Nach Polizeieinsatz im Hambacher Forst: Viele offene Fragen
Sechzehn Tage dauerte die Räumung im bedrohten Wald. Einige Fragen bleiben: War die Palettenräumung etwa überhaupt gerechtfertigt?
War die Palettenräumung gerechtfertigt?
Räumung und Großeinsatz erfolgten aufgrund eines Erlasses des CDU-geführten NRW-Bauministeriums. Die Baumhäuser hielten Brandschutzbestimmungen nicht ein, also müsse man sie räumen. Am 2. Oktober räumte die Polizei im Auftrag der Stadt Kerpen aber auch besetzte Paletten und Plattformen mit Zelten. Diese zählen laut einem Sprecher des Kreises Düren nicht als „bauliche Strukturen“: Brandschutzbestimmungen treffen auf sie also nicht zu. Die Pressesprecherin der Stadt Kerpen teilte mit, man habe das nicht beauftragt – die Polizei handle im Auftrag von RWE. Doch laut Polizei, AugenzeugInnen und Videomaterial hatte Kerpen vor jeder Maßnahme Räumungsverfügungen verlesen lassen. Kerpen war also Auftraggeber.
Eine Polizeisprecherin erklärte, ohne den Kerpener Auftrag wäre es Sache von RWE gewesen, Paletten und Plattformen zu entfernen. Der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Grüne), als parlamentarischer Beobachter vor Ort, sagte, Kerpen habe „ein inniges Verhältnis“ zu RWE. Die rechtliche Grundlage für die beauftragten Maßnahmen hat Kerpen der taz bislang nicht mitgeteilt.
Was haben die Aktivisten skandiert, nachdem ein Journalist im Wald tödlich verunglückt war?
Am Mittwoch, den 19. September, stürzte der Journalist Steffen Meyn aus 15 bis 20 Metern Höhe zu Tode. Innenminister Herbert Reul (CDU) behauptet seitdem, BesetzerInnen “in der Nähe des Unfallortes“ hätten “Scheiß drauf“ skandiert, während Sanitäter versuchten, Meyn zu reanimieren. Reul war nicht vor Ort, sondern beruft sich auf die angeblichen Aussagen einer einstelligen Anzahl von PolizistInnen. Demgegenüber stehen AugenzeugInnen wie die Linken-Politikerin Kathrin Vogler, zahlreiche JournalistInnen sowie eine zwei- bis dreistellige Anzahl BürgerInnen und AktivistInnen. Sie widersprechen Reul und schildern, dass BesetzerInnen herbeigerannt seien, “Mörder“ und “Blut an euren Händen“ gerufen hätten – gefolgt von langer Stille, Weinen und Gebeten. Gegenüber der WDR-Sendung Westpol hat sich die Pressestelle der Polizei geweigert, Reuls Aussage zu bestätigen.
Warum waren während der Räumung keine CDU-Politiker vor Ort?
Parlamentarische Beobachtung geschieht durch Abgeordnete, die über polizeiliche Einsätze wachen sowie in Konflikten vermitteln. Die Grünen entsandten während des Großeinsatzes fast täglich BeobachterInnen. Auch die Linke war häufig vor Ort. Doch die Partei, deren Mitglieder den Großeinsatz veranlasst hatten, traf man nicht. Ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion sagte der taz: “Die CDU-Landtagsfraktion hatte niemanden in den Hambacher Forst zu einer Beobachtung entsandt.“ Die Bundestagsfraktion antwortete auf mehrfache Anfrage nicht. Ob CDU-Abgeordnete den Großeinsatz überwacht haben, ist bislang nicht bekannt.
Hat die Polizei den BesetzerInnen Wasser verweigert?
Am Abend des 1. Oktobers meldeten BesetzerInnen, die Polizei lasse kein Wasser zu ihnen durch, sondern kippe es vor ihren Augen aus und fordere sie auf, die Besetzung aufzugeben, sollten sie trinken wollen. Auf Anfrage teilte eine Polizeisprecher am selben Abend mit: Aufgrund eines kürzlich vollzogenen Schichtwechsels könne man das aktuell nicht verfolgen. Man werde aber Fotos und Videos auswerten, auch die der BesetzerInnen. Am 3. Oktober sagte eine Sprecherin, die Auswertung laufe noch. Das Ergebnis ist offen.
Warum wurde ein angrenzendes Grundstück durchsucht?
Am 1. Oktober durchsuchte die Polizei das an den Hambacher Forst angrenzende Privatgrundstück von Kurt Claßen sowie die darauf befindlichen Häuser von AktivistInnen – ohne Durchsuchungsbeschluss. Dabei berief man sich auf das Polizeigesetz: Das erlaube dieses Vorgehen bei akut drohender Gefahr, wie beispielsweise der Vorbereitung von Straftaten. Inwiefern durch die Beschlagnahmung von Wasser, Möbeln und Rädern einer solchen Gefahr begegnet worden ist, ist noch offen. Ebenso die Frage, warum gleichzeitig auch Personal im Dienst von RWE Zutritt zum Privatgrundstück bekam.
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