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Nach Messerangriff in AltenaPolitiker-Stalking soll bestraft werden

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund will, dass ein Straftatbestand „Politiker-Stalking“ eingeführt wird. Der angegriffene Bürgermeister hat Mitleid mit dem Täter.

Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena, am Tag nach dem Angriff Foto: dpa

Berlin dpa | Nach dem Messerangriff auf den Bürgermeister Andreas Hollstein in Altena hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Einführung eines Straftatbestandes „Politiker-Stalking“ gefordert. „Der geltende Stalking-Paragraf 238 Strafgesetzbuch sollte um einen neuen Straftatbestand des „Politiker-Stalkings“ ergänzt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Andernfalls würden Führungspositionen in Politik und Verwaltung immer unattraktiver. „Hasskriminalität bedroht die staatlichen Ämter“, so Landsberg.

Andreas Hollstein war am Montagabend in einem Imbiss in der sauerländischen Stadt mit einem Messer attackiert und leicht am Hals verletzt worden. Der Angriff hat laut Staatsanwaltschaft ein fremdenfeindliches Motiv. Hollstein ist für sein Engagement für Flüchtlinge bekannt. Gegen einen 56 Jahre alten Mann wurde am Dienstag Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen.

Der Bürgermeister hat nach eigenen Worten Mitleid mit dem Täter. „Er hat sein Leben verpfuscht“, sagte er der Onlineausgabe der Passauer Neuen Presse. Die wirklichen Täter seien „die Brunnenvergifter, die man auch aus den sozialen Netzwerken kennt. Es gibt eine zunehmende Verrohung in der Gesellschaft.“ Dennoch betonte der CDU-Politiker: „Ich mache weiter.“

Hollstein forderte ein rigoroseres Vorgehen gegen solche Täter. „Der Staat muss wehrhafter sein“, sagte er der Zeitung. „Wir sind nicht rechtzeitig eingeschritten und haben in dieser liberalen Gesellschaft nicht früher Grenzen gezogen. Wer hetzt, gafft, Rettungskräfte angreift, muss mit saftigen Strafen rechnen. Wenn man Politiker anpöbelt und bedroht, ist das kein Kavaliersdelikt.“

Vernehmung und psychiatrisches Gutachten

Die Ermittler gehen nach ersten Erkenntnissen von einer spontanen Tat des arbeitslosen Maurers aus. Er sei angetrunken gewesen und habe erst in dem Döner-Grill bemerkt, dass der andere Kunde der Bürgermeister war. Hinweise, dass der Angreifer Verbindungen in die organisierte rechte Szene gehabt habe, seien bislang nicht gefunden worden, sagte Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli am Dienstag in Hagen. Der 56-Jährige soll nun vernommen und psychiatrisch begutachtet werden.

Die Staatsanwaltschaft geht von einer Tötungsabsicht aus niedrigen Beweggründen aus. Hintergrund könne neben einer politischen Motivation auch der Umstand sein, dass man ihm das Wasser abgestellt habe, da das Haus, in dem er wohne, zwangsversteigert werden solle, sagte Pauli.

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11 Kommentare

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  • "Die wirklichen Täter seien „die Brunnenvergifter[!], die man auch aus den sozialen Netzwerken kennt."

    Die Bedienung antisemitischer Stereotypien ist kontraproduktiv.

  • Wieso spielt es eine Rolle, ob er »Verbindungen in die organisierte rechte Szene« hat? Kann man nur ein rechtsradikaler Gewalttäter sein, wenn man sich vorher in einer entsprechenden Szene verankert hat?

  • Muß man eigentlich nach jedem schlimmen Verbrechen gleich nach einer Verschärfung des Strafrechts rufen? Stalking ist auch jetzt schon ein Straftatbestand. Der §238 schützt alle, also auch Politiker. Wozu einen Extra-Spezialparagraphen "Politiker-Stalking"?

    • @yohak yohak:

      Genau. Immer diese blinde Aktionismus und Profilierungssucht.

    • @yohak yohak:

      Wozu? Das haben Sie doch grade gelesen, werter YOHAK YOHAK: Der "Extra-Spezialparagraph[]" soll einen Job, den offenbar keiner, der seinen Verstand halbwegs beisammen hat, haben will, attraktiv machen für Leute, die sich gern bestechen lassen möchten.

       

      Das Prinzip gibt es längst überall: Was nicht besonders attraktiv ist, muss wenigstens attraktiv erscheinen, damit es überleben und weiter missbraucht werden kann von den sogenannten interessierten Kreisen. Was wäre denn der Städte- und Gemeindebund ohne Bürgermeister? Ein Nichts wäre er. Und seine hohen Herren wären sogar zweimal nichts. Sie hätten nämlich ohne Bürgermeister vor Ort niemanden mehr, der ihre vollmundigen Beschlüsse umsetzt oder wenigstens in ihrem Auftrag jammert. Es muss also ein (zwar nur gefühlter) Bonus her. Man könnte ihn auch als "Schmerzensgeld" bezeichnen, denn abgesehen von gewissen symbolischen Sonderrechten kriegen Bürgermeister hierzulande höchstens einen feuchten Händedruck für ihr Engagement. Für mehr reicht schlicht die Finanzdecke nicht, nachdem sich die, die näher dran sitzen am Topf, bedient haben mit großen Kellen. Und das, wo doch im Grunde jeder weiß, dass immer den Letzten in der Reihe die Hunde beißen.

       

      Meine Meinung dazu ist klar: Wer nur deswegen Bürgermeister (oder sonst irgend ein höheres Tier) wird, weil ihm dann irgend jemand eine (scheinbare) Extrawurst brät, der sollte besser gar nicht Bürgermeister werden. Weil: Der ist einfach zu dumm fürs Amt. Außerdem woll so einer am Ende vielleicht nicht nur gegen Stalking extra abgesichert werden, sondern auch in jeder anderen Beziehung. Zum Beispiel per Hinterzimmer-Kungelei oder Privat-Finanzspritze. Und Bürgermeister, die ihre eigenen Interessen über die der Öffentlichkeit stellen und Transparenz fürchten wie der Teufel das Weihwasser, gibt es schon zu viele. Die braucht kein Mensch. Zumindest keiner, der von (s)einem Bürgermeister vertreten werden will in härter werdenden Zeiten.

  • Stalking ist ein Straftatbestand - egal, ob Privatpersonen, Promis oder Politiker gestalkt werden. Da bedarf es keiner Neufassung.

     

    Jetzt zusätzlich Politiker-Stalking als Straftatbestand einzuführen, halte ich für irreführend. Auch wenn es plumpdreist wäre, es wäre dennoch ehrlicher, wenn man im Klartext sagen würde, was vermutlich gemeint ist: Kritik an Politikern soll strafbar sein! Man kennt es ja bereit aus der ehem. DDR, aus der Türkei und aus einigen anderen Ländern.

  • Ist zwar traurig, aber womöglich müssen speziell für Kommunalpolitiker und andere Menschen, die gesellschaftlich aktiv in der Öffentlichkeit stehen, spezielle Schutzmechanismen aufgebaut werden.

    Kaum vorstellbar, wie heutzutage noch ein etwas feinsinnigerer Mensch wie beispielsweise damals Petra Kelly noch politisch tätig sein könnte, die dann dauernd von Leuten verbal oder körperlich angegangen würde, die sich mit dieser Art "Widerstand" hervortun wollen.

    Irgendwann wären nur noch sehr dickfellige Leute in der Öffentlichkeit tätig, denen dann wiederum ihre "mangelnde Nähe zum Volk" vorgeworfen würde.

  • Eine elende Tat. Ja.

     

    &

     

    Das stand auch zu erwarten.

    " Nach dem Messerangriff auf den Bürgermeister Andreas Hollstein in Altena hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Einführung eines Straftatbestandes „Politiker-Stalking“ gefordert. „Der geltende Stalking-Paragraf 238 Strafgesetzbuch sollte um einen neuen Straftatbestand des „Politiker-Stalkings“ ergänzt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.…"

     

    kurz - "Sagen was man denkt -

    &

    Vorher was gedacht haben. Wäre fein!"

    ( © Harry Rowohlt)

    • @Lowandorder:

      Wie jetzt – Sie glauben nicht, dass sich Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg und seine Verbündeten was gedacht haben bei ihrer Rede, werter Lowandorder? Das kann doch gar nicht sein! Der Mann hat schließlich einen Posten. Einen, auf den man nur gelassen wird, wenn man klüger ist als alle anderen, die sich beworben haben.

       

      Der wird schon was gedacht haben, der meinungsstarke Herr Landsberg. Nur hat er wohl nicht sonderlich weit gedacht. Eher so bis zu den eigenen Zehenspitzen. Zumindest hat er nicht bedacht, dass er sich outen könnte, wenn er sein Maul aufreißt. Nicht als Mensch, der nicht gedacht hat, sondern als arroganter Fatzke. Als Kerl, dem Demokratie am verlängerten Rücken vorbei geht, wenn sie ihm nicht direkt etwas nutzt. Als Typ, der glaubt, alle Bürgermeister (oder doch wenigstens alle, die es noch werden wollen) wären genau so dumm und egoistisch wie er selbst.

       

      Ich finde, wir sollten Gerd Landsberg dankbar sein. Sehr dankbar sogar. So offen, schließlich, spricht hierzulande und heutzutage nur noch selten einer oder eine aus, was er oder sie sich so gedacht hat in seiner oder ihrer Funktion als Verantwortungsträger.

       

      Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde dem Mann ein Denkmal errichtet. Am besten in Berlin und vis-à-vis vom Bundestag. Wobei – das könnte natürlich wieder missgedeutet werden...

      • @mowgli:

        en passant - Werte -;)

         

        "..Nur hat er wohl nicht sonderlich weit gedacht..."

        Das - ist ganz sicher von Harry Rowohlts -

        Spottmetapher - mitumfaßt.

        &

        Irgendwelche Hirnströme waren da schonn im Einsatz!

        Motto "Die Bedeutung meiner Stellung erfüllt mich mit -

        Bewunderung!"

        Si´cher dat. Normal.

        Da mähtste nix.

  • Ein Sonderrecht nur für Politiker kann und darf es nicht geben (Rechtsgleichheit!).

     

    So traurig und empörend der Fall aus Altena auch ist.