Nach Mord an George Floyd: Gouverneur militarisiert Minneapolis
Die Proteste gegen Polizeigewalt in zahlreichen US-Städten gehen auch in der Nacht zum Samstag weiter. Die Anwälte von Floyds Familie zweifeln das Obduktionsergebnis an.
Im Laufe des Samstags sollten schließlich bis zu 2500 Soldaten einsatzbereit sein, verlautbarte der Leiter der Nationalgarde, Generalmajor Jon Jensen. Gouverneur Walz sagte am Samstag, dem Bundesstaat drohe trotz der bislang größten Mobilisierung der Sicherheitskräfte in Friedenszeiten erneut eine Nacht der Gewalt: „Das wird es nur schwieriger machen heute Abend.“ Er habe daher auch die Gouverneure der Nachbarstaaten um weitere Unterstützung aus deren Nationalgarden gebeten.
Zudem habe er mit Verteidigungsminister Mark Esper und Generalstabschef Mark Milley gesprochen, sagte Walz. Es gab zunächst unbestätigte Berichte, wonach die Streitkräfte Hunderte Soldaten der Militärpolizei für einen möglichen Einsatz mobilisierten. Walz machte keine Angaben zur angeforderten Unterstützung. „Die Militarisierung einer Zivilbevölkerung ist besorgniserregend“, räumte er ein.
Der Auslöser für die Proteste war der Tod des Afroamerikaner George Floyd infolge eines brutalen Polizeieinsatzes in Minneapolis gewesen. Der mutmaßlich Hauptverantwortliche für die Gewaltat ist erst vier Tage nach dem Vorfall festgenommen worden.
Örtliche Reporter berichteten in der Nacht zu Samstag, weder Soldaten noch Polizisten seien in Minneapolis zu sehen gewesen. Walz räumte ein, die Sicherheitskräfte seien angesichts des Ausmaßes der gewaltsamen Proteste überfordert gewesen. Walz, Frey und der Bürgermeister von St. Paul, Melvin Carter, erklärten übereinstimmend, die meisten der Demonstranten, die jetzt wichtige Infrastruktur zerstörten, seien Unruhestifter von außerhalb der Region.
An den Protesten in Minneapolis und dem angrenzenden St. Paul beteiligten sich schwarze und weiße Demonstranten. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie „Bin ich der nächste?“ und „Ohne Gerechtigkeit kein Frieden“. Auch in anderen Städten wie Atlanta, New York, Detroit, Washington, Louisville, Portland und Oakland kam es nach Floyds Tod in der Nacht zu Samstag zu Protesten.
CNN-Zentrale in Atlanta angegriffen
In Atlanta im Bundesstaat Georgia griffen Demonstranten die Zentrale von CNN an. Der Sender zeigte Live-Bilder aus der eigenen Zentrale, auf denen zu sehen war, wie Demonstranten von außerhalb Objekte auf Polizisten im Eingangsbereich des Senders warfen. Der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, verhängte über Atlanta sowie über weitere Städte im Umland den Ausnahmezustand. Etwa 500 Mitglieder der Nationalgarde von Georgia sollten eingesetzt werden, um Menschen und Eigentum zu schützen, schrieb Kemp am Samstag auf Twitter.
Auch in New York gingen erneut mehrere Tausend Menschen gegen Rassismus auf die Straße. In der Nacht kam es dabei in den Stadtteilen Manhattan und Brooklyn zu Ausschreitungen. Dem Sender CNN zufolge nahm die Polizei mindestens 72 Menschen fest. Auf beiden Seiten soll es Verletzte gegeben haben. Viele Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift „I can't breathe“ („Ich kann nicht atmen“), was Floyd gesagt hatte, kurz bevor er das Bewusstsein verlor. Bürgermeister Bill de Blasio schrieb auf Twitter: „Wir wollen nie wieder eine solche Nacht erleben.“
In der Großstadt Portland im Bundesstaat Oregon wurde am Samstag der Notstand und ein nächtliches Ausgangsverbot verhängt. Im kalifornischen Los Angeles erklärte die Polizei infolge gewaltsamer Proteste ein Demonstrationsverbot für das Stadtzentrum.
Nach einem Protest vor dem Weißen Haus drohte US-Präsident Donald Trump Demonstranten – indirekt, aber dafür erneut mit sehr deutlichen Worten: Falls die Demonstranten am Freitag über den Zaun des Regierungssitzes gelangt wären, wären sie von „boshaften Hunden und den bedrohlichsten Waffen“ begrüßt worden, schrieb Trump am Samstag auf Twitter. Dann wären sie „wirklich mindestens schwer verletzt“ worden. Viele Beamte des Secret Service warteten nur auf „Action“. Der Protest vor dem Weißen Haus war vergleichsweise klein und harmlos: Demonstranten warfen einige Behelfszäune aus Metall um, die rund 30 Meter vor dem Zaun des Weißen Hauses Passanten zurückhalten.
Führende Demokraten hatten Trump bereits am Freitag vorgeworfen, mit seinen martialischen Äußerungen zu den Ausschreitungen am Rande der Proteste nur weiteres Öl ins Feuer zu gießen.
Joe Biden, der Trump bei der Wahl im November ablösen will, forderte einen entschlossenen Kampf gegen „systematischen Rassismus“ in den USA. „Durch unser Schweigen, durch unsere Selbstgefälligkeit sind wir Komplizen der Fortsetzung des Kreislaufs der Gewalt“, sagte der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten. „Leute: Wir müssen aufstehen. Wir müssen uns bewegen. Wir müssen uns ändern.“
„Alles ist in Ordnung – bis die Polizei sie anspricht“
Unterdessen haben die Anwälte der Familie von George Floyd Zweifel an den Ergebnissen einer Obduktion angemeldet. Zugleich kündigten sie nach einem Bericht des Fernsehsenders ABC am Freitag an, bei einem bekannten Gerichtsmediziner eine eigene Untersuchung in Auftrag zu geben.
Die beiden Anwälte, Benjamin Crump und S. Lee Merritt, sagte zum Obduktionsergebnis, man habe bereits in anderen Fällen gesehen, dass Menschen, die mit den Behörden zusammenarbeiteten, Dinge präsentierten, die eine „Illusion“ seien. „All diese Dinge wie Asthma oder Herzprobleme spielen keine Rolle, solange sie (die Opfer) leben, atmen, gehen, reden. Alles ist in Ordnung – bis die Polizei sie anspricht.“
Einer der Polizisten hatte bei dem Einsatz am Montag dem Haftbefehl zufolge sein Knie insgesamt acht Minuten und 46 Sekunden auf den Nacken Floyds gedrückt. Im Haftbefehl heißt es, der Gerichtsmediziner gehe nicht von Ersticken aus. Der 46-Jährige habe an Gesundheitsproblemen gelitten, die gemeinsam mit der Festsetzung und möglichen Rauschmitteln im Blut vermutlich zum Tod geführt hätten. In den letzten zwei Minuten und 53 Sekunden habe Floyd keine Lebenszeichen mehr gezeigt.
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