Nach Mord an UN-Mitarbeitern im Kongo: Ein herber Rückschlag
Im Frühjahr 2017 wurden im Kongo zwei Angehörige einer UN-Expertengruppe ermordet. Seit kurzem ist der Hauptzeuge verschwunden.
Es war der Tiefpunkt der Spannungen zwischen der Regierung der Demokratischen Republik Kongo und der internationalen Gemeinschaft in den Schlussjahren der Präsidentschaft von Joseph Kabila gewesen: die brutale Ermordung zweier Angehöriger der UN-Expertengruppe für den Kongo im März 2017. Michael Sharp, der Chef der Gruppe, und seine Kollegin Zaida Catalan wurden am 12. März 2017 auf dem Weg zu einem Treffen mit Aufständischen in der Bürgerkriegsregion Kasai verschleppt. Zwei Wochen später fanden UN-Emittler ihre schrecklich zugerichteten Leichen – sie waren erschossen und Catalan war der Kopf abgeschlagen worden.
Bis heute ist der Kopf verschwunden und der Doppelmord ist nicht aufgeklärt, obwohl in Kasais Hauptstadt Kananga ein Militärprozess gegen mutmaßliche Verantwortliche läuft. Jetzt haben die Bemühungen um Aufklärung einen herben Rückschlag erlitten. Am Dienstag früh teilte die Militärstaatsanwaltschaft von Kananga mit, der einzige geständige Täter und zugleich Hauptbelastungszeuge, Evariste Iluna Lumu, sei mit einem weiteren Verdächtigen und einem Dutzend anderen Häftlingen in der Nacht aus dem Gefängnis von Kananga geflohen.
Militärstaatsanwalt General Tim Mukonto sprach am Nachmittag auf einer Pressekonferenz von einer „konfusen Situation“ im Gefängnis: „Seit einiger Zeit waren die Häftlinge die faktischen Herren der Haftanstalt.“ Er setzte eine Belohnung von 10.000 US-Dollar aus.
Unabhängige Beobachter fürchten nun, Ilunga werde einfach aus dem Weg geräumt, damit er nicht noch weitere kompromittierende Anschuldigungen gegen Kongos Militär macht. Ilunga hatte im September 2018 erstmals bestätigt, einer der Männer auf einem von der Regierung veröffentlichten Video der Hinrichtung der beiden UN-Experten zu sein – da ist zu sehen, wie Männer in den roten Stirnbändern der Kamuina-Nsapu-Rebellen Kasais die beiden Weißen töten, was die Regierung als Beweis dafür ansah, dass Rebellen die Täter waren.
Tshisekedi steht vor neuen Problemen
Ilunga hatte aber auch ausgesagt, die Munition für die Hinrichtung sei kurz zuvor vom Schullehrer Jean-Bosco Mukanda ausgegeben worden, der nebenbei als lokaler Kontaktmann der kongolesischen Armee arbeitete – und der zugleich den beiden UN-Experten bei ihrer Reiseplanung behilflich gewesen war. Internationale Recherchen haben aufgedeckt, dass die beiden UN-Mitarbeiter die ganze Zeit unter Beobachtung des Geheimdienstes standen und mit großer Wahrscheinlichkeit bewusst in eine Falle gelockt wurden.
Mukanda soll Ilunga zufolge den unmittelbaren Befehl zur Hinrichtung erteilt haben. Es gibt auch die Mutmaßung, dass er das Video selbst drehte. Zwei Wochen nach dem Mord nahm er in seiner Funktion als Armeemitarbeiter Kontakt zu dem nach Kasai gereisten UN-Ermittlerteam auf, das die beiden verschwundenen Experten suchte, führte sie zu den hastig begrabenen Leichen und nannte Ilunga als Mörder. Der kam daraufhin in Haft – aber als internationale Recherchen enthüllten, dass Mukanda vor und nach dem Mord telefonischen Kontakt mit Armeeoffizieren hatte, wurde auch er festgenommen, ebenso drei Geheimdienstler.
Mit der opportunen Flucht des Hauptbelastungszeugen Ilunga wird es nun deutlich schwieriger, die Verdächtigen aus dem Sicherheitsapparat zu belangen. „Mit Ilunga verschwinden wichtige Informationen und Zeugenaussagen“, sagte Zaida Catalans Mutter Maria Moresby. Und Kongos neuer Präsident Félix Tshisekedi, der selbst aus Kasai stammt, steht vor einem neuen Problem bei seinen Bemühungen, das Erbe der Kabila-Ära zu überwinden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter