus Druck gegeben, in dieser Frage zu entscheiden. „Wir sind eine bürgerlich-freiheitlich-konservative Partei“, sagte der AfD-Vorsitzende. „Wir müssen geschlossen stehen, wir müssen aber eine klare Abgrenzung zu rechtsextremen Positionen haben.“
Meuthen hob hervor, es gehe nicht um eine politische Bewertung der Arbeit von Kalbitz. Dieser habe „sehr viel Gutes“ für die Partei getan, zum Beispiel einen guten Wahlkampf in Brandenburg geführt. Es sei eine „schmerzhafte Entscheidung“ gewesen, fügte Meuthen hinzu.
Kalbitz fordert Anhänger auf, in der Partei zu bleiben
In dem Beschluss des AfD-Bundesvorstands heißt es, die Mitgliedschaft sei mit sofortiger Wirkung aufgehoben, „wegen des Verschweigens der Mitgliedschaft in der „Heimattreuen Deutschen Jugend““ (HDJ) und „wegen der Nichtangabe seiner Mitgliedschaft“ bei den Republikanern zwischen Ende 1993 und Anfang 1994. Die HDJ steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD. Wer Mitglied einer Gruppierung war, die auf dieser Liste steht, darf nicht in die AfD aufgenommen werden.
Kalbitz hatte in einer vom Vorstand geforderten Stellungnahme eingeräumt, dass er es für „durchaus möglich und wahrscheinlich“ halte, im Zusammenhang mit dem Besuch einer Veranstaltung der HDJ auf einer Liste der inzwischen verbotenen Organisation zu stehen. Laut einem internen Gutachten des Verfassungsschutzes fand sich in den Unterlagen der rechtsextremen Gruppierung eine Mitgliedsnummer, die der „Familie Andreas Kalbitz“ zugeordnet war. Kalbitz hatte betont, er sei nicht Mitglied.
Kalbitz selbst sagte im ZDF: „Ich bedaure, dass Teile des Bundesvorstandes sich offensichtlich zu Handlagern der politischen Gegner und des Verfassungsschutzes gemacht haben.“ Seine Anhänger rief er zum Zusammenhalt in der Partei auf. „Ich bitte Euch herzlich: Tretet nicht aus, wir machen natürlich weiter. Die Verantwortung für unser Land ist wichtiger als einzelne Personen“, sagte Kalbitz am Freitagabend in einem Video bei Facebook. „Und ich bin zuversichtlich, dass wir in Brandenburg auch in Zukunft wieder weiter an diesen Erfolg anknüpfen werden.“
Brandenburgs Linke: Verfassungsschutz soll AfD beobachten
Aus Sicht der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken ändert der Rauswurf von Kalbitz nichts an der Ausrichtung der AfD. „Es wird der AfD weder durch die wirkungslose Auflösung des sogenannten „Flügels“ noch durch Parteiausschlüsse gelingen, sich von dem rechtsextremen Gedankengut zu distanzieren, das längst die gesamte Partei durchdrungen hat“, sagte Esken dem Nachrichtenportal t-online.de. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamim Strasser schrieb auf Twitter: „Wenn es der #AfD wirklich um Rechtsextreme in den eigenen Reihen ginge, wäre #Höcke schon längst weg“.
In Brandenburg selbst wurden nach dem Rausschmiss von Kalbitz aus der AfD weitere Konsequenzen gefordert. Der Verfassungsschutz solle eine Beobachtung des AfD-Landesverbandes genau prüfen, erklärte die Landesvorsitzende der Grünen, Julia Schmidt, am Freitagabend in Potsdam. Die Landesvorsitzenden der Linken, Katharina Slanina und Anja Mayer, forderten die Beobachtung durch den Verfassungsschutz: „Die Brandenburger AfD stand und steht dem Flügel nahe – und nun ist ihr Landesvorsitzender selbst der AfD zu rechts“, erklärten sie.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Petra Budke, und der SPD-Fraktionsvorsitzende, Erik Stohn, forderten Kalbitz auf, sein Landtagsmandat niederzulegen. „Er hat die Öffentlichkeit stets getäuscht über seine Rolle und Verstrickung in der rechtsextremen Szene“, sagte Stohn.
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