Nach Musks Twitter-Übernahme: Nicht immer im Kampfmodus
Twitter droht der Rechtsruck. Muss man bleiben, um die Plattform nicht den Rechten zu überlassen? Mitnichten.
E lon Musk hat Twitter übernommen. Seitdem wird feierlich erklärt, die Plattform zu verlassen oder beteuert, dass man jetzt erst recht auf Twitter bleiben wird. Ich habe da eine sehr klare Meinung zu: Macht doch, was ihr wollt!
Diejenigen, die ihr Bleiben kundtun, argumentieren damit, dass sie den Rechten nicht das Feld überlassen wollen. Es ist wichtig, sich rechten Positionen, diskriminierenden Äußerungen oder Fake News entgegenzustellen. Menschenverachtendes lässt sich nicht wegignorieren. Man muss schon etwas tun: aktiv werden, widersprechen, aufklären oder richtigstellen.
Doch wie lange und unter welchen Bedingungen soll ich mich verpflichtet fühlen, mit Rechten einen Raum zu teilen? Kann es nicht auch Vorteile haben, gewisse Leute auf gewissen Feldern stehen zu lassen und sich Neuland zuzuwenden? Wir könnten so eher neue Räume erschließen und eigene Felder bestellen. Wäre es wirklich ein Verlust, sich weniger mit rechten Trollen auseinanderzusetzen?
Wenn ich auf gute Ideen kommen, mich nett unterhalten oder angeregt austauschen möchte, dann geh ich dafür ja auch nicht in die Springer-Kantine.
Safer Spaces aufbauen
Linke müssen sich nicht die ganze Zeit mit Rechten beschäftigen. Und es ist auch nicht die Aufgabe Marginalisierter, sich immer wieder gegenüber irgendwelchen Leuten zu behaupten, für die wir ohnehin schon eine Provokation sind, weil sie uns in unserer bloßen Existenz ablehnen. Beleidigungen aushalten und Hasskommentare ausblenden kostet Energie, die in eigene Ideen und Projekte fließen könnte. Wer ständig auf rechte Talking Points reagiert, verpasst vielleicht Gelegenheiten, eigene Themen und Schwerpunkte zu setzen.
Es macht Sinn, Orte wie Safer Spaces aufzubauen – digitale wie analoge, in denen wir uns in Ruhe inhaltlich austauschen, diskutieren und produktiv streiten können, um Antworten auf politische Fragen zu finden. Was habe ich davon, mit Rassist*innen zu diskutieren? Wo bringt mich das in meiner eigenen Wissens- oder Meinungsbildung weiter? Wenn Expert*innen Überlegungen anstellen, welche Maßnahmen die besten sind, um die Klimakatastrophe aufzuhalten, dann ist es nicht sehr konstruktiv, wenn wer mit im Raum ist, der den menschengemachten Klimawandel leugnet oder immer wieder reinblökt, die Erde sei eine Scheibe.
Ich freue mich, wenn meine Texte wen überzeugen, der zuvor eine andere Position hatte oder noch nie über das Thema nachgedacht hat. Hauptsächlich teile ich aber meine Gedanken, um Gleichgesinnte zu finden, mich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Sorgen, Ziele und Fragen an die Welt haben. Sich Rechten entgegenstellen muss nicht heißen, immer im Kampfmodus zu sein. Es bedeutet auch, Räume zu schaffen, in denen Menschen sich organisieren und eigene Punkte setzen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?