Machtkampf in der AfD: Meuthens gewagte Ansage

Der Kalbitz-Rauswurf stößt innerhalb der Partei nicht nur auf Zuspruch. Jörg Meuthen macht sich damit zum ärgsten Feind des „Flügels“.

Andreas Kalbitz Portrait vor blauem Hintergrund

So schnell will er nicht aufgeben: Brandenburgs geschasster AfD-Chef Kalbitz Foto: Michael Sohn/ap

Andreas Kalbitz ist ein Rechtsextremist, das hat ihm jüngst selbst der Verfassungsschutz bescheinigt. Die zahlreichen Belege dafür sind seit Jahren bekannt. In der AfD hat sich daran lange kaum jemand gestört. Kalbitz, ein begnadeter Strippenzieher und erfolgreicher Wahlkämpfer, war nicht nur Landes- und Fraktionschef in Brandenburg, sondern auch Mitglied im Bundesvorstand der Partei. Parteichef Jörg Meuthen hat sich von Kalbitz und seinem „Flügel“ ins Amt wählen lassen und lange mit ihm paktiert.

Dass Meuthen nun gegen Kalbitz vorgeht, hat weniger mit neuen Erkenntnissen über dessen rechtsextreme Biografie oder geläuterten politischen Einsichten zu tun, sondern machttaktische und pragmatische Gründe. Der „Flügel“, zuletzt zwar formal aufgelöst, ist parteiintern immer mächtiger geworden, und er hat sich Meuthens Konkurrentin Alice Weidel zugewandt.

Parteifunktionäre vor allem aus den westlichen Bundesländern, die sich für gemäßigt halten, drohten damit, dem Parteichef die Unterstützung zu entziehen, sollte er nicht endlich etwas unternehmen. Nach der Entscheidung des Verfassungsschutzes wuchs insbesondere im Westen die Angst, die Gesamtpartei könnte von der Behörde als rechtsextremer „Verdachtsfall“ eingestuft werden, was wiederum einen Teil der WählerInnen verschrecken und die BeamtInnen unter den Mitgliedern vertreiben könnte.

Zudem hat die Behörde mit dem Beleg, dass Kalbitz Mitglied in der Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) gewesen ist, Meuthen einen Hebel geliefert. Weil Kalbitz bei Parteieintritt die HDJ-Mitgliedschaft verschwiegen hatte, konnte ihm der Bundesvorstand mit einfacher Mehrheit die Parteimitgliedschaft mit sofortiger Wirkung entziehen.

Spaltung nicht ausgeschlossen

Ungeachtet all der Paktiererei sollte man die Bedeutung der Causa Kalbitz nicht unterschätzen: Meuthen hat – zumindest vorübergehend – den einflussreichsten Mann des „Flügels“ gestürzt. Und damit einen Machtkampf in der AfD losgetreten, wie es ihn vielleicht seit 2015 nicht mehr gab. Damals verließ Ex-Parteichef Bernd Lucke am Ende gedemütigt die Partei.

Für Meuthen birgt das gleich mehrere große Risiken. Sollte Kalbitz seinen Rausschmiss erfolgreich anfechten, was durchaus möglich ist, kann der Parteichef abtreten. Ist das nicht der Fall, wird der „Flügel“ alles tun, um Meuthen zu stürzen. Ob Meuthen diesen Machtkampf politisch überlebt oder ob er wie Lucke oder Frauke Petry endet, ist schwer abschätzbar. Das Gleiche gilt für die Frage, wie rechtsextrem die AfD am Ende sein wird. Selbst eine Spaltung samt Entstehung einer „Lega Ost“ scheint nicht mehr ausgeschlossen.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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